Panoramalounge für Mensch und Maschine

Nicht etwa nur der Mensch ist Nutzer einer Behausung, auch das liebgewonnene Auto kann im Zentrum einer außergewöhnlichen Bauaufgabe stehen. In der Vorarlberger Berggemeinde Mellau durften die regional ansässigen ARSP Architekten für einen privaten Bauherren einen freistehenden Baukörper als bestandsergänzenden Wohnraum errichten, der die wertvollen Fahrzeuge des Besitzers integriert und zugleich inszeniert. Mittels Hubtechnik wird ein Oldtimer der Wahl aus der Parkgarage auf die Panoramaebene gefahren. Das Automobil verwandelt sich so im Setting ausgesuchter Loungemöbel zu einem besonderen Einrichtungsdetail.

Bereits der Bestandsbau eines Einfamilienhauses in Hirschlitten in Mellau sticht aus der dünn besiedelten Höhenlage oberhalb der Tourismusgemeinde im westösterreichischen Bregenzerwald deutlich hervor. Das „Haus Zünd“ entstand 2002 und ist ein Werk des Dornbirner Architekten Oskar Leo Kaufmann. Der in den Hang eingelassene, viergeschossige Baukörper reduziert klassische Gebäudemerkmale einer typischen, vom Satteldach geprägten Kubatur auf ein Minimum. Großformatige, dunkle Eternitplatten an der Fassade, bündig gesetzte Fensteröffnungen oder Loggien sowie eine Dacheindeckung aus Blech samt auf null reduziertem Dachüberstand geben dem kompakten Kubus einen eigenständigen Charakter.

Ein Eigentümerwechsel führte nun rund 20 Jahre später nicht nur zur Sanierung und Adaptierung des Bestands, sondern auch zum Anbau einer weiteren Struktur, die sich außen reduziert und innen mit einem überraschenden Inhalt präsentiert. Die unter anderem in Dornbirn praktizierenden ARSP Architekten entwarfen hierfür eine tief in den Hang eingelassene Panoramalounge mit Parkgarage in Form eines puristischen Quaders aus Sichtbeton und Glas.

 Reduzierte Baustruktur vor imposanter Kulisse

Der oberhalb der Erschließungsebene freistehende Ergänzungsbau ordnet sich formal der Bestandsarchitektur sowie der umgebenden Natur unter. Tief in den grün bewachsenen Wiesenhang gräbt sich die neue Betonstruktur ein. Die trichterförmige Zufahrt mündet in einem schwarzen Garagentor aus Metall, was einen farblichen Bezug zur dunklen Fassade des Haupthauses darstellt. Die beiden Baukörper sind unterirdisch entlang der durchgehenden Stützmauer miteinander verbunden. Oberhalb der neuen Parkgarage baut sich schließlich ein quaderförmiger Rahmen in hellem Sichtbeton auf. Das Material wiederholt sich entlang der Stützwände auf Straßenebene und deutlich auch im Innenraum. Die auffälligste Komponente am Neubau stellt eine über die gesamte Länge verlaufende Panoramaverglasung dar. Schmale, dunkle Profile trennen hier Schiebeelemente und festverglaste Segmente, die allesamt zum außergewöhnlichen Außenraumbezug beitragen. Mit Blick in südlicher Talrichtung tritt der neue Wohn- und Parkraum in den Dialog mit der Natur- und Dorflandschaft des Bregenzerwaldes sowie mit teils hochalpinen Bergmassiven wie der Kanisfluh.

Konsequente Wertigkeit im Innenraum

„Naheliegend ist, dass vor dieser beeindruckenden Kulisse nicht nur die Oldtimer, sondern auch der dazu passende Lifestyle präsentiert wird“, so die Architekten von ARSP. Der Leidenschaft des Besitzers, hochwertige historische Fahrzeuge zu sammeln, ist schließlich das Konzept geschuldet, auf dem unbebauten Restgrundstück die geräumige Parkgarage zu errichten. Mittels einer technisch modifizierten Scherenhubbühne kann von der Zufahrtsebene, in der sechs Fahrzeuge Platz finden, ein Exemplar der Wahl auf die Loungeebene gehievt werden. Der Parkplatz wird zum Wohnraum, der Wohnraum wird zum Showroom und die Architektur rahmt lediglich dezent das Geschehen. Großzügige Loungepolstermöbel, eine Bar und ein Kamin sowie die Panoramaverglasung kontrastieren die einheitlich gehaltenen Oberflächen und Materialien im Innenausbau.

