- SPD, Grüne und AfD fast gleichauf
- Die SPD kann auch als führende Regierungspartei ihr Wählerpotential nicht verbreitern
- Schwindende Verankerung der Sozialdemokraten in der Wählerschaft auf allen Ebenen der Politik
- SPD-Verluste vor allem in der politischen und gesellschaftlichen Mitte
SPD, Grüne und AfD fast gleichauf
Im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer liegen die SPD mit 17 sowie die Grünen und die AfD mit jeweils 16 Prozent nahezu gleichauf. Zuletzt lagen die Sympathiewerte für die SPD und die AfD mit ebenfalls 17 bzw. 16 Prozent im Juli 2018 auf dem gleichen Niveau (die Grünen kamen im Sommer 2018 nur auf 13 %). Die Union liegt mit unveränderten 30 Prozent weiterhin klar vor SPD, Grünen und AfD. FDP und Linke verharren bei 7 bzw. 4 Prozent. 10 Prozent würden eine der kleinen Splitterparteien wählen.
Durch die Schwäche der SPD sinkt auch das Vertrauen zu den drei „Ampel“-Parteien insgesamt auf einen Tiefpunkt: Würde der Bundestag im Mai 2023 neu gewählt, kämen SPD, Grüne und FDP nur noch auf 40 Prozent der abgegebenen Stimmen – 12 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl im September 2021. Damit könnte sich die „Ampel“ noch nicht einmal auf das Vertrauen von einem Drittel aller Wahlberechtigten (30 %) stützen – 2021 hatten noch fast 40 Prozent aller Wahlberechtigten den „Ampel“-Parteien die Stimme gegeben.
Die SPD kann auch als führende Regierungspartei ihr Wählerpotential nicht verbreitern
Das Vertrauen zur SPD fiel nach der mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz verlorenen Bundestagwahl 2017, der Übernahme des SPD-Vorsitzes durch Andrea Nahles und der Wahl von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zum Führungsduo der Partei in ein bis 6 Wochen vor der Bundestagswahl 2021 andauerndes Stimmungstief weit unter der 20-Prozent-Marke. Nur wegen des Frusts über den Kanzlerkandidaten der Union und der Fehler der Kanzlerkandidatin der Grünen konnten die Partei und ihr Kanzlerkandidat ihre Sympathiewerte erst kurz vor dem Wahltermin 2021 deutlich steigern.
Doch das nach dem knappen Wahlsieg von Kandidat und Partei verkündete „sozialdemokratische Jahrzehnt“ erweist sich als Illusion: Mehr als zwei Jahre nach der letzten Bundestagswahl fällt die SPD bundesweit wieder unter die 20-Protent-Marke. Dabei ist das Tief der SPD nicht in erster Linie durch Schwächen ihres Kanzlers verursacht; denn die Scholz-Werte bei der „Kanzlerpräferenz“ („für wen würde man sich entscheiden, wenn man den Kanzler direkt wählen könnte“) liegen immer recht klar vor denen seiner Partei.
Schwindende Verankerung der Sozialdemokraten in der Wählerschaft auf allen Ebenen der Politik
Schon bei den Bundestagswahlen 2009, 2013 und 2017 war die Wählermobilisierung der SPD so schwach wie noch nie bei einer Bundestagwahl seit 1949. Trotz ihres Wahlsiegs galt das auch für die Wahl 2021. Schwächer war die Wählermobilisierung der deutschen Sozialdemokraten nur bei den Reichstagswahlen 1924, 1932 und 1933.
Der Sympathiewert der SPD im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer von 17 Prozent entspricht einem Anteil von nur 13 Prozent aller Wahlberechtigten – und läge damit noch unter den schwachen Mobilisierungswerten der Partei bei den Reichstagswahlen Mitte der 1920er und Anfang der 1930er Jahre.
Aber auch bei den letzten Landtagswahlen in den Flächenländern konnte die SPD nur in vier Ländern wegen ihrer dort zum Zeitpunkt der Wahl populären Ministerpräsidentinnen (in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz) bzw. wegen ihres angesehenen Ministerpräsidenten (in Niedersachsen) oder ihrer angesehenen Spitzenkanditatin (Saarland) mehr als 20 von 100 Wahlberechtigten als Wähler gewinnen. Doch in sechs nicht nur der neuen Bundesländer (Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) hat bei der letzten Landtagswahl noch nicht einmal ein Zehntel der Wahlberechtigten der SPD die Stimme gegeben.
Und weggebrochen ist der SPD ihre früher extrem große Vertrauensbasis in den die gesellschaftliche Entwicklung prägenden urbanen Metropolen (den Großstädten mit rund 500.000 oder mehr Einwohnern). Auch hier wurde die SPD in fünf Metropolen (Düsseldorf, Frankfurt am Main, Leipzig, Stuttgart und Dresden) bei den jeweils letzten Kommunalwahlen nur von weniger als 10 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt.
Wie drastisch der Wählerschwund der SPD in den urbanen Metropolen ist, zeigt die Entwicklung der SPD-Anteile in den zwölf Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern in den alten Bundesländern. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurde die SPD in diesen zwölf Städten insgesamt von fast 40 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt. Dieses große Vertrauen in die SPD vor Ort brachte der SPD in den 1950er und 1960er Jahren auch einen permanenten Vertrauenszuwachs auf der Ebene der Landes- und schließlich auch der Bundespolitik ein. Doch bei den jeweils letzten lokalen Wahlen in diesen zwölf Metropolen wurde die SPD nur noch von 10 von 100 Wahlberechtigten gewählt – ein Wählerschwund von fast 75 Prozent!
SPD-Verluste vor allem in der politischen und gesellschaftlichen Mitte
Seit jeher meinen große Teile der Funktionärskader der SPD, dass die Partei ihr einstmals großes Vertrauen mit einem konsequenten „linken“ politischen Kurs wieder zurückerlangen könne. Doch wie schon in der Vergangenheit zeigen auch die aktuellen Zahlen, dass unzufriedene frühere Wähler der SPD nicht zu linken Parteien abwandern, sondern überwiegend zu Parteien in der politischen Mitte oder inzwischen sogar zur AfD. So würden von denen, die die SPD bei der Bundestagswahl 2021 gewählt haben, aber derzeit der Partei nicht mehr ihre Stimme geben wollen, 36 Prozent die Union oder die FDP, 11 Prozent die AfD, 6 Prozent eine der kleinen Parteien aber nur 27 Prozent die Linke oder die Grünen wählen.
Die SPD-Abwanderer sind überwiegend die etwas besser verdienenden Erwerbstätigen, während unter den der SPD noch verbliebenen „treuen“ Wählern der Anteil der Rentner überwiegt, die die Partei eher aus alter Loyalität als aus tiefer Überzeugung noch wählen. Der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder ist unter den Abwanderern geringer als unter den Stammwählern der Partei. Und die Abwanderer verorten sich selbst deutlich häufiger in der politischen Mitte als die der SPD noch verbliebenen Anhänger, von denen sich mehr als die Hälfte dem linken politischen Spektrum zurechnen.
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