Nur fünf Bundesländer wollen Wassergebühren für Industrie nach Dürre-Sommer erhöhen

Nur fünf Bundesländer haben konkrete Pläne, das so genannte Wasserentnahmeentgelt angesichts zunehmender Wasserknappheit in Deutschland zu erhöhen. Das hat eine Umfrage des investigativen SWR-Formats "Vollbild" in Zusammenarbeit mit dem Recherchezentrum "Correctiv" ergeben (Video online ab 4. Oktober, 17 Uhr auf www.youtube.de/vollbild und in der ARD Mediathek). In Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland und Sachsen sollen wasserintensive Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden. Die meisten Bundesländer ziehen nach dem Dürre-Sommer jedoch keine Konsequenzen.

Fünf Bundesländer mit konkreten Plänen für Erhöhung der Wassergebühren
Bremen teilte mit, eine Anpassung des Gesetzes zur Wasserentnahmegebühr sei derzeit "konkret in der Vorbereitung und soll schnellstmöglich erfolgen". Hamburg verwies in seiner Antwort auf einen vorliegenden Gesetzentwurf: "Demnach soll die Erhebung der Gebühr für Grundwasserentnahmen für alle Entnehmenden erhöht werden." Mecklenburg-Vorpommern hat nach eigenen Angaben Anpassungen des Wasserentnahmeentgelts im Zuge der Novellierung des Landeswasserrechts vorgesehen, Angaben zur künftigen Höhe von Entgeltsätzen könnten jedoch noch nicht getroffen werden. Das Saarland erklärt, eine Anpassung für 2024 sei geplant. Beide Länder, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland erklären, höhere Entgelte seien ein Anreiz für Unternehmen, Wasser zu sparen. Sachsens Staatsregierung teilt mit, sie habe eine Änderung des Wassergesetzes auf den Weg gebracht, die viele Wasserentnahmen mit höheren Abgaben belegen und Ausnahmen streichen solle.

Drei Bundesländer diskutieren Anpassung der Wassergebühren
Drei Bundesländer (Bayern, Brandenburg und Hessen) diskutieren zwar eine Anpassung, haben aber noch keine konkreten Pläne für eine Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts. In Bayern werden bisher keine Gebühren für die Grundwasserentnahme von Unternehmen gefordert. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz teilte mit, dieser Zustand sei "historisch bedingt".

Sechs Bundesländer planen keine Anpassung
Sechs Bundesländer (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen) planen keine Anpassung für Unternehmen. Sachsen-Anhalt schreibt zur Begründung, dass die "gesamtwirtschaftliche Lage eine Anpassung des Wasserentnahmeentgelts für die Industrie" aktuell nicht zulasse. Berlin und Niedersachsen ließen die Anfrage bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Langjährige Nutzungsverträge sichern Unternehmen Wasserentnahme
Die Recherchen von "Vollbild" und "Correctiv" zeigen: Während Bürgerinnen und Bürger in vielen Kommunen bereits zum Wassersparen aufgefordert oder sogar verpflichtet wurden, wird die wasserintensive Großindustrie wird bisher kaum in die Pflicht genommen, obwohl sie für einen großen Teil des Wasserverbrauchs verantwortlich ist. Langjährige Nutzungsverträge sichern Unternehmen oftmals auf Jahrzehnte eine kostengünstige Wasserentnahme. Im Interview mit "Vollbild" übt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (B90/Die Grünen) Kritik an langlaufenden Verträgen: "Das wird in manchen Fällen wahrscheinlich ein Problem sein, eben weil bisher zu wenig darauf geachtet wurde, dass wir auch in Deutschland zu wenig Wasser haben könnten. […] Wenn wir dann sehr langfristige und hohe Wasserentnahmen zugesichert haben, für Industrie, für Landwirtschaft, kann das zu Problemen führen."

Nationale Wasserstrategie: Schnell wirksame Maßnahmen fehlen
Der Wassermangel in Deutschland sei eine unterschätzte Gefahr, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (B90/Die Grünen) im Interview mit "Vollbild". "Das war bisher nicht unser Bild, wir dachten, wir haben es im Überfluss, wir sind sehr wasserreich. Und jetzt werden wir in einzelnen Regionen Dürre haben. Das wird sich auch fortsetzen, das geht nicht wieder weg." Doch schnell wirksame Maßnahmen mit Blick auf den Wasserverbrauch von großen Unternehmen plant die Bundesumweltministerin nach dem Dürre-Sommer offenbar ebenfalls nicht.

Bundesumweltministerin: Keine starren Vorgaben für Unternehmen
Lemke möchte mit einer "Nationalen Wasserstrategie" vor allem langfristig gegen den Wassermangel vorgehen, die Anfang 2023 verabschiedet werden soll. "Wir arbeiten mit Unternehmen und der Industrie daran, mit der Wasserstrategie langfristig Reduktion und Wiedernutzung hinzubekommen. Das ist eines der Ziele der Wasserstrategie", sagte Lemke im Interview mit "Vollbild". Der Strategieentwurf sieht vor, dass ein konkretes Aktionsprogramm die Wasserversorgung in Deutschland garantieren soll. Ein Großteil der Aktionspunkte soll allerdings erst zwischen 2030 und 2050 umgesetzt werden. Im aktuellen Entwurf wird die Industrie nicht zu konkreten Maßnahmen verpflichtet. "Starre Vorgaben für jedes einzelne Unternehmen kann die Bundesebene nicht vornehmen", räumt Bundesumweltministerin Lemke im "Vollbild"-Interview ein.

"Vollbild" vom SWR ist das neue investigative Recherche-Format aus der Werkstatt von "Report Mainz" und LABO M. Alle zwei Wochen dienstags erscheint ein neues Video auf YouTube und in der ARD Mediathek.

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