Deutsche Lebensversicherer-Stille Reserven adee

Niedrige Zinsen waren jahrelang das Problem der Lebensversicherer. Die Solvenzquoten waren gefallen, die Zinsreserven kaum noch finanzierbar. Jetzt schaffen höhere Zinsen und Inflationsraten von teilweise über zehn Prozent andere Probleme. Die Sorge um Zinsreserve und Garantien schwinden, dafür aber entsteht eine negative Realverzinsung.

Wer 1000 € bei vier Prozent Zinsen und zehn Prozent Inflation einzahlt, hat am Jahresschluss effektiv 945 € Kaufkraft. Auf einmal ist es für die Lebensversicherer schwierig, gegenüber dem Kunden Argumente für die Fortsetzung bestehender oder den Abschluss neuer Vorsorgepolicen zu finden. Hinzu kommt, dass die Versicherungen einen Großteil ihrer Einlagen in festverzinslichen langlaufenden Papieren angelegt haben, sodass sie ihren Kunden keine den Banken vergleichbare Renditen anbieten können.

Die gute Nachricht ist, dass die Solvenzquoten nicht mehr kritisch sind. Die Abnahme der Anzahl von kritischen Solvenzquote zeugt von einer Entspannung. Auch wichtige andere Kennzahlen, wie die erwarteten Gewinne aus zukünftigen Prämien oder der Diversifikationsgrad verbessern sich.

Um ihre Kunden halten zu können, sollten die Versicherer zum einen herausstellen, dass das Geld bei ihnen sicher und gegebenenfalls nach ESG-Kriterien angelegt ist. Diese gute Gefühl kann dabei helfen, die aktuell negative Realverzinsung in Kauf zu nehmen, die sich eventuell auch bald wieder korrigiert. Auch sollten die Assekuranzen ihr Investmentportefolio stärker in Richtung Sachwerte wie Immobilien führen. So können sie gegenüber den Kunden betonen, dass sie etwas für den Inflationsausgleich tun und die Negativverzinsung in Grenzen halten.

Nachhaltigkeit kommt nicht bei allen an

Seit dem 2. August 2020 müssen alle Versicherungsvermittler und -makler den Kunden fragen, ob Nachhaltigkeitsaspekte beim Abschluss eines Altersvorsorgeprodukts wichtig seien oder nicht. Eine gute Anleitung hierfür ist der Fragebogen nach DIN-Norm 77230, der nach den Anforderungen der Offenlegungs- und Taxonomieverordnung konzipiert ist.

Beunruhigend sind Berichte aus dem Markt (unter anderem laut einer Umfrage des Verbandes der Versicherungskaufleute), dass drei Viertel der Vermittler die gesetzlichen Anforderungen nicht umsetzen. Sie fragen den Kunden erst gar nicht. Anscheinend gibt es unter Vermittlern einen gewissen Widerstand. Hier sollten die Versicherer Überzeugungsarbeit leisten. Denn die Finanzwirtschaft ist der beste Hebel, mit dem man die Realwirtschaft wirklich zu einem kurzfristigen Umdenken bewegen kann. Wer Nachhaltigkeit auf die leichte Schulter nimmt, sollte dann auch mit höheren Kosten bei der Kapitalbeschaffung oder beim Einkauf von Versicherungsschutz bestraft werden. Diejenigen, die sich stark bemühen, sollten belohnt werden.

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