Probleme lösen im Physikunterricht und darüber hinaus

Wie lernen junge Menschen eigentlich, Probleme zu lösen? Und wie kann man das fördern? Diese Schlüsselfragen für den naturwissenschaftlichen Unterricht des 21. Jahrhunderts hat ein von der Klaus Tschira Stiftung ermöglichtes Projekt in den Fokus genommen. „Entwicklung einer Webanwendung zur automatisierten Erfassung und Rückmeldung physikalischer Problemlösefähigkeiten von Schülerinnen und Schülern“ (WasP), so lautet der Titel des Antrags von Peter Wulff, Juniorprofessor für Physik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, und Stefan Petersen vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel. Ziel des im Herbst beginnenden Projektes ist es, eine Webanwendung zu entwickeln, die mit Hilfe automatisierter Rückmeldung zu schriftlichen Problemlösungen von Schülerinnen und Schülern genau diese Fähigkeiten fördert.

Wie das genau aussehen soll, darüber haben wir mit Peter Wulff und seinem Mitarbeiter Fabian Kieser, ebenfalls von der Pädagogischen Hochschule, gesprochen.

Der Titel Ihres Projektantrages klingt ja ziemlich kompliziert. Worum geht es?

Peter Wulff: Der zentrale Punkt ist die Förderung von Problemlösekompetenz in Physik bei Schülerinnen und Schülern. Aus unserer Sicht erreichen wir das am besten mit einer Webanwendung. Im Zuge der Künstlichen-Intelligenz-Forschung bieten sich hier völlig neue Wege. Webanwendungen haben den Vorteil, dass sie über das Internet jederzeit verfügbar sind. Das wiederum ermöglicht einen Einsatz auch außerhalb der Schule – und mit mehr Personen.

Auf welches Problem reagieren Sie mit Ihrem Antrag?

Peter Wulff: Problemlösekompetenz wird grundsätzlich immer wichtiger. Es wird als eine der zentralen Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts bezeichnet. In den Naturwissenschaften ist das ein ganz integraler Bestandteil, in der Schule wird diese Kompetenz aber selten direkt thematisiert. Oft werden zwar hinreichend viele Probleme gelöst, beispielsweise aus Lehrbüchern, aber Aspekte, wie man allgemein an Probleme herangeht und diese löst, bleiben oft implizit. Im Projekt wollen wir einen Beitrag leisten, um auch das Herangehen an Probleme in der Physik explizit zu trainieren und damit besser zu lernen, Probleme in neuen Anwendungssituationen lösen zu können.  

Könnten Sie das an Beispielen klarmachen?

Fabian Kieser: Eine Beispielaufgabe, an der wir arbeiten, ist eine Looping-Aufgabe. Die Frage ist, wie hoch die Kugel am Start sein muss, damit sie am Ende den Looping schafft. Wichtig für die Lösung sind zwei Ansätze: zum einen das Kräftegleichgewicht im Hochpunkt des Loopings und zum anderen die Energieerhaltung. Wir trainieren jetzt ein künstliches neuronales Netz, das erkennen soll, ob in der Antwort der Schülerinnen und Schüler der Energieerhaltungssatz und/oder das Kräftegleichgewicht verwendet wurde. Um die Aufgabe zu lösen, muss beides vorkommen.

Peter Wulff: Wir haben das Glück, mit Stefan Petersen einen Experten in diesem Bereich an Bord zu haben. Stefan leitet den Auswahlwettbewerb zur Internationalen PhysikOlympiade (IPhO) am IPN Kiel und begleitet dort besonders interessierte Schülerinnen und Schüler in Physik seit Jahren mit kniffligen Physikproblemen. Auf Basis dieser Expertise wird im Projekt eine strukturierte Datenbank mit Physikproblemen aufgebaut. Die soll Probleme zusammenführen und den Lernenden dann auf der Basis dessen, was sie schon wissen, neue Probleme vorschlagen, die sie lösen können.

Es geht um den Transfer, aber auch ums Knobeln und die Neugierde?

Peter Wulff: Transfer von Wissen ist eines der wichtigen Stichworte, auch im Zusammenhang mit den PISA-Studien, die gezeigt haben, dass dies für Schülerinnen und Schüler schwierig ist. Wissen auf ungesehene, neue Sachverhalte anzuwenden, das ist das, was Schülerinnen und Schüler lernen sollten, um auch später mit unvorhergesehenen Anforderungen umgehen zu können. Wenn man eine strukturierte Datenbank hat, dann kann man gezielt neue Fragestellungen anbieten.

Warum ist das in Deutschland unterentwickelt?

Peter Wulff: Es wird ein Zusammenhang mit der Aufgabenkultur im Physikunterricht vermutet, was auch in der fachdidaktischen Forschung moniert wird. Wir haben Problemstellungen, die diesen Transfer nicht fördern, die oft nur das Einsetzen von Formeln erfordern, aber nicht dabei unterstützen, die grundlegenden Prinzipien zu verstehen und von dort aus weiterzugehen.

Was ist ihre Zielgruppe?

Peter Wulff: Jetzt geht es erst einmal an die Schülerinnen und Schüler der PhysikOlympiade und Physik-Lehramtsstudierende an der PH Heidelberg. Da wissen wir, dass sie offen sind für solche Fragen.

Geht es auch um künftige Lehrkräfte, die andere Zugänge haben sollten?

Peter Wulff: Wir möchten auch Wissen dazu generieren, wie genau Problemlöseprozesse ablaufen und wie die Förderung der Problemlösekompetenzen gut funktionieren kann. Das ist auch für die Schulen relevant.

Wie sind Sie ausgerechnet auf die Klaus Tschira Stiftung gekommen?

Peter Wulff: Unser Vorhaben enthält Aspekte der anwendungsbezogenen Forschung und der Grundlagenforschung in der Physikdidaktik. Wir möchten ganz praktisch Schülerinnen und Schüler das Lösen spannender Physikprobleme ermöglichen und in diesem Zusammenhang herausfinden, wie physikalische Problemlösekompetenzen optimal gefördert werden können. Dafür ist die Klaus Tschira Stiftung eine ideale Ansprechpartnerin.

Über Klaus Tschira Stiftung gGmbH

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de

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