Es ist eine gruselige Vorstellung: Auf einmal erscheint auf dem Smartphone eine Meldung, dass man seit einiger Zeit von jemandem verfolgt wird. Woher das Gerät das weiß? Ganz einfach: Es registriert einen unbekannten AirTag in der Nähe, der sich schon länger auf dem gleichen Weg befindet wie man selbst. Dieser kann von einem eifersüchtigen Ex-Freund im Auto versteckt oder bei einem Barbesuch von einem Stalker in die Hand- oder Manteltasche geschmuggelt worden sein. Letzteres ist auch dem Sports-Illustrated-Model Brooks Nader in New York passiert, wie die 25-Jährige in einer Instagram-Story erzählt. Erst als sie sich alleine auf dem Heimweg befand, schlug ihr Smartphone Alarm, dass sie wahrscheinlich verfolgt werde. In ihrer Wohnung angekommen fand sie in ihrer Manteltasche einen AirTag, den ihr jemand untergejubelt hatte. Nader hatte in diesem Fall Glück, dass ihr Stalker nicht tätig wurde. Da sie den Tracking-Chip allerdings erst zuhause entdeckte, bestand zumindest die Gefahr, dass er nun wusste, wo sie wohnte.
In den sozialen Medien gibt es mittlerweile viele derartige Geschichten, nicht nur aus den USA. In München läuft beispielsweise derzeit ein Prozess gegen einen Zahnarzt, der seine Exfrau und seine Tochter mittels AirTags überwacht hat. Die Frau wurde auf die Tracker aufmerksam, nachdem sie mehrfach ein seltsames Piepsen in ihrem Auto und später auch aus der Jacke ihrer Tochter hörte. Sie reichte Klage wegen Nachstellung gegen ihren Ex-Mann ein. Der wurde vom Gericht zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt. Da er Berufung eingelegt hat, steht die endgültige Entscheidung noch aus. Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e.V., einem der Mitveranstalter von SpardaSurfSafe, erklärt dazu: „Juristen zweifeln an der Strafbarkeit des Trackings von Personen mittels AirTags. Es findet weder Hausfriedensbruch, noch ein ‚gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten‘ statt.“ Auch auf den Tatbestand der Ausspähung von Daten könne man sich nicht berufen, denn das würde voraussetzen, dass die ausgespähten Daten, hier also der Standort, für jemand anderen als den Täter bestimmt wäre.
Es bleibt der Tatbestand der Nachstellung, wie im Münchner Fall. Damit dieses Verhalten jedoch strafbar ist, muss es zu einer „nicht unerheblichen“ Beeinträchtigung der Lebensgestaltung führen. In Fällen wie dem des Models Brooks Nader trifft dies jedoch nicht zu. Anders sieht es aus, wenn Stalker oder andere Kriminelle die Daten schließlich dazu nutzen, um Straftaten zu begehen. Auch in diesen Fällen wird die Straftat selbst, nicht das Ausspähen der Daten bestraft.
Schützen kann man sich vor derartigen Situationen nur bedingt, denn AirTags sind frei verfügbar und erfüllen in den meisten Fällen einen ganz harmlosen und legitimen Zweck, wie das Wiederfinden des Schlüsselbundes oder das Tracking des eigenen Gepäcks bei einer Flugreise. Die kriminellen oder verwerflichen Einsatzmöglichkeiten der AirTags resultieren aus unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen des Herstellers. „Zwar macht sich Apple durchaus Gedanken über die Sicherheit und Privatsphäre seiner Nutzer, indem auf ein sicheres Bluetooth-Signal und eine komplett verschlüsselte Datenübertragung gesetzt wird, allerdings liegt auch genau da eines der Probleme: Nur der Besitzer selbst kann die Position des AirTags sehen. Die Geräte, über die der Chip geortet wird, bleiben anonym. Das macht es Stalkern einfach, unerkannt zu bleiben“, erklärt Schartner weiter.
Der Fall von Brooks Nader sowie die vielen anderen, bei denen AirTags von Kriminellen und Stalkern eingesetzt wurden, haben Apple dazu bewogen, per Update Maßnahmen zu ergreifen, um einen solchen Missbrauch seiner Produkte künftig zu erschweren. So wurde die Zeit, nach der sich der Tracker mit einem akustischen Signal meldet, von drei Tagen auf 24 Stunden reduziert. „Das Problem an diesen Maßnahmen ist zum einen, dass 24 Stunden noch immer ein langer Zeitraum sind, in dem das Opfer unbemerkt verfolgt werden kann. Zum anderen lässt sich diese Schutzmaßnahme recht leicht umgehen, indem man den Lautsprecher des Trackers zerstört“, fasst Schartner zusammen.
Darüber hinaus können sich Apple-Nutzer über die „Wo ist?“-App den Standort des fremden Tracking-Objekts anzeigen lassen. Besitzer von Android-Geräten können die App "Tracker-Erkennung" zum Auffinden fremder AirTags und anderer kompatibler Tracker in Bluetooth-Reichweite einsetzen. Wenn die App ein solches Gerät erkennt und es sich seit mindestens zehn Minuten in der Nähe des Nutzers befindet, kann diese einen Ton abspielen lassen, um den Tracker zu finden. Wünschenswert wäre allerdings, dass auch Android-Nutzer automatisch über Tracker in ihrer Nähe benachrichtigt werden und deren Standort wie bei der „Wo ist?“-App auf dem Handydisplay angezeigt wird. „Nur die wenigsten Android-Nutzer haben die entsprechende App auf ihrem Smartphone installiert. Wer rechnet schon damit, dass er via AirTag ausspioniert wird?“, merkt Schartner an. Letztlich können Stalker Tracking-Geräte wie AirTags also weiterhin missbrauchen – und bleiben dabei im Zweifelsfall sogar unbestraft. Ob Apple und andere Hersteller ihrer Verantwortung für die Privatsphäre ihrer Kunden – und anderer, unbeteiligter Personen – in Zukunft besser nachkommen, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass man sich der Gefahr durch AirTags und Co. bewusst ist und weiß, wie man fremde Ortungsgeräte aufspüren und unschädlich machen kann.
Weitere Informationen zu diesem und vielen weiteren Themen sowie Tipps zum sicheren Umgang mit dem Internet finden sich auf der Webseite von SpardaSurfSafe: https://www.spardasurfsafe-bw.de/
Über SpardaSurfSafe – eine Initiative der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg, dem Verein Sicherheit im Internet e. V. und dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg das Großprojekt im achten Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. „SpardaSurfSafe ist für uns ein Herzensprojekt, das wir mittlerweile in 32 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg durchgeführt haben. Rund 450.000 Teilnehmer konnten seit dem Start von dem Programm profitieren. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer“, erklärt Martin Hettich, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg.
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