Lieber Herr Randelovic, wie entstand für Sie die Idee, nach Deutschland zu gehen – und arbeiteten Sie auch in Serbien bereits in der Pflege?
Marko Randelovic: Ich wusste schon immer, dass ich auswandern möchte. Dass es Deutschland wird, war nicht von Anfang an klar. Vor vier Jahren war ich zum ersten Mal zu Besuch in Berlin und war sofort begeistert von der Kunst- und Kulturszene. Ich fühlte mich hier sehr wohl, und die Sprache gefiel mir auch. Ich fand eine Lehrerin, die ursprünglich aus Leipzig kam und mir Deutsch beibrachte. Serbisch und Deutsch ähneln sich ein wenig und so hatte ich in Serbien bereits das B2-Niveau erreicht und meine Lust, nach Deutschland zu gehen, wuchs.
Ich hatte nach dem Gymnasium eine Medizinschule in Serbien besucht und ein Jahr im Gesundheitssystem gearbeitet. Außerdem unterrichtete ich Englisch auf Online-Plattformen. Daher auch mein Interesse an Sprachen.
Durch die Firma Prokurant, die ausländische Fachkräfte rekrutiert, kam ich dann zum Unionhilfswerk.
Können Sie uns von Ihren ersten Eindrücken erzählen, als Sie nach Deutschland kamen. Welche Herausforderungen gab es während Ihrer Ausbildung?
Marko Randelovic: Meine Kolleginnen und Kollegen waren sehr freundlich und die Atmosphäre half mir sehr. Natürlich war ich anfangs nervös, aber durch die Unterstützung konnte ich mich schnell eingewöhnen und einleben.
Meine Ausbildung in Serbien musste in Deutschland anerkannt werden, was durch Prokurant organisiert wurde. Für die Anerkennung muss man Prüfungen bestehen. Außerdem ist ein Nachweis erforderlich, dass man das Sprachniveau B2 erreicht hat. Die Doppelbelastung aus Arbeiten und Lernen war anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Und die praktische Arbeit hat mir besonders geholfen, nicht nur Theorie, sondern auch die rechtlichen Hintergründe und die deutsche Pflegepraxis kennenzulernen.
Anfangs hatte ich Angst vor Sprachbarrieren, aber diese Bedenken waren unbegründet. Ich konnte die Patient*innen immer gut verstehen und sie mich auch. Ich merkte ziemlich schnell, dass ich nicht jedes Wort verstehen muss, um trotzdem den Kontext verstehen zu können. Das half mir. Generell hat es mein Selbstvertrauen sehr gestärkt, diesen Weg und die Anerkennung geschafft zu haben. Das ist bis heute ein tolles Gefühl.
Gab es gezielte Maßnahmen, um Ihnen das Ankommen und die Integration zu erleichtern?
Marko Randelovic: Das Unionhilfswerk stellte mir eine Wohnung und organisierte verschiedene Events, wie einen Willkommenstag und ein Sommerfest. Besonders schön war ein Escape Room, den wir als Team besuchten. Alle waren wirklich nett und aufgeschlossen.
In den ersten Wochen durfte ich noch nicht als Fachkraft arbeiten, also habe ich drei Wochen lang Touren begleitet. So konnte ich alles kennenlernen, mir wurde alles gezeigt und erklärt.
In Serbien und Deutschland sind die Gesundheitssysteme sicher verschieden. Welche Unterschiede gibt es und welche Aspekte der deutschen Pflegepraxis haben Sie besonders beeindruckt oder herausgefordert?
Marko Randelovic: In Serbien arbeitete ich in einer stationären Praxis für Orthopädie und Chirurgie. Daher war die ambulante Pflege war für mich komplett neu. So etwas wie häusliche Pflege gibt es in Serbien sehr viel weniger, das ist meist über die Familien organisiert.
In Deutschland sind private und staatliche Gesundheitsdienste mehr verbunden, während in Serbien alles strikt getrennt ist. Die Krankenversicherung funktioniert hier anders und die häusliche Pflege ist generell viel weiter entwickelt.
Können Sie uns von einem besonders bewegenden Moment während Ihrer Ausbildung berichten?
Marko Randelovic: Ein besonderer Moment war für mich, als mir im Unterricht klar wurde, dass ich alles verstehe. Es war in der dritten Stunde, und ich fühlte mich plötzlich viel sicherer. Das ist mir in Erinnerung geblieben.
Manche Situationen erinnern mich an meine eigene Oma. Besonders, wenn ich bei den Patient*innen Dinge sehe, die meine Oma auch gemacht hat. Sie hat zum Beispiel auch Falten in die Gardinen gebügelt. Das ist mir hier in Deutschland auch begegnet und fühlt sich schön und vertraut an – und es bringt mich zum Lachen.
