Neue Empfehlung der DIVI: Handlungskompetenzen im interprofessionellen Team

In der Intensivmedizin war und ist eine gute Patientenversorgung ohne eine interprofessionelle und multidisziplinäre Zusammenarbeit schon immer undenkbar. Wie in kaum einem anderen Bereich der Medizin arbeiten Ärzte und Pflegekräfte eng zusammen. So führt die Intensivpflege immer schon intensivmedizinische Tätigkeiten durch. Welche genau, ist jedoch bislang ungeregelt. Doch der ausgeprägte und fortschreitende Mangel an Fachpflegekräften, die zunehmende Akademisierung der Pflegenden sowie auch der absehbare Ärztemangel fachen die Diskussion über die Ausweitung von Kompetenzen der Pflegefachberufe an. Wer darf und kann also welche Tätigkeiten wann und wie genau ausführen?
Die Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gibt Antworten. Die Fachgesellschaft veröffentlicht heute explizite Empfehlungen für die interprofessionellen Handlungsfelder in der Intensivmedizin.

„Die Erweiterung der Handlungskompetenz der Pflegekräfte ist ein hochemotionales Thema“, sagt DIVI-Präsident Professor Felix Walcher. „Aber die DIVI hat sich dieser Herausforderung im Jahr 2023 gestellt!“ Beide Berufsgruppen würden sich permanent weiterentwickeln und spezialisierte Kompetenzen weit über die grundständige Ausbildung aneignen. Es sei deshalb nur konsequent, nach der Veröffentlichung der DIVI-Strukturempfehlungen 2022 jetzt die Empfehlungen für die Handlungskompetenzen im interprofessionellen Team herauszugeben, so der Präsident.

Eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe entwickelte seit Anfang Juni, im Anschluss an eine zweitägige Klausurtagung, acht Kernaussagen und eine Matrix mit konkreten Empfehlungen. Federführend übernahm das Autoren-Gespann der DIVI-Strukturempfehlungen wieder das Zepter: Prof. Christian Waydhas als Vertreter der Mediziner sowie Thomas van den Hooven als Vertreter der Pflegenden.

Klarheit schaffen: Kompetenzen der Pflegenden definiert

Klarheit schaffen – das ist das Ziel der DIVI-Veröffentlichung. So definiert das Paper zum ersten Mal, welche Kompetenzen Fachpflegende aufgrund ihrer Ausbildung haben. „Wir sind überzeugt, dass aus dem Fehlen dieser Definitionen der berufspolitische Konflikt resultiert“, so Thomas van den Hooven, Pflegedirektor des Universitätsklinikums Münster. „Jetzt aber bewegen wir uns von der Struktur- hin zur Prozessqualität!“

Beide DIVI-Paper – die Strukturempfehlungen 2022 und die Handlungskompetenzen 2023 – geben konkrete Hinweise, wie sich Mediziner und Fachpflegende auf der Intensivstation die Arbeit teilen können. Eine sofortige Umsetzung ist möglich. Juristisch ist auch die Empfehlung der Handlungskompetenzen abgedeckt, da die Verantwortungen an die in der Aus- und Weiterbildung erworbenen Kompetenzen gekoppelt sind.

„Unsere Handlungsempfehlung ist eine logische Konsequenz“, unterstreicht Prof. Christian Waydhas, Intensivmediziner und Chirurg im Leitungsteam der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Essen. „Wir legen hier einen sehr sachbezogenen Vorschlag vor.“

Berufspolitische Partikularinteressen versachlichen, um gemeinsam Versorgung zu schaffen

Das Miteinander zu fördern und in den Berufsgruppen nicht gegen, sondern miteinander zu arbeiten – das sei für die Zukunft der Versorgung der Bevölkerung unerlässlich, betont die DIVI. „Wir sind auf der Intensivstation am engsten verzahnt“, zeigt Mediziner Waydhas auf. „Es ist dauernd eine Pflegekraft beim Patienten und es sind immer Ärzte auf der Station.“ Beide Berufsgruppen seien also ständig vertreten. Die DIVI sehe sich als Fachgesellschaft daher in der Verantwortung, vorwegzugehen. „Der Teamgedanke ist für uns nicht etwas, was man ständig betont, weil es gerade angesagt ist. Nein, das Arbeiten im Team ist essenziell – für die Versorgung der uns anvertrauten Patienten!“

Pflegedirektor van den Hooven unterstreicht: „Die Demografie wird uns dramatisch die Feder diktieren! So müssen wir uns an allen Ecken im Gesundheitssystem überlegen, wie wir uns aufstellen.“ Es dürfe keine Konflikte unter den Mitarbeitenden geben, sondern müssten zwangsläufig alle Aufgaben verteilt und Kompetenzen gebündelt werden. „Wir müssen uns in Deutschland sonst wirklich fragen, wie wir das schaffen wollen!“

Empfehlungen für Teams der Intensivmedizin – aber auch der Notfall- und Rettungsmedizin

Langfristig sollen die DIVI-Handlungsempfehlungen den Rahmen für die interprofessionelle Zusammenarbeit auf der Intensivstation bilden. „Auch wenn in diesem ersten Schritt der Schwerpunkt auf der Intensivmedizin liegt“, erklärt DIVI-Präsident Felix Walcher, „so sollen die Handlungsempfehlungen in Zukunft auch auf die Notaufnahmen, die Rettungsmedizin und weitere therapeutische Gesundheitsfachberufe übertragen werden.“

Der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg sieht den Arbeitsauftrag klar vor Augen: Als Fachgesellschaft, in der man sich einerseits auf die Intensiv- und Notfallversorgung fokussiere und andererseits Pflegefachkräfte, Pflegewissenschaftler, Ärzte und andere intensiv- und notfallmedizinisch aktive Fachberufe zusammengeschlossen sind, sei man prädestiniert, gemeinsame Lösungen für die anstehenden Fragen im Gesundheitssystem zu entwickeln.

Die DIVI stellt ihre Vorschläge in dieser Woche auf ihrem Jahreskongress in Hamburg in gleich zwei Sitzungen vor

Über den Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e.V.

Die 1977 gegründete Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ist ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss von mehr als 4.300 persönlichen Mitgliedern und 19 Fachgesellschaften aus Anästhesiologie, Chirurgie, Innerer Medizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Neurologie und Neurochirurgie. Ihre fächer- und berufsübergreifende Zusammenarbeit und ihr Wissensaustausch machen im Alltag den Erfolg der Intensiv- und Notfallmedizin aus.

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