Frust in den Betrieben ist groß

Allen Abbau-Initiativen zum Trotz hat der bürokratische Aufwand für Betriebe zugenommen. Laut einer Umfrage der Handwerkskammer Reutlingen geben 86 Prozent der Betriebe an, dass ihr Zeit- und Personalaufwand für Meldungen, Nachweise und Dokumentationen in den vergangenen fünf Jahren gestiegen ist.

„Das Ergebnis ist eindeutig: statt der vielfach angekündigten Entlastungen kommen laufend immer mehr Pflichten hinzu. Und die gehen zu Lasten der eigentlichen Arbeit, die Handwerkerinnen und Handwerker machen wollen. Aufträge werden später bearbeitet, Kunden müssen länger warten, die Kosten steigen. Diese Entwicklung führt zu Frust in den Betrieben“, kommentiert Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, die Ergebnisse der Befragung unter 300 Betrieben in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb.

Regelflut und überfrachtete Formulare

Bei der Frage nach den Bereichen, in denen der bürokratische Aufwand am stärksten zugenommen hat, gibt es einen eindeutigen Spitzenreiter. Für drei Viertel der Betriebe ist es die Flut an neuen rechtlichen Regelungen, die laufend Anpassungen nach sich zieht. Rund die Hälfte beklagt eine stetige Zunahme an Nachweis-, Dokumentations- und Meldepflichten. Rund ein Drittel beklagt den mit Anträgen und anderen Formularen verbundenen Aufwand. Diese vorgegebenen Kommunikationswege seien häufig überfrachtet und zu kompliziert aufgebaut.

Die Folgen: Zwei Drittel der Betriebe geben an, aufgrund der zunehmenden Bürokratiepflichten weniger Zeit für ihre Kunden zu haben. Die Hälfte verweist auf höhere Kosten für Leistungen und Produkte. Für viele kleine und mittlere Unternehmen scheint die Belastungsgrenze mittlerweile erreicht: 60 Prozent sehen die Selbständigkeit durch die schiere Menge an rechtlichen Vorgaben und Verfahren als zunehmend unattraktiv.

Online-Angebote kommen an

Digitale Angebote der Verwaltungen werden von den Handwerksbetrieben angenommen und überwiegend als Entlastung wahrgenommen. Zwei Drittel der Betriebe nutzen die vorhandenen Online-Kanäle, ebenso viele werten ihre Erfahrungen als positiv. Allerdings sehen zahlreiche Handwerksunternehmer noch Luft nach oben. Jeder fünfte Online-Nutzer kann derzeit noch keine qualitative Verbesserung gegenüber den traditionellen papierbasierten Verfahren erkennen. Der wichtigste Kritikpunkt der Betriebe: manche Onlineverfahren seien zu kompliziert aufgebaut und brächten daher keinerlei Zeitersparnis. Für rund 60 Prozent der Befragten ist dies der Grund, noch nicht komplett auf digitale Kommunikation umzustellen. 40 Prozent der Betriebe sehen das Problem im noch vielfach lückenhaften Angebot. Sie würden gerne wechseln, wenn es digitale Alternativen gäbe.

Wirksame Beschränkung gefordert

Großes Entlastungspotential sehen die Handwerksunternehmer im Steuerrecht, bei den arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben und beim Datenschutz. Jeder fünfte Betrieb klagt zudem über die mit statistischen Auskunftspflichten verbundenen Arbeitsanfall. „Die Bürokratie geht zu Lasten des eigentlichen Geschäfts und wirkt sich in kleinen Betrieben stärker aus als im Großunternehmen“, betont Herrmann. „Regelungen und Verfahren müssen schlanker und die Flut an Meldungen, Nachweisen und Dokumentationen endlich wirksam beschränkt werden.“

Das Gegenteil sei aber häufig der Fall. Als Beispiele nennt Herrmann den Aufwand der Betrieb zum Abruf elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. „Auch das kürzlich verabschiedete Pflegeversicherungsreformgesetz wird den administrativen Aufwand für Arbeitgeber eher weiter erhöhen, statt ihn zu verringern.“

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