Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor: Für Netzwerk-Metaanalyse fehlen Daten

Ist Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor – jeweils in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) – besser geeignet zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Erwachsenen mit akutem Koronarsyndrom mit primärer oder verzögerter perkutaner Koronarintervention (PCI)? Das bleibt offen, obwohl die drei Wirkstoffe seit vielen Jahren im Einsatz sind, so das wenig befriedigende Ergebnis eines IQWiG-Berichts. Denn die Aussagekraft der Netzwerk-Metaanalyse hängt wesentlich von Studiendaten ab, die das Institut bei einem Hersteller angefordert, aber nicht erhalten hat.

Vergleich dreier Thrombozytenaggregationshemmer

Die P2Y12-Rezeptorantagonisten Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor werden in Kombination mit ASS eingesetzt, um bei einem akutem Koronarsyndrom die Thrombozytenaggregation zu hemmen und so Atherothrombosen vorzubeugen. Alle drei Wirkstoffe haben bereits Nutzenbewertungen des IQWiG durchlaufen, angefangen mit Clopidogrel im Jahr 2004. Ticagrelor wurde 2011 in der allerersten frühen Nutzenbewertung nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) bewertet.

Was noch fehlte, war ein Vergleich der drei Substanzen untereinander. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das IQWiG 2021 mit einer vergleichenden Nutzenbewertung beauftragt, und zwar im Anwendungsgebiet von Prasugrel, also zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Erwachsenen mit akutem Koronarsyndrom mit primärer oder verzögerter PCI.

Für eine aussagekräftige Netzwerk-Metaanalyse fehlen Daten

Ein solcher Dreiecksvergleich erfolgt über eine Netzwerk-Metaanalyse. Diese kann aber nur dann aussagekräftige Ergebnisse liefern, wenn die einfließenden Studiendaten einander strukturell ausreichend ähneln. Unterscheiden sich Studien im Design, kann es notwendig sein, auf Teilpopulationen zurückzugreifen, um hinreichend ähnliche Populationen zu vergleichen.

Zwar hat das IQWG für jeden der drei Schenkel des Dreiecks Studien identifiziert, in den publizierten Daten fehlten aber Angaben zur Identifikation der zum Vergleich geeigneten Teilpopulationen. Daher forderte das Institut bei zwei Herstellern und einer akademischen Forschungsgruppe zusätzliche Daten an. Während die Forschungsgruppe und einer der Hersteller alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stellten, lieferte der andere Hersteller, der für eine besonders große und daher für die Analyse unentbehrliche Studie verantwortlich zeichnet, nichts. G-BA und IQWiG sind hier auf den Goodwill der Hersteller angewiesen, denn anders als im AMNOG gibt es für Vergleiche mehrerer Wirkstoffe, die bereits Nutzenbewertungen durchlaufen haben, keine gesetzliche Pflicht zur Bereitstellung von Daten.

Explorativer Vergleich zeigt Unterschiede

Um abzuschätzen, ob die Datenlage für die Ergebnisse des Wirkstoffvergleichs relevant ist, hat das IQWiG die verfügbaren Daten der drei größten Studien betrachtet, die jeweils zwei Wirkstoffe vergleichen und so das komplette Vergleichsdreieck abdecken. In eine der drei Studien war genau die für die Nutzenbewertung relevante Zulassungspopulation eingeschlossen worden. Bei einer zweiten ließ sich die Zulassungspopulation aus der größeren Studienpopulation herauslösen. In der dritten Studie war dies jedoch nicht möglich, da der Hersteller die angeforderten Daten nicht geliefert hat.

Wie sich zeigte, reagierten die berechneten Netzwerk-Metaanalysen empfindlich auf diesen Unterschied. Beispielsweise ist die Gesamtmortalität bei einem Wirkstoff in der gesamten Studienpopulation geringer, in der Zulassungspopulation aber höher als bei einem anderen.

„Offenbar sind sowohl die getrennte Betrachtung der Patientenpopulationen als auch die Berücksichtigung der Wirkstoff-Zulassungen für die Beantwortung der Fragestellung des G-BA wichtig“, konstatiert Volker Vervölgyi, Bereichsleiter im IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung.

Zum Ablauf der Berichterstellung

Der G-BA hatte das IQWiG im April 2021 beauftragt, die vergleichende Nutzenbewertung über Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor beim akuten Koronarsyndrom in einem beschleunigten Verfahren als „Rapid Report“ zu erarbeiten. Zwischenprodukte wurden daher nicht veröffentlicht und nicht zur Anhörung gestellt. Dem Auftraggeber ist der nun veröffentlichte Rapid Report im Januar 2023 zugegangen.

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