Welche persönlichen und beruflichen Ziele haben Sie für Ihre Zukunft in Deutschland und in der Pflege?
Marko Randelovic: Ich möchte mich weiterentwickeln und fortbilden, zum Beispiel in der Wundversorgung. Außerdem plane ich, mein Deutsch auf C1-Niveau zu bringen und hoffe, eine Wohnung in Schöneberg zu finden.
Haben Sie Ratschläge für andere Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und eine ähnliche berufliche Laufbahn in der Pflege anstreben?
Marko Randelovic: Setzt euch Ziele, bleibt geduldig und haltet durch. Der Weg ist nicht leicht, aber es lohnt sich. Alle Papiere bis hin zum Visum haben bei mir 1 Jahr und 2 Monate gedauert. Das erste Visum gilt für 6 Monate, das nächste wieder für 6 Monate, dann kommt ein Visum für 3 Jahre und erst danach kann die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt werden. Man muss also Geduld haben und darf sich nicht entmutigen zu lassen.
Abschließend, was schätzen Sie am meisten an Ihrer Arbeit als Pflegefachkraft und was motiviert Sie, jeden Tag Ihr Bestes zu geben?
Marko Randelovic: Ich schätze es, dass die Menschen gut versorgt sind und sich wohlfühlen. Es ist schön zu sehen, wie dankbar die Patientinnen und Patienten sind. Aenne Jurat, meine Vorgesetzte, sagt immer, dass ich fürsorglich bin und gute Laune verbreite, wenn ich den Raum betrete. Das motiviert mich sehr.
Liebe Frau Jurat, waren Sie skeptisch, als es hieß, Ihr Team würde mit einem Mitarbeiter aus Serbien verstärkt? Und woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die ersten Wochen und Monate mit Marko denken?
Aenne Jurat: Ja, ich war sehr skeptisch. Die ersten Erfahrungen mit albanischen Fachkräften waren etwas chaotisch, aber diesmal war alles besser organisiert. Herr Ziesmann, der Personalkoordinator der pflegerischen Gesellschaften bei uns im Unionhilfswerk, hat uns großartig begleitet und unterstützt. Die Schulungen und Informationsveranstaltungen von Prokurant, zum Beispiel über die Anerkennung der Abschlüsse, waren hilfreich.
Ich war beeindruckt davon, wie gut Marko von Anfang an Deutsch sprach. Das hat vieles erleichtert. Und er ließ sich auch schnell dazu motivieren, wirklich Fragen zu stellen, wenn etwas nicht klar ist. Das traute er sich nach wenigen Tagen und das half natürlich auch.
Außerdem zeigte er sich flexibel und ging auch mal in andere Projekte oder Häuser, wenn dort Hilfe gebraucht wurde.
Und ich erinnere mich an einen besonders lustigen Moment: Wir haben zum Üben Inkontinenzprodukte angelegt, um Ängste abzubauen und Sicherheit zu geben. Da haben wir wirklich viel gelacht.
Wie nahmen Ihre Kundinnen und Kunden den jungen Mann an?
Aenne Jurat: Die Reaktionen der Klientinnen und Klienten waren fantastisch. Einige Frauen hatten bis dahin männliche Pflegekräfte verweigert, wollten plötzlich aber nur noch von Marko gepflegt werden – einige witzelten sogar darüber, ihn heiraten zu wollen.
Markos gute Laune und seine Fähigkeit, sich auch über andere Dinge als nur die Pflege zu unterhalten, haben alle begeistert. Er ist offen und zugewandt, das gefällt unseren Kund*innen.
Und Ihr Resümee: Können wir dem Fachkräftemangel in Deutschland damit begegnen, Kräfte aus dem Ausland zu gewinnen und hier auszubilden?
Aenne Jurat: Ja, ich denke, wir können dem Fachkräftemangel damit begegnen, wenn die Fachkräfte freiwillig nach Deutschland kommen möchten. Es ist sehr zeitaufwendig, aber es lohnt sich.
Nach der Anerkennung braucht es sicherlich noch weitere Begleitung. Und es hängt vom Charakter der Fachkräfte und von der Unterstützung des Pflegedienstes ab. Wir haben bei uns eine familiäre Atmosphäre im Team, das hat vieles erleichtert.
Und letztlich passte Marko einfach auch perfekt zu uns und wir sind froh und dankbar, dass er bei uns ist.
Liebe Frau Jurat, lieber Herr Randelovic, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben.
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