Dass künstliches Licht in der Nacht einen Einfluss hat, kann jeder bestätigen, dem zu späte Blicke auf sein Smartphone und das damit verbundene Blaulicht den Schlaf rauben. Auch frisch geschlüpfte Meeresschildkröten werden durch Kunstlicht auf ihrem Weg zum Meer abgelenkt oder Nachtfalter flattern sich an leuchtenden Straßenlaternen zu Tode.
Dass künstliches Licht auch Effekte auf andere Meereslebewesen hat, ist ebenfalls anzunehmen, aber die Datenlage dazu ist mehr als dünn, und das obwohl weltweit geschätzte 1,6 Millionen Quadratkilometer küstennaher Meeresboden von nächtlichem Kunstlicht beschienen werden.
Jeweils sieben bis acht – zumeist zweiköpfige – internationale Forschungsteams sind pro Jahr weltweit für GAME im Einsatz. Im vergangenen Jahr wurden von ihnen Miesmuscheln in Malaysia, Chile, auf den Kapverden und Island, in Spanien, Finnland und Japan auf ihre nächtliche Lichtempfindlichkeit untersucht.
Im Jahr zuvor untersuchte der Forschungsnachwuchs dieselbe Frage an „Weidegängern“, das sind Lebewesen wie Schnecken oder Seeigel, die Pflanzenmaterial fressen. Im dritten und letzten Jahr soll es 2023 nun um das Siedlungsverhalten von Muschel-, Seepocken- und Schneckenlarven unter dem Einfluss von Kunstlicht gehen.
Das Besondere an GAME ist der weltumspannende Ansatz. Mark Lenz, der Projektkoordinator, erklärt das so: „Wir machen Versuche, um Hypothesen zu testen. Normalerweise geschieht das nur an einem Ort, in einem bestimmten Ökosystem. Wir bei GAME führen aber methodisch identische Experimente zeitgleich in möglichst vielen verschiedenen Ökosystemen durch und gewinnen dadurch ein viel umfassenderes Bild der möglichen Effekte des globalen Wandels auf Meeresökosysteme“.
An der Ausleuchtung küstennaher Meeresböden setzt das Projekt an. Die im Jahr 2022 beobachteten Miesmuscheln sind wichtig für das Leben im Meer. Sie filtern Wasser und sorgen so für eine verbessere Wasserqualität, fixieren Kohlendioxid in ihren Schalen, bilden Lebensräume für viele kleinere Meeresorganismen und dienen vielen anderen Tieren als Nahrung.
In Laborexperimenten wurde untersucht, ob nächtliche Lichtquellen, die mit 10 und 30 Lux strahlen, die Aktivität der Muscheln beziehungsweise die Qualität und Quantität des Byssus, der auch „Muschelseide“ genannten Haftfäden, beeinträchtigen. Verglichen wurden die Daten aus diesen Gruppen jeweils mit einer Kontrollgruppe, die nachts keinem Kunstlicht ausgesetzt war. Während in Sachen Biorhythmus nirgendwo eine Beeinflussung beobachtet wurde, zeigten sich beim Byssus Beeinträchtigungen – allerdings nicht an allen Standorten. Um die genaue Wirkweise des Lichts auf die Byssusbildung zu verstehen, bedarf es noch weiterer Recherchen. Es ist aber wichtig, diesen Zusammenhang genauer zu beleuchten, denn wenn weniger oder schwächere Haftfäden gebildet werden, könnte dies letztendlich bedeuten, dass Muschelbänke instabil werden und Muschelpopulationen schrumpfen.
Mehr über die Beobachtungen in den einzelnen Ländern im „Oceanblog“:
Shedding more light on the effects of light pollution: GAME 2022 has started | Game (oceanblogs.org)
Und über das Projekt im Ganzen im Podcast:
Zum Hintergrund:
Das GEOMAR:
Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Meeresforschung. Aufgabe des Instituts ist die Untersuchung der chemischen, physikalischen, biologischen und geologischen Prozesse im Ozean und ihre Wechselwirkung mit dem Meeresboden und der Atmosphäre. Mit dieser Bandbreite deckt das GEOMAR ein in Deutschland einzigartiges Spektrum ab. Das GEOMAR ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts und wird von der Bundesrepublik Deutschland (90%) und dem Land Schleswig-Holstein (10%) gemeinsam finanziert. Es verfügt zurzeit über ein jährliches Budget von ca. 80 Mio. Euro und hat 1000 Beschäftigte (Stand 2020). Weitere Informationen unter: www.geomar.de
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
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