Männer verdienen im Kantonalen- und Branchen-Vergleich immer mehr als Frauen

Trotz Bemühungen von Gleichstellungsbeauftragten: Das Frauen-Gehalt in der Schweiz ist nach wie vor schlechter als das Männer Gehalt. Ein neuer Einkommensvergleich zeigt: In der Finanzbranche ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern am grössten.

Mann und Frau erhalten nur selten dasselbe Gehalt. Diese auch als Gender Pay Gap bezeichnete Besonderheit bei der Entlohnung ist in allen Branchen zu beobachten. Im weltweiten Vergleich zählt die Schweiz zu den Ländern mit einer mittelgrossen Einkommensdifferenz zwischen den Geschlechtern. In den höher qualifizierten Positionen ist der Unterschied am stärksten..

Eine Studie aus Dänemark gibt nun Aufschluss über den Grund für die Gehaltslücke. Vorherige Auswertungen führten die Ausbildung, die berufliche Erfahrung und die Stellung im Unternehmen an. Im Rahmen der dänischen Untersuchung erweist sich nun die Familiengründung als wahrer Auslöser für das niedrigere Gehalt von Frauen. Vor diesem Hintergrund ist die Gender Pay Gap neu zu bewerten.

Ein branchenübergreifendes Phänomen 

In allen Berufen erhalten Männer mehr Gehalt als Frauen, wie ein neuer Einkommensvergleich von Lohncheck zeigt. Im Rahmen der Untersuchung wurden die 24 privaten und öffentlichen Kernbereiche des Schweizer Arbeitsmarkts analysiert. Im Fokus stand das Einkommen der dort beschäftigten Männer und Frauen. Das Resultat: Im Durchschnitt müssen Frauen beim Gehalt mit 574 Franken weniger pro Monat rechnen.

In der Kritik der Öffentlichkeit stehen vorwiegend marktführende Unternehmen. Dies ist in der Schweiz nicht anders als in den USA. Dort sah sich zuletzt Google massivem Gegenwind und einem aufsehenerregenden Gerichtsprozess gegenüber. Ziel der klagenden Partei: eine faire Bezahlung der weiblichen Belegschaft.

Auch im öffentlichen Sektor liegt das monatliche Einkommen von weiblichen Angestellten unter dem ihrer männlichen Kollegen. Laut der Untersuchung von Lohncheck erhalten männliche Angestellte in der öffentlichen Verwaltung und Verbänden rund 6905 Franken im Monat. Im Vergleich wird Frauen ein Gehalt von nur 6107 Franken bezahlt.

Dies ergibt eine Differenz von 798 Franken oder zwölf Prozent monatlich. Aufgrund der Vorbildfunktion des öffentlichen Sektors nimmt der Ruf nach mehr Lohngerechtigkeit hier an Lautstärke zu.

Gender Pay Gap: MINT-Sektor und Finanzbranche führend 

Dass Männer und Frauen ein anderes Einkommen erzielen, zeigt sich bei privaten Arbeitgebern eindeutig. Ein Blick auf die Auswertung offenbart: Wie hoch der Lohnunterschied ist, hängt vom Geschäftsbereich ab. Ein Vergleich zwischen Männern und Frauen bezüglich ihres Einkommens in unterschiedlichen Branchen unterstreicht einen Trend. Demnach ist die Ungleichheit der Bezahlung in den MINT-Berufen sowie in der Finanzwirtschaft am höchsten.

Zu diesen auf Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik basierenden Geschäftsfeldern gehören die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Medizinaltechnik. Hinzu kommt neben der Energie- und Wasserwirtschaft die Informatik- und Telekommunikationsbranche. In diesen Bereichen müssen Frauen beim Gehalt mit durchschnittlich 874 Franken weniger monatlich rechnen.

Spitzenreiter der Gender Pay Gap in der Schweiz ist das Bankenwesen sowie die allgemeine Finanzbranche. Das hohe Gehaltsniveau in diesem Sektor verhilft weiblichen Angestellten nur bedingt zu mehr Einkommen. Ihr monatlicher Lohn liegt rund 924 Franken unter dem ihrer männlichen Kollegen. Ein Vergleich von Männern und Frauen beim Einkommen in den Kantonen zeichnet schweizweit dasselbe Bild.

Was sind die Gründe für den Unterschied zwischen Männer und Frauen Einkommen? 

Im Jahr 2018 beschäftigten sich dänische Forscher in der Studie “Children and Gender Inequality: Evidence from Denmark” intensiv mit dem Gender Pay Gap. Das Ergebnis war eindeutig: Es ist die Familiengründung, die das Einkommen von Frauen drastisch schmälert. Im Gegensatz zu Vätern arbeiten Mütter nach der Geburt des Kindes weniger oder scheiden gänzlich aus der Arbeitswelt aus.

