Druck auf Textil- und Bekleidungsindustrie bleibt hoch

  • Zweistelliger Anstieg der Insolvenzen im Jahr 2024 erwartet
  • Atradius: „Unternehmen leiden unter Konsumzurückhaltung.“
  • Nichtzahlungsmeldungen steigen bis September dieses Jahres um 79 Prozent

Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie steht unter massivem Druck. „Die Unternehmen leiden unter der Konsumzurückhaltung der Verbraucher – das Geld sitzt angesichts der Inflation, der wirtschaftlichen Unsicherheiten und hohen Strompreise nicht mehr so locker“, sagt Frank Liebold, Country Director Deutschland beim internationalen Kreditversicherer Atradius. In diesem Jahr mussten bereits mehr als 90 Unternehmen der Branche einen Insolvenzantrag stellen. Und die Aussichten bleiben düster – auch im kommenden Jahr rechnet der internationale Kreditversicherer mit einem prozentual zweistelligen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen.

Alarmierend sind aktuell insbesondere die Nichtzahlungsmeldungen für Lieferungen an deutsche Textilunternehmen: Sie stiegen in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 79,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Damit haben deutlich mehr Lieferanten ihre Forderung bei Fälligkeit nicht von ihrem Kunden bezahlt bekommen. Wobei die Gesamtzahl der Nichtzahlungsmeldungen nach Angaben von Atradius noch unterhalb der Zahl in den Jahren vor Corona liegt.

Die Schieflage der deutschen Textil- und Bekleidungsbranche trifft dabei nicht nur kleinere und mittlere Unternehmen. Auch so prominente Namen wie die Kinderbekleidungssparte JAKO-O des fränkischen Familienunternehmens Haba, das Münchner Damenbekleidungshaus Hallhuber, der Düsseldorfer Bekleidungsfilialist Peek & Cloppenburg oder die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof stellten in diesem Jahr bereits einen Insolvenzantrag. „So viel scheint bereits jetzt sicher: Die Unternehmen werden die geplanten Umsatz- und Absatzziele in diesem Jahr nicht erreichen“, sagt der Atradius-Manager. Denn: Die gestiegenen Kosten für Mieten, Personal und Energie können durch die Umsatzentwicklung nicht ausgeglichen werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erzielte die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie im vergangenen Jahr einen Umsatz von insgesamt mehr als 19 Milliarden Euro.

Vielfältige Herausforderungen für Textil- und Bekleidungsbranche

Doch nicht nur die gestiegenen Kosten für Mieten, Personal und Energie belasten die Umsatz- und Ertragslage der Unternehmen. Auch das Thema Nachhaltigkeit fordert die Branche nach Ansicht von Atradius heraus. Die Modeindustrie ist für zehn Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich – mehr als der Luft- und Schiffsverkehr zusammen. Sie ist der zweitgrößte Wasserverbraucher der Welt und verantwortlich für 20 Prozent der weltweiten Abwässer. Nach Einschätzung der Branchenexperten bei Atradius kann der Textilsektor durch die Einführung von Kreislaufverfahren wie Recycling, Wiederverwendung und Wiederverwertung die Abfallmenge minimieren und die Umweltauswirkungen in der Region verringern. Nach Ansicht von Atradius steht die Branche vor drei großen Herausforderungen: Die hohen Kosten für Innovationen, die Schaffung von Kreislaufprozessen sowie die Neustrukturierung der langen und komplexen Lieferketten. „Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es erheblicher Anstrengungen – und ob alle Unternehmen dazu angesichts der aktuellen Situation in der Lage sind, ist fraglich“, sagt Frank Liebold.

Dass sich die Lage im vierten Quartal und angesichts des bevorstehenden Weihnachtsgeschäftes noch nachhaltig verbessern wird, ist laut Atradius eher unwahrscheinlich. „Es gibt wenig Anlass für die Vermutung, dass die Konsumlust in den nächsten Wochen aufgrund des Weihnachtsgeschäfts bedeutend zunimmt. Wir erwarten daher keine Besserung der Lage bis zum Jahresende“, sagt Atradius Deutschland-Chef Frank Liebold. Wie groß die Unruhe ist, sei auch daran festzustellen, dass erste Marktteilnehmer aus Sorge, auf ihren Lagerbeständen sitzen zu bleiben, bereits erste Rabatte einräumen, um die Nachfrage zu stimulieren und Kunden in die Geschäfte zu locken. Positiv sei allerdings zu bewerten, dass die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsbranche ihre Risiken hinsichtlich Lieferketten und Produktionskapazitäten verbessert hätten und sich beim Sourcing nicht nur auf das ferne Asien verlassen. „Die Branche kann jetzt nur auf richtig kalte Tage hoffen, was erfahrungsgemäß einen Nachfrageschub auslöst“, so Frank Liebold weiter.

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