Details zur derzeitigen und künftigen Rentenerhöhung

In Teil 2 dieses Dossiers haben Sie erfahren, dass eine streng an der Entwicklung des Lohnniveaus orientierte Rentensteigerung mit 4,72 Prozent etwas höher hätte ausfallen müssen als die tatsächliche Erhöhung um 4,57 Prozent. Im Folgenden zeigen wir Ihnen, welche Faktoren bei der Bestimmung des für rund 21 Millionen Menschen entscheidenden aktuellen Rentenwerts noch eine Rolle spielen und wie es zu den 4,57 Prozent gekommen ist.

Schon am Anfang dieses Jahrhunderts beschäftigte sich die Politik mit der Frage, wie die gesetzliche Rentenversicherung finanziert werden sollte, wenn weniger Beitragszahler die Lasten für mehr Rentner schultern müssten. 2002 wurde mit dem Altersvermögensgesetz die so genannte Riester-Treppe eingeführt. Diese sorgte von 2002 bis 2009 für eine deutliche Senkung des Rentenniveaus. Hintergrund: Unterstellt wurde dabei, dass alle Rentenversicherten vier Prozent ihres sozialversicherungspflichtigen Einkommens in einen privaten Riester-Vertrag investieren würden (was tatsächlich nur eine Minderheit tat). Dennoch wurde gegenüber der durch den Lohnanstieg eigentlich erforderlichen Rentenerhöhung Jahr für Jahr ein Abzug von 0,5 Prozent vorgenommen – bis der (fiktive) Wert von vier Prozent erreicht war. Mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung, das 2004 verabschiedet wurde, wurden weitere Faktoren zur Begrenzung des Rentenanstiegs beschlossen.

Faktor 1: Nachhaltigkeitsfaktor

Schon seit 2005 ist bei der Festlegung der jeweiligen Rentenerhöhung ein „Bremsfaktor“ wirksam, der in der Vergangenheit teilweise dafür gesorgt hat, dass die Rentenerhöhung unterhalb der Entwicklung des Lohnniveaus blieb: Der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor. Generell rechnen die Statistiker damit, dass es künftig zunehmend mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler geben wird. Das zahlenmäßige Verhältnis beider Gruppen wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor abgebildet. »Verschlechtert« sich dieser Wert – gibt es also weniger Beitragszahler und mehr Rentner – so dämpft das den Rentenanstieg. Und umgekehrt. Auch hier kommt es auf die Entwicklung im letzten Jahr gegenüber dem vorletzten Jahr an – also 2023 gegenüber 2022. In diesem Jahr würde der Nachhaltigkeitsfaktor für sich genommen die Rentenanpassung um 0,16 Prozentpunkte dämpfen. Der Prozentwert wird auch hier in einen Faktor umgerechnet. Dieser ist hier kleiner als 1. Er beträgt 0,9984. Angesichts der Alterung unserer Gesellschaft wird dieser Faktor in Zukunft eine weit größere Rolle spielen. Eigentlich jedenfalls. Klar ist: Künftig werden immer weniger Versicherte tendenziell mehr Rentnern gegenüberstehen. Daher würde der Nachhaltigkeitsfaktor, soweit er nicht gebremst wird, dafür sorgen, dass die Rentenentwicklung von der Entwicklung des Lohnniveaus weitgehend abgekoppelt würde.

Faktor Beitragssatz – keine Veränderung?

Auch dieser Faktor wurde bereits 2005 eingeführt: Grundsätzlich gilt ein Wippenprinzip: Steigt der Beitragssatz, dann ist das auch für die Rentenhöhe schlecht. Sinkt der Beitragssatz, dann ist das auch gut für die Rentenhöhe. Dafür sorgt der so genannte Beitragssatzfaktor, der in die Berechnung der Rentenanpassung einfließt. Die Idee, die dahintersteckt, ist: Auf diese Weise sollen auch die Rentner zur Kasse gebeten werden, wenn die Beitragszahler bluten müssen.

Allerdings kommt es auch hier nicht auf den aktuellen Beitragssatz an, sondern darauf, wie sich der Satz im letzten gegenüber dem vorletzten Jahr Nachhaltigentwickelt hat. 2023 lag der Beitrag bei 18,6 Prozent. 2022 ebenfalls. Das bedeutet: Die Entwicklung des Beitragssatzes spielt dieses Mal bei der Rentenanpassung keine Rolle. Bisher hat sich wegen der weitgehenden Stabilität des Beitragssatzes der Beitragsfaktor nicht negativ auf das Rentenniveau ausgewirkt. Da der Beitragssatz in den letzten 20 Jahren sogar teilweise gesunken ist, hat sich dieser Faktor sogar positiv auf die Renten ausgewirkt. Doch das dicke Ende kommt – würde dieser Faktor ungebremst weiterwirken – in Zukunft noch: Spätestens 2028 ist bei einem höheren Beitragssatz zu rechnen. Das würde sich auch auf die Rente negativ auswirken. Eigentlich jedenfalls. Wie gesagt: Dazu weiter unten mehr.

Wie funktioniert nun die genaue Berechnung der Rentenanpassung?

