Kryptomania. Die Verheißungen der Blockchain

Sind Kryptowährungen ein unkalkulierbares Spekulationsobjekt oder barrierearme alternative Zahlungsmittel? Befördern sie radikale Dezentralität oder technologische Monopole? Sind sie Klimakiller oder stärken sie Transparenz, Selbstbestimmung und Demokratisierungsprozesse?

Bei Bitcoin, Ethereum und Co scheiden sich die Geister. Die Ausstellung Kryptomania. Die Verheißungen der Blockchain bringt im Zeppelin Museum Friedrichshafen Werke zeitgenössischer Künstler*innen aus unterschiedlichen Perspektiven zusammen, um die Potentiale und Risiken von dezentralem Internet, digitalen Zahlungsmitteln oder NFTs kritisch einzuordnen. Sie untersucht dabei, wie nicht-hierarchische Organisationsstrukturen im Digitalen neue Räume für Kollaboration, Aktivismus und Widerstand öffnen und wie eine Gesellschaft aus menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren funktionieren könnte. Das in der Ausstellung dezentral angelegte BlockLab entwickelt sich durch Interaktion und im Diskurs mit den Besucher*innen weiter, sodass die lernende Ausstellung stetig wächst.

Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie. Ihre Erfindung kommt vielen einer digitalen Revolution und Zeitenwende gleich: Digitale Zahlungen können in Sekundenschnelle und autonom verschickt werden, da die Gültigkeit der Transaktionen durch die Transparenz der Blockchain zu jeder Zeit und an jedem Ort nachvollziehbar ist. Kryptowährungen ermöglichen dadurch, so die Befürworter*innen, barrierearme Zugänge zum Finanzsystem.

DAOs (Dezentralisierte Autonome Organisationen) etablieren digitale Genossenschaftsformen. Smart Contracts ersetzen Banken oder Notare. Tokenisierungen schaffen Teilhabe an Vermögenswerten. Doch was bedeutet Demokratisierung in diesem Kontext und wie dezentral operieren Blockchain-Technologien wirklich? Kann die Macht globaler Unternehmen reduziert werden oder bilden sich neue Monopole in finanzieller und technologischer Hinsicht? Inwiefern handelt es sich beim Einsatz von Blockchain-Technologien um Monetarisierungsstrategien?

In Zusammenarbeit mit externen Partner*innen aus den Bereichen Wissenschaft, Finanzwesen, Fashion und Imkerei werden die zentralen Versprechen der Blockchain – Transparenz, Demokratisierung, Nachhaltigkeit, Freiheit, Dezentralisierung, Vertrauen und Reichtum – analysiert und kritisch eingeordnet. Zugleich nimmt sich die Ausstellung Kryptomania. Die Verheißungen der Blockchain dieser Fragen in der Auseinandersetzung mit verschiedenen zeitgenössischen künstlerischen Positionen an. Kollaborationen menschlicher und nichtmenschlicher Akteure, veränderte Möglichkeiten des politischen Aktivismus und DAOs als neue Organisationsformen werden mit ihren Chancen und Risiken diskutiert.

Einen Einstieg bietet das Non-Fungible Comic von ComicEssayistin Julia Schneider und Künstlerin Noëlle Kröger, das die ökonomischen und technologischen Grundlagen von NFTs erklärt und in gesamtgesellschaftliche Diskurse einbettet. Die auf Blockchain spezialisierte Künstlerin und Softwareentwicklerin Sarah Friend beschäftigt sich in einer neu für das Zeppelin Museum entstandenen Installation mit der physischen Infrastruktur hinter Blockchain-Technologien und wirft gleichzeitig die Frage auf, inwiefern Dezentralität realisiert werden kann und ob sich bei ihrer Umsetzung neue Monopole herausbilden.

Der Einsatz von Blockchain-Technologien ermöglicht auch neue Räume von Gemeinschaftlichkeit in der artenübergreifenden Kooperation. Nichtmenschlichen Akteuren wird dadurch Handlungsmacht gegeben, mithilfe blockchainbasierter Codes werden Gemeinschaft, Vermögen und Finanzmittel transparent und dezentral verwaltet. BeeDAO, eine web3-Organisation, die das Wohlergehen von Bienen sichern möchte, ist ein Beispiel für solch einen artenübergreifenden, kollaborativen Ansatz. Bienen und Menschen können der Dezentralisierten Autonomen Organisation beitreten, indem sie ihre Daten (proof-of-life) beisteuern oder eine NFT-Mitgliedschaft erwerben, die in Versammlungen zu Abstimmungen genutzt werden kann. Delegierte können über Bestäubung ernannt werden, die die Interessen vertreten und Vorschläge zur Verbesserung des Bienenlebens einbringen. terra0 ermöglicht einem Wald die digitale Selbstverwaltung. Holz und andere wirtschaftliche Erträge werden mittels BlockchainTechnologie so gesteuert, dass der Wald mit der Außenwelt über automatisierte Smart Contracts interagiert und dadurch zum einzigen Anteilseigner seiner Produktion wird. Darüber hinaus erhebt der Wald Daten über sich, mithilfe von Drohnen kann Saatgut verteilt oder ein Jäger engagiert werden, der sich um das Damwild kümmert.

