Der milde Verlauf des Winters hat viele Volkswirtschaften in Europa bislang vor einer Verschärfung der Energiekrise bewahrt und die angekündigte deutliche Rezession verhindert. Rückläufige Energiepreise haben zudem zu einer Verlangsamung der Inflation geführt. Darüber hinaus weckt die Aussicht auf einen kräftigen Aufschwung in China in der zweiten Jahreshälfte die Hoffnung, dass die Weltwirtschaft aus ihrer derzeitigen Flaute herauskommt. Die vielseitigen Herausforderungen bleiben jedoch aktuell. „Die multidimensionale Krise aus geopolitischer Fragmentierung, Energiekrise, Klimawandel, Epidemierisiken etc. wird nicht einfach verschwinden“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Die Hoffnung auf ein Comeback Chinas ab dem späten Frühjahr 2023 berge auch Risiken: „Angesichts des Gewichts Chinas auf die Nachfrage in den globalen Rohstoffmärkten erscheint es illusorisch, den chinesischen Wirtschaftsaufschwung mit einem gleichzeitigen, weit verbreiteten Rückgang der Inflation in Einklang zu bringen. Wenn China die Maschinen wieder anwirft, könnten bei wenig verändertem Angebot die Energiepreise wieder steigen.“
Deutschland weiter in A3: Aussichten bleiben ungewiss
Seit Beginn der Energiekrise wird Deutschland mit A3 bewertet. Diese verhältnismäßig schlechte Bewertung ist der nach wie vor hohen Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten geschuldet. 2021 wurden noch 95% des heimischen Erdgaskonsums über Importe gedeckt. 2022 gingen die Importe deutlich zurück und bei den Herkunftsländern wurde der Wegfall von Russland und Tschechien zum Teil durch höhere Liefermengen aus den Niederlanden, Belgien und Norwegen ausgeglichen. Die neu installierten LNG-Terminals sollen zum Ende des Jahres 2023 die Hälfte der Importmenge, die vormals aus Russland kam, übernehmen. Dennoch bleiben die wirtschaftlichen Aussichten ungewiss, was sich in der privaten Investitionstätigkeit niederschlägt. „Wir erwarten nach dem Anstieg der EZB-Zinsen um jeweils 50 Basispunkte im Februar und März nur noch kleine Anpassungen des Leitzinses. In Kombination mit der ab März beginnenden Verringerung der Bilanzsumme um 15 Mrd. Euro pro Monat dürften die Finanzierungskosten in Deutschland erheblich steigen“, sagt Christiane von Berg. Coface erwartet für das Jahr 2023 eine minimale Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 0,2% zum Vorjahr.
Indien und Burundi trotzen Abwärtstrend
Die indische Wirtschaft zeigte sich 2022 sehr robust und legte wohl um 6,8% zum Vorjahr zu. Besonders die Öffnung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie hatte eine positive Wirkung. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte zogen an und haben dadurch die Inlandsnachfrage gestärkt, auch wenn die externe Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte zurückging. Dementsprechend wurde die Länderrisikoeinschätzung Indiens von C („hohes Ausfallrisiko“) auf nun B („relativ hohes Ausfallrisiko“) verbessert. Coface ist optimistisch bezüglich der Konjunkturaussichten im Jahr 2023, auch weil ein Rückgang im Bereich der Zahlungsverzögerungen zu beobachten ist. Das Länderrisiko von Burundi verbessert sich ebenfalls – von E („extrem hohes Ausfallrisiko) auf D, was einem „sehr hohen Ausfallrisiko“ entspricht. Bereits Ende 2021 hatten die EU und die Vereinigten Staaten, als Reaktion auf die erste friedliche Machtübergabe seit der Unabhängigkeit des Landes, ihre Finanzsanktionen aufgehoben. Die Wirtschaft bleibt dennoch äußerst fragil, die finanzielle Unterstützung sollte jedoch etwas Raum für ein staatliches nationales Entwicklungsprogramm geben, das bereits seit 2018 in Kraft ist.
Abwertungen in Südamerika und Afrika
„Gerade in Lateinamerika kam es in den vergangenen Wochen zu politischen Turbulenzen. Hiervon war vor allem Peru betroffen, das bislang mit einer Risikoeinschätzung von A4 für ein lateinamerikanisches Land noch relativ gut bewertet worden war“, sagt Christiane von Berg. Dies lag in erster Linie an den robusten makroökonomischen Daten. Der versuchte politische Putsch des bis dato amtierenden Präsidenten Petro Castillo, der den Kongress auflösen wollte, dessen anschließende Verhaftung und die dadurch ausgelösten Proteste überschatten jedoch die wirtschaftlichen Aussichten. Diese politische Instabilität schreckt internationale Investoren ab, weshalb das Länderrisiko Perus auf B herabgestuft wurde. Haiti ist ein weiteres Land der Region mit einer verschlechterten Einschätzung. Der Inselstaat wurde seit Mitte der 2000er Jahre mit einem Ausfallrisiko von D bewertet. Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 ist das Land geopolitisch mehr und mehr isoliert und in eine Sicherheits- und Wirtschaftskrise gerutscht. Innerhalb dieses Machtvakuums haben kriminelle Banden die Kontrolle über große Teile des Kapitals und der Bevölkerung übernommen.
Ebenfalls herabgestuft wurde Ghana – von B in C. Um weitere finanzielle Unterstützung des Internationalen Währungsfonds zu erhalten, hat sich der westafrikanische Staat verpflichtet, eine strenge Sparpolitik einzuführen. Dies bringt eine Restrukturierung der öffentlichen Verschuldung mit sich. Währenddessen ist die Inflation in Ghana in die Höhe geschossen, weshalb die Zentralbank den Leitzins weiter stark anhebt. „Die Folgen liegen auf der Hand: Die erhöhten Zinsen führen zu einer eingeschränkten Kreditvergabe der Banken, was eine geringere Investitionstätigkeit und einen Rückgang des privaten Konsums zur Folge hat“, sagt Christiane von Berg.
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