Die Faktoren – Lohnentwicklung, Nachhaltigkeitsfaktor und Beitragssatzfaktor – werden miteinander multipliziert. 2024 ist das einfach, weil sich der Beitragssatz zuletzt nicht verändert hat. Der Beitragssatzfaktor geht daher mit dem Wert 1,0 in die Rentenberechnung ein. Die Berechnung funktioniert deshalb folgendermaßen: Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Lohnfaktor (zur Erinnerung: Steigerung um 4,72 Prozent) werden miteinander multipliziert. 1,0472 x 0,9984 = 1,0455. Oder in Prozent ausgedrückt: Der Anstieg müsste 4,555 Prozent betragen. Tatsächlich ist es geringfügig mehr, nämlich 4,57 Prozent.

Letztlich entscheidender Faktor: Das garantierte Rentenniveau

Das sieht auf den ersten Blick wie ein Rechenfehler aus, ist es aber nicht. Denn nun kommt ein neuer Faktor hinzu: Die Niveauschutzklausel, die zum 1. Januar 2019 eingeführt wurde. § 255e, Abs. 1 SGB VI lautet seitdem: „Wird in der Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 1. Juli 2025 … das Sicherungsniveau vor Steuern … in Höhe von 48 Prozent unterschritten, ist der aktuelle Rentenwert so anzuheben, dass das Sicherungsniveau vor Steuern mindestens 48 Prozent (Mindestsicherungsniveau) beträgt.“ Genau diese Situation wäre durch eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts um (nur) 4,555 Prozent eingetreten. Mit dem errechneten Anpassungswert wäre das Rentenniveau auf 47,9 Prozent gesunken.

Versprochen hat der Gesetzgeber aber ein Rentenniveau von 48,0 Prozent. Daher wurde der Rentenanpassungsfaktor minimal erhöht, so dass sich ein Rentenniveau von 48,0 Prozent ergibt. So kommt die Rentenerhöhung um 4,57 Prozent zustande.

Dieses geringfügige Plus wäre eigentlich kaum erwähnenswert, doch es geht ums Prinzip und vor allem um die Zukunft. Denn künftig werden Nachhaltigkeitsfaktor und Beitragssatzfaktor in schöner Regelmäßigkeit dafür sorgen, dass der aktuelle Rentenwert von 48 Prozent unterschritten wird.

Man befürchtet sogar ein Absinken auf 43 Prozent.

Genau darum geht unter anderem der Streit um das Rentenpaket II. Denn in diesem Paket soll die Rentengarantie für den Wert von 48 Prozent bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts verlängert werden. Diese Schutzklausel würde damit nahezu Jahr für Jahr zur Anwendung kommen. Letztlich besagt die Schutzklausel: Die Regelungen zur Bremsung der Rentenerhöhung – Nachhaltigkeitsfaktor und Beitragssatzfaktor – zählen nicht, wenn dadurch ein gesetzlich garantiertes Rentenniveau unterschritten wird. Man könnte auch formulieren: Die Sonderregeln von § 255e SGB VI schlagen die Detailregeln von § 68 SGB VI.

Wichtig zu wissen: Beim gesetzlich garantierten Rentenniveau handelt es sich um eine statistische Messgröße. Es bedeutet nicht, dass Rentner im Ruhestand 48 Prozent dessen erhalten, was sie vorher als Arbeitnehmer verdient haben. Das Rentenniveau ist das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten – und verglichen werden dabei jeweils die Netto-Werte ohne Berücksichtigung der Steuerabzüge.

Realistischer wäre es, wenn man die Werte nach Steuerabzug berechnen würde, doch das funktioniert nicht, weil bei der Rente für jeden neuen Rentnerjahrgang neue Steuerregeln gelten. Daher behilft man sich mit diesem etwas seltsamen „Wert vor Steuern“. Und dieser lässt die Situation der Rentnerinnen und Rentner etwas schlechter erscheinen als sie tatsächlich ist.

Denn Rentner zahlen im Verhältnis zu Arbeitnehmern deutlich weniger Steuern. Würde das Rentenniveau bei Berücksichtigung der Steuerabzüge berechnet, so würde der Wert deutlich höher liegen – im Schnitt wohl bei 55 bis 60 Prozent. Doch egal wie man genau rechnet: Es ergibt sich eine beträchtliche Versorgungslücke im Alter. Denn Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Rentner tatsächlich etwa 80 Prozent des Nettoeinkommens benötigen, das sie im Schnitt im Erwerbsleben hatten.

Die gute Nachricht aus dem Rentenpaket II ist für Rentner: Die Schere zwischen der Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen und dem Einkommen der Rentner wird sich dann nicht weiter öffnen. Diese Schere ist allerdings heute bereits weit offen. Wer allein von der gesetzlichen Rente lebt, kann im Alter in der Regel seinen früheren Lebensstandard als Arbeitnehmer nicht beibehalten. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Private Zusatzvorsorge ist ein Muss.

Tipp: Viele Rentner sind verunsichert darüber, ob sie auch im Alter weiter Steuern zahlen müssen oder endlich ihren Ruhestand ohne Finanzamt genießen können. Das bleibt für viele ein unerfüllbarer Traum, denn Renten gehören seit jeher zum steuerpflichtigen Einkommen. Allerdings müssen sie momentan oft noch nicht voll versteuert werden. Wie hoch der steuerpflichtige Anteil tatsächlich ist und ob am Ende wirklich Steuern gezahlt werden müssen, hängt von vielen individuellen Faktoren ab.

Den kompletten Ratgeber gibt es hier: https://biallo.link/lx4exbnu/

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