McKinsey: Dringend über unsere Wettbewerbsfähigkeit reden

Hohe Energiepreise, hohe Inflation, starke Konkurrenz aus China: Die Autoindustrie in Deutschland und Europa sieht McKinsey-Autochef Volker Grüntges vor enormen Herausforderungen. Dabei müsse die Branche dringend mit der Politik über die Rahmenbedingungen für die Produktion redet, fordert der Autoexperte im Gespräch mit der aktuellen Ausgabe19 der Zeitschrift auto motor und sport. „Wir befinden uns in einer disruptiven Zeit, in einem perfekten Sturm“, so Grüntges, der für McKinsey die Sparte Autoindustrie mit weltweit 600 Beratern leitet. „Und damit ist nicht nur der Wandel hin zu den Elektrofahrzeugen gemeint. Auch das Thema Software erhält eine herausragende Bedeutung oder die Verbesserung der Lieferketten mitsamt Rohmaterialien. Da mache ich mir Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa.“ Schon jetzt hätten die Herausforderer nicht nur aufgeholt, sondern lägen bei Elektroautos vorne. „Im globalen E-Auto-Verkauf liegen die sogenannten Attacker mit über 50 Prozent Anteil vorn, also Tesla und die chinesischen Marken. Die neuen Player am Markt sind seit 2017 um den Faktor neun gewachsen, während die etablierten europäischen Spieler um über zehn Prozent geschrumpft sind.“

Damit die deutsche Autoindustrie preisgünstige Elektroautos bauen kann, müssten die Hersteller nicht nur Modelle mit Kompromissen bei Reichweite und Ausstattung anbieten. Zentral seien auch die Bedingungen für die Produktion. „Hier geht es um die Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Industrie. Was passiert mit dem Strompreis? Was geschieht, wenn China und die USA über mehrere Jahre eine deutlich geringere Inflation haben als Europa? Ich glaube, die Diskussion der europäischen Wettbewerbsfähigkeit ist weit über den Automobilsektor hinaus zu führen, und zwar dringend.“

Schließlich müsse die Autoindustrie eine Mobilitätsantwort für Durchschnittshaushalte anbieten. „Wir müssen Antworten finden für die Familie, die ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 35.000 Euro hat, die auf dem Land wohnt und zu ihrem Arbeitsplatz pendelt“, fordert Grüntges. Die Antwort werde „für die nächsten zehn bis 15 Jahre komplett anders ausfallen als in den Städten. Wir müssen gerade hier mehr Vielfalt erlauben, statt dogmatisch zu versuchen, die Menschen zum E-Auto zu treiben. Wir brauchen Nachhaltigkeit plus sozial finanzierbare Mobilität.“

Redakteur: Henning Busse

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