Verspätung mehr Regel als Ausnahme
Dass der Turnierdirektor der Europameisterschaft (EM) Philipp Lahm dank der Deutschen Bahn während der Vorrundenspiele einen TV-Auftritt verpasste, sorgte lediglich für ein Kopfschütteln und ein paar zynische Kommentare. Im Laufe der EM ärgerten sich allerdings auch immer mehr Fans über die Unzuverlässigkeit beim Zugfahren. Und schließlich gipfelte das gesamte Thema „Bahn“ im Chaos für die niederländische Nationalmannschaft: Diese musste aufgrund einer Streckensperrung Hals über Kopf von der Schiene aufs Flugzeug wechseln, verpasste die Pressekonferenz vorm Halbfinale und hätte sich vermutlich gerne etwas entspannter zum Spielort begeben.
Wirklich wundern kann man sich über die Unpünktlichkeit auf der Schiene hierzulande allerdings nicht. Und so beschäftigt sich auch die Statistik zum Bahnverkehr gar nicht mehr mit pünktlichen Zügen, sondern unterscheidet nur noch zwischen späteren oder viel späteren Ankunftszeiten. Knapp unter sechs Minuten Verspätung blieben laut ARAG Experten übrigens im Mai 2024 nur rund 63 Prozent aller Verbindungen. Alle anderen Züge hatten eine noch größere Verspätung, Tendenz steigend.
Gute Gründe oder nur Ausreden?
Gründe für die Verspätungen gibt es viele, das weiß jeder, der regelmäßig Zug fährt. Vom vorausfahrenden langsamen Zug, über Signalstörungen bis hin zu Personen im Gleis oder Bahnpersonal, das erst noch die tariflich verankerte Pause einhalten muss, ist alles denkbar. Aber auch höhere Gewalt, zu der beispielsweise Unwetter, umgestürzte Bäume oder beschädigte Oberleitungen zählen, sind Gründe für Verspätungen oder einen Zugentfall.
Wie soll man als Betroffener reagieren?
Wer von Zugverspätungen betroffen ist, kann sich laut ARAG Experten Unterstützung beim Fahrgastverband Pro Bahn holen. Wer seine Ansprüche alleine durchsetzen möchte, sollte einen Blick auf die Fahrgastrechte-Verordnung der Europäischen Union (EU) werfen. Hier sind die Ansprüche eindeutig geregelt. Danach gilt prinzipiell: Bei einer Verspätung von mindestens einer Stunde ist das Unternehmen zu Hilfeleistungen verpflichtet. Dazu gehören auch die Ausgabe von Getränken und eventuell Speisen sowie unter bestimmten Umständen eine Unterbringung, betonen ARAG Experten. Verzögert sich die Ankunft am Zielort um diese besagten 60 Minuten, haben Fahrgäste außerdem ein Anrecht auf eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises für die einfache Fahrt. Bei zwei Stunden Verspätung und mehr sind es 50 Prozent. Wurde eine Hin- und Rückfahrkarte gekauft, berechnet sich die Entschädigung auf Basis des Preises für die betroffene einfache Fahrt bzw. auf Basis der Hälfte des insgesamt bezahlten Fahrpreises. Wird aufgrund einer solchen Verspätung eine Übernachtung nötig, weil die Fortsetzung der Reise nicht mehr am selben Tag möglich oder zumutbar ist, erhält der gestrandete Reisende auch die Kosten einer angemessenen Hotelunterkunft zurück.
Zeichnet sich bereits vor der Abfahrt eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, können Reisende laut ARAG Experten auch auf die Fahrt verzichten und sich den Ticketpreis erstatten lassen. Alternativ können sie die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt durchführen oder auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. Auch unter anderen bestimmten Umständen, zum Beispiel bei einer Ankunft zwischen 0 und 5 Uhr am Zielort, ist die Nutzung eines weiteren Verkehrsmittels bis 120 Euro erstattbar. Ist mit einer mindestens zwanzigminütigen Verspätung am Zielbahnhof zu rechnen, ist die Zugbindung bei Spar-Tickets ohnehin aufgehoben. Die Deutsche Bahn selbst hat die Rechte für die Fahrgäste auf ihrer Website zusammengefasst.
Was sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung?
Da der Fahrgast die Verspätung des Zuges nachweisen muss, raten die ARAG Experten Kunden, die nicht digital aufgestellt sind, sich von der Eisenbahngesellschaft eine Bescheinigung über die Verspätung ausstellen zu lassen, denn das vereinfacht das Verfahren. Mindestens aber muss die gültige Fahrkarte aufbewahrt und eingereicht werden. Die Zahlung kann am einfachsten online über die Internetseite oder per App über den DB Navigator beantragt werden. Weiterhin ist dies aber auch über das Fahrgastrechte-Formular per Post oder in den DB-Reisezentren möglich.
Aber die ARAG Experten weisen auf eine Ausnahme der vollumfänglichen Haftung von Seiten der Bahn seit Juni 2023 hin, als die Neufassung der EU-Fahrgastrechte-Verordnung in Kraft trat. Seitdem muss die Bahn bei „außergewöhnlichen Umständen“, wie etwa bei extremen Wetterlagen, schweren Naturkatastrophen oder schweren Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit keine Entschädigung mehr zahlen. Aber auch, wenn Unbefugte Gleise blockieren oder Kabel gestohlen wurden. Oder bei Notfällen im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen sowie Sabotage oder Terrorismus.
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