PersoOhneFinger: Zuviel Mut zur Lücke

Die Fingerabdrücke von Menschen zu erfassen und auf dem Personalausweis zu speichern ist „kein Vorgang mit intimem Charakter“, und deshalb völlig ok. Das ist eines der haarsträubenden Argumente der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, mit denen sie empfiehlt, unsere Klage abzuweisen.

Heute wurden die Schlussanträge zu unserer Klage gegen die Speicherpflicht für Fingerabdrücke in Personalausweisen veröffentlicht. Diese Anträge sind eine Entscheidungsempfehlung der Generalanwältin, die Richterinnen und Richter können aber auch noch ganz anders entscheiden. Zum Glück. Denn es gibt noch mehr Argumente in dem Gutachten, die uns nicht überzeugen.

Ein zentrales Thema in der mündlichen Verhandlung vor Gericht war eine Lücke in der EU-Verordnung, die der Speicherpflicht zugrunde liegt. Die Fingerabdrücke werden nämlich nicht sofort gelöscht, sobald der Personalausweis hergestellt ist. Sie können bis zu 90 Tagen lang weiter bei den Ämtern gespeichert werden. Und es kommt noch schlimmer: Gibt es ein anderes nationales Gesetz, das hier reingräscht, dann darf sogar auf diese zwischengelagerten Fingerabdrücke zugegriffen werden. Das könnte zum Beispiel im Rahmen von Durchsuchungsparagrafen bei den Polizeigesetzen oder der Strafprozessordnung brisant werden.

Auf diese weit offen stehende Hintertür zur Zweckentfremdung der sensiblen biometrischen Daten geht die Generalanwältin nur unzureichend ein.

Ein weiteres heißes Thema bei der mündlichen Verhandlung war die Frage, ob die Fingerabdrucks-Daten gestohlen werden könnten, während sie noch bei den Bürgerämtern liegen. In der Verhandlung gab es dazu keine beruhigende Antwort. Auch die Generalanwältin hat keine. Der Missbrauch der Daten durch Behörden soll dadurch verhindert werden, dass das ja nicht erlaubt sei. Frei nach dem Motto „es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Na dann.

Wir haben uns heute lange und ausführlich mit den Argumenten auseinandergesetzt, mit denen die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof die Fingerabdruckpflicht verteidigt. Die wichtigsten Punkte haben wir in einer ausführlichen Analyse auf unserer Website zusammengefasst.

Die Schlussanträge der Generalanwältin sind nicht bindend, das heißt, das Gericht kann noch ganz anders entscheiden. Wir geben die Hoffnung nicht auf, denn in der mündlichen Anhörung haben sich die Richter.innen sehr viel kritischer mit den Problemen der Fingerabdruckpflicht auseinandergesetzt, als sich das jetzt in den Schlussanträgen der Generalanwältin wiederfindet. Daher heißt es jetzt: abwarten bis zum eigentlichen Urteil. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen.

PS: Und noch bevor das Urteil in dieser Sache gesprochen ist, denkt die EU-Kommission schon über den nächsten Schritt nach. In Zukunft könnte es Reisepässe und Personalausweise nur noch als digitalisierte Reisedokumente in einer Smartphone-App geben. Mitsamt automatisierter biometrischer Kontrolle. Wir haben in einer öffentlichen Stellungnahme an die Kommission vor Sicherheitsproblemen und einem Digitalzwang für Bürgerinnen und Bürger gewarnt.

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