Diese Einkommensminderung nach Familiengründung ist auch als “Baby Penalty” bekannt. In den vier untersuchten Ländern (Dänemark, USA, Grossbritannien und Schweden) verursachte allein dieser Faktor den Lohnunterschied zwischen Mann und Frau. Die Gehaltsdifferenz zwischen Männern und kinderlosen Frauen auf dem Arbeitsmarkt hingegen war unwesentlich.

Auch in der Schweiz könnte allein die familiäre Rolle der Frau die Gender Pay Gap verursachen. Gleichstellungsbeauftragte sehen darin einen Ansatz, die Entlohnung für Frauen fortan gerechter zu gestalten. Gefragt seien dabei auch die Väter. Durch die gleichmässige Aufteilung der Elternzeit und Kinderbetreuung könnten Mütter zurück in ihren Beruf finden.

Welche Wirkung haben die unterschiedlichen Männer und Frauen Einkommen auf den Schweizer Arbeitsmarkt? 

Im Zusammenhang mit der Lohndifferenz kommt oft die Frage auf, inwiefern die Studienwahl von Frauen ihr Einkommen beeinflusst. Die Anzahl der Studentinnen in geisteswissenschaftlichen Studiengängen ist höher als in Informatik und Naturwissenschaften. Diese hochbezahlten Berufsfelder weisen folglich einen geringen Frauenanteil auf, was sich auf statistische Lohnvergleiche auswirkt.

In Zukunft könnten sich mehr Schweizerinnen für eine besser bezahlte Position im MINT- oder Finanzsektor entscheiden. Mit dieser veränderten Geschlechterverteilung auf dem Arbeitsmarkt allein würde die Gender Pay Gap jedoch nicht schrumpfen, so Wirtschaftsforschende.

Laut der vorgenannten Studie aus Dänemark ist der familiär bedingte Ausstieg von Frauen aus dem Arbeitsmarkt die Hauptursache für ihr niedrigeres Einkommen. Demnach würde sich die statistische Gehaltslücke nur schliessen, wenn Schweizer Arbeitnehmerinnen zukünftig vermehrt im Beruf bleiben.

Erweiterung des Gleichstellungsgesetzes soll für mehr Lohntransparenz sorgen 

Bereits im Jahr 1981 wurde die Lohngleichheit in Form von Artikel 8 in der Bundesverfassung verankert. Das Gleichstellungsgesetz (GIG) konkretisierte die Regelung im Jahr 1998. Durch die offizielle Aufnahme der Passage in das Gesetzbuch sollte eine rechtliche Grundlage für gleiche Lohnverteilung geschaffen werden. Wer als Arbeitgeber gegen die Regelungen verstiess, hatte bisher aber nur wenig zu befürchten.

Entsprechend nüchtern fiel die Bilanz nach mehr als 20 Jahren aus. Daher beschloss der Bundesrat im August 2019, das Gleichstellungsgesetz zu erneuern. Die Änderung trat im Juli 2020 in Kraft und verpflichtet seitdem Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten zum Nachweis von Lohngleichheit.

Zunächst befindet sich die gesetzliche Massnahme in der Testphase und ist auf zwölf Jahre befristet. Ihre Lohnanalyse müssen die betroffenen Unternehmen alle vier Jahre einreichen. Experten kritisieren jedoch: Der Hintergrund des geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieds kommt in der rein zahlenbasierten Auswertung nicht zur Sprache.

Nationalrat beschliesst neue Subventionen für die Kinderbetreuung

Einen konkreteren Lösungsansatz für den familiär bedingten Ausstieg von Frauen aus dem Schweizer Arbeitsmarkt soll ein neuer Erlass bieten. Nach einem Vorstoss der Mitte-Links-Allianz entschied sich die grosse Kammer am 1. März 2023 für eine finanzielle Förderung der Kinderbetreuung.

Mehr als 700 Millionen Franken sollen künftig jährlich in die Unterstützung von Eltern fliessen, die ihre Kinder in einer Krippe oder Tagesschule betreuen lassen. Pro Kind bedeutet dies eine Kostenentlastung von 20 Prozent – von der Geburt bis zum Ende der Primarschule. Dieser Zuschuss soll Mütter vermehrt dazu animieren, nach der Geburt wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten.

Der Gesetzgeber erhofft sich durch die Förderung nicht nur eine Minderung der einkommensbezogenen Baby Penalty. Durch den raschen Wiedereintritt von Müttern in den Beruf soll auch der drohenden Altersarmut von Frauen vorgebeugt werden. Langfristig könnte die kürzlich beschlossene Subventionierung der Kinderbetreuung somit die gesamte Schweizer Wirtschaft entlasten, so die Hoffnung des Nationalrats.

Weitere spannende Analysen zum Lohn in der Schweiz liefert Lohncheck.

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