„Die am Wohnimmobilienmarkt eingeleitete Trendwende spiegelt sich zunehmend auch in der Zahl der genehmigten Wohnungen wider“, erklärt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Die in den vergangenen Monaten kontinuierlich gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten sowie eine restriktivere Kreditvergabe der Banken gegenüber potentiellen Immobilienkäufern belasten die Immobilienbranche und letztendlich auch das Baugewerbe spürbar. Immer öfter stornieren Kauf- bzw. Bauwillige ihre Aufträge.“
Bauträger stehen aktuell aus diversen Gründen vor erheblichen Problemen. Angesichts eines schwächer werdenden Marktes wird es immer schwieriger, Grundstücke zu bebauen und zu refinanzieren, die in den vergangenen Jahren zu relativ hohen Preisen erworben wurden. Lieferkettenprobleme, Engpässe im Gefolge des Ukraine-Krieges bzw. gestiegene Energiekosten befeuern die bereits in den letzten Jahren massiven Preissteigerungen für Baumaterialien im laufenden Jahr 2022 weiter. Das Statistische Bundesamt ermittelte für den Zeitraum 2020 – 2021 etwa Preiszuwächse bei Konstruktionsvollholz um +77 %, bei Dachlatten um +65 %, bei Bauholz um +61 % und bei Betonstahl in Stäben um +53 %.
Angesichts der instabilen Preissituation erhalten Bauträger von Handwerkern zudem häufig keinen Festpreis mehr, sondern müssen hier preislich ins Risiko gehen. In Folge einer gedämpften Nachfrage bzw. einer spürbaren Zurückhaltung von potentiellen Käufern können Bauträger derzeit auf der anderen Seite nur schwer kalkulieren, welche Verkaufspreise erzielt werden können. Zahlreiche Bauvorhaben unterbleiben aus den genannten Gründen.
Die veränderte Situation spiegelt sich auch beim Markt für Baugrundstücke wider. Wurden Grundstücke unter Bauträgern vor wenigen Jahren aufgrund des stark eingeschränkten Angebots regelrecht versteigert – insbesondere in den Ballungsräumen – agieren diese hinsichtlich der Akquisition neuer Grundstücke derzeit deutlich zurückhaltender; die geforderten Preise werden nur bedingt akzeptiert. Insofern ist es ein erstes wichtiges Signal, dass der Baugrundpreis im Geschossbau nun eher nach unten zeigt: In der Landeshauptstadt Stuttgart, die in gewissem Maße die Tendenzen am Markt früh aufzeigt, gab das Preisniveau im Halbjahresvergleich bis Herbst 2022 nach jahrelangen stetigen Anstiegen deutlich um -9,3 % nach.
2021 wurden in Baden-Württemberg rd. 45.800 Wohnungen zum Bau freigegeben (+7,1 % gegenüber 2020); dieser Wert wurde letztmalig 1999 übertroffen. Tatsächlich kann die Zahl der geschaffenen Wohnungen die vorhandene Nachfrage vielerorts jedoch nicht annähernd vollständig bedienen, speziell in den Ballungszentren mit ihren angespannten Wohnungsmärkten. Das vergleichsweise gute Ergebnis an Baugenehmigungen aus dem Vorjahr wird 2022 aller Voraussicht nach spürbar verfehlt werden. Die Zahl der Bauanträge und letztendlich auch Baugenehmigungen dürfte sich in den letzten Monaten des Jahres weiter rückläufig entwickeln.
„Das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, deutschlandweit jährlich 400.000 neue Wohnungen zu errichten, ist durchaus löblich“, so Prof Stephan Kippes. „Jedoch muss die Stellschraube auch dort angesetzt werden, wo der Bedarf am höchsten ist – gerade in prosperierenden Regionen konnte die Neubautätigkeit in den vergangenen Jahren nicht annähernd mit der sehr hohen Nachfrage mithalten.“ Aktuell ist aufgrund der hohen Inflation sowie einer immer schwieriger werdenden Finanzierung zudem eine verstärkte Wanderung von eigentlichen Kaufinteressenten ins Mietsegment zu beobachten, was die ohnehin angespannte Lage dort weiter anheizt. In Verbindung mit der sich andeutenden schwächelnden Wohnungsproduktion deuten sich vermehrt Engpässe an bzw. vorhandene Engpässe werden weiter verschärft. „Mit einer rückläufigen Bautätigkeit produzieren wir uns im Moment die Wohnungsengpässe der Zukunft“, warnt Prof. Stephan Kippes.
* Dargestellt sind alle genehmigten Wohnungen in neu errichteten Wohngebäuden
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