Wie NFTs als Mittel zur Dekolonialisierung eingesetzt werden können, untersucht das Kollektiv looty. Gestohlene Kunstwerke und Objekte, die sich hauptsächlich in Institutionen im globalen Norden befinden, werden sie als NFTs minten – sprich als digitale Objekte mit einzigartigem Code verschlüsseln, über den der Besitz nachgewiesen werden kann – und über die Blockchain restituieren. Andere neue Formen für Aktivismus und Widerstand werden bei dem Künstler Egor Kraft sichtbar. Er untersucht das technologische Potenzial hinter Blockchain-Anwendungen, um die Verbreitung von Propaganda und Fehlinformationen, wie es zurzeit im Kontext des Ukraine-Kriegs passiert, zu verhindern. So hat er mit der Open-SourceSoft- und Hardware hashd0x Prototypen entwickelt, die Journalist*innen ein blockchainbasiertes Set an Werkzeugen zur Verfügung stellen, um die erweiterten Metadaten ihres Film- und Fotomaterials aufzuzeichnen. Bereits während der Bild- und Filmaufnahmen können diese registriert und fälschungssicher gespeichert werden. Da nachträgliche Änderungen auf der Blockchain nicht möglich sind, wird so ein dezentrales öffentliches Beweisarchiv mit einem effektiven Faktennachweis etabliert.

Der Performance-, Video- und Installationskünstler Florian Meisenberg reflektiert in seiner neu für das Zeppelin Museum entstandenen Arbeit den Hype um Kryptowährungen und hinterfragt kritisch, wie mithilfe von Blockchain-Technologien neue Einkommensquellen beispielsweise für Künstler*innen generiert werden können. Die performative Installation Shift der Künstlerin Géraldine Honauer, die ortsspezifisch für die Ausstellung weiterentwickelt wurde, schließt mit der Reflektion über das Thema Arbeit im digitalen Zeitalter an Meisenberg an: Shift basiert auf der digitalen Plattform Shiftwork.cc, auf der die Stempelkarten von Museumsaufsichten als NFTs gemintet und sie am Verkauf durch Royalities beteiligt werden. Für Nutzer*innen ist es möglich, virtuelle Uniformen für ihre Avatare im Metaversum zu mieten, während die tatsächlichen Museumsaufsichten ihrer physischen Arbeit nachgehen. Die Arbeit hinterfragt zeitgenössische Formen menschlicher Arbeit, indem sie einen Dialog zwischen physischer und digitaler Sphäre durch Corporate Workwear ermöglicht.

Zur Ausstellung ist zudem ein umfangreiches Vermittlungsprogramm geplant, das die Entwicklungen rund um die Blockchain, das web3 und die Metaversen, ihre Potentiale und Risiken kritisch einordnet. Das BlockLab vermittelt unmittelbar in der Ausstellungsfläche und in Zusammenarbeit mit lokalen Partner*innen und Communities die Grundlagen der BlockchainTechnologie und hinterfragt diese kritisch. Der Diskurs mit den Besucher*innen steht dabei stets im Mittelpunkt. Die lernende Ausstellung wird sich dadurch im Laufe der Zeit dialogisch verändern, nicht nur, um der schnelllebigen Technologie gerecht zu werden, sondern auch, um den gemeinsamen Lernprozess aufzuzeigen. Um das Gelernte weiter zu vertiefen, findet in regelmäßigen Abständen der Kryptostammtisch mit technikinteressierten Expert*innen statt, um sich mit den Besucher*innen in einer offenen Gesprächsrunde auszutauschen.

Das Begleitprogramm hinterfragt bei einem LIT WALK durch die Ausstellung und anschließender Lesung mit Ijoma Mangold, warum Bitcoin mehr als nur ein neues Geld ist, der Buchclub des Zeppelin Museums bespricht das Werk Blockchain Hühnerfarm von Xiaowei Wang, Roman Beck, Professor an der IT-Universität Kopenhagen und Leiter des European Blockchain Centers referiert zu handelnden Algorithmen, der Regisseur des Films Die Krypto-Queen. Der große OneCoin-Betrug Johan von Mirbach wird im OPEN HOUSE! zu Gast sein, ebenso die Macher*innen des Podcasts Billion Dollar Apes Jan Lindenau, Laura Helena Wurth und Daniel Ziegener sowie die ComicEssayistin Dr. Julia Schneider und Comic-Zeichner*in Noëlle Kröger bei ihrer Autor*innen-Lesung über das Non-Fungible Comic. Bei einem regelmäßig stattfindenden Workshop in Kooperation mit der Wissenswerkstatt Friedrichshafen werden Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich selbst praktisch mit Codierung und der Blockchain-Technologie auseinanderzusetzen. Über eine Hologramm-Station in der Ausstellung beantworten zudem Expert*innen, Lai*innen und Künstler*innen die Leitfragen der Ausstellung.

Zur Ausstellung wird ein umfangreicher Katalog erscheinen. Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

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