„Die weichen und warmen Grautöne von Sichtbeton und Terrazzo dominieren den Raumeindruck und schaffen den angemessenen Hintergrund für das vom Bewohner kuratierte Szenario,“ fassen die Architekten ihr Entwurfskonzept zusammen.

Der Neubau ging im Frühjahr dieses Jahres als Gewinner des BigSEE Architecture Awards 2022 in der Kategorie Residential Architecture hervor. Die vom NGO Zavod Big aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana verliehene Auszeichnung mit Schwerpunkt Südosteuropa richtet sich an außergewöhnliche Designlösungen unter anderem in der Disziplin Architektur.

Im September 2022 wurde das Projekt in den exklusiven Buchband „Haus und Auto“, erschienen im Callwey Verlag, aufgenommen.

Daten + Fakten

Projekt: Oldtimergarage und Panoramalounge, Mellau (AT)
Architektur: ARSP Architekten, Dornbirn/Innsbruck/Stuttgart,
www.arsp-architekten.eu
Tragwerksplanung: Mader und Flatz ZT GmbH, Bregenz
Bauphysik: Rudolf Mages, Dornbirn
Geotechnik: 3P, Bregenz
Auftraggeber: privat
Fertigstellung: Dezember 2021
Grundstücksgröße: 1.627 qm
Bruttogeschossfläche (EF): 386 qm
Nutzfläche (NRFa): 317 qm

Ausführende Firmen (Auszug):
Baumeister: Oberhauser Schedler
HKLS-Installation: AWA Installationen GmbH, Au
Elektro-Installation: Elektro Albrich, Schnepfau
Tischler: Rüscher, Schnepfau
Schlosser: Figer, Bezau
Estrich: Vigl & Strolz

Hersteller (Auszug):
Hebeühne: Scherzer
Leuchten: Mquadrat, Dornbirn
Sauberläufer: Emco
Holztüren: Huter und Söhne

Über die ARSP Ziviltechniker GmbH

ARSP ist eine Architekten-Partnerschaft, die aktuell Studios in Dornbirn, Innsbruck und Stuttgart betreibt. Die Keimzelle des Kollektivs liegt im österreichischen Vorarlberg, wo 2013 das Büro ARSP Architekten gegründet wurde. Das Büro steht in direkter Nachfolge des Büros OLK / Rüf ZT GmbH. Heute führen ARSP Architekten partnerschaftlich und kollaborativ die Architektinnen und Architekten: Frank Stasi, Rike Kress, Matthias Maier, Stefan Robanus und Maren Kröller.

Im internationalen Netzwerk und in agilen eigenständigen Teams organsiert, bearbeiten ARSP Architekten unterschiedliche Bautypologien, vornehmlich Wohnbauten, Öffentliche Bauten wie Schulen und Kindertagesstätten, Restaurants und Hotels. Auch über die Grenzen Europas hinaus sind ARSP Architekten aktiv: Sie haben den Compound der Deutschen Botschaft in Kabul, Afghanistan umgeplant und bauen aktuell ein Wirtschaftsgebäude in Gao, Mali (Sahel); beides Maßnahmen mit extrem hohen Sicherheitsanforderungen.

Im Mai 2022 wurde die Revitalisierung und Erweiterung der Pädagogischen Hochschule Tirol in Innsbruck eröffnet, für die ARSP Architekten verantwortlich zeichnet – Österreichs größte Schulbaustelle. An diesem und an vielen anderen Projekten zeigen ARSP ihre zukunftsgewandte Haltung, Bestand wo möglich zu erhalten, Bausubstanz zu revitalisieren und innerstädtisch nachzuverdichten.

Die Arbeiten von ARSP Architekten wurden vielfach ausgezeichnet: German Design Award, Häuser des Jahres Award, BIG SEE Award, Design Week Award, Best of the Year Award, Ecola Award, American Architecture Prize u.e.a.

www.arsp-architekten.eu

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