Der Spieler in dem zu Grunde liegenden Fall hatte an Sportwetten im Internet teilgenommen und dabei rund 5.000 Euro verloren. Da die Anbieterin der Online-Sportwetten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über die in Deutschland erforderliche Lizenz verfügte, seien die abgeschlossenen Verträge nichtig und der Spieler habe Anspruch auf die Rückzahlung seines Verlusts, hatte das LG Kempten im März entschieden.
Gegen dieses Urteil hatte die beklagte Veranstalterin der Sportwetten Berufung eingelegt. Sie argumentierte, dass Online-Sportwetten von dem grundsätzlichen Verbot für Online-Glücksspiele aus dem Glücksspielstaatsvertrag von 2012 nicht erfasst seien. Dies ergebe sich schon aus dem Erlaubnisvorbehalt, nachdem für Online-Sportwetten eine Genehmigung erteilt werden konnte. Eine solche Lizenz hatte die Beklagte beantragt, aber nicht erhalten, weil das damalige Vergabeverfahren gegen europäisches Recht verstoßen hatte. Folge sei, dass sie ihre Online-Sportwetten auch ohne Erlaubnis in Deutschland hätte anbieten dürfen.
Dieser Argumentation erteilte das OLG München eine klare Absage. Das LG Kempten sei zutreffend davon ausgegangen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß Glücksspielstaatsvertrag von 2012 ein wirksames Verbot für Online-Glücksspiele gegolten habe. Ohne eine Lizenz habe ein Totalverbot für Online-Glücksspiele in Deutschland bestanden. Über eine solche Genehmigung habe die Anbieterin nicht verfügt, so das Oberlandesgericht.
Das Landgericht habe auch nicht verkannt, dass die beklagte Veranstalterin durch das Verbot in ihrer Dienstleistungsfreiheit beschränkt worden sei. Darin liege aber kein Verstoß gegen europäisches Recht, machte das OLG München deutlich. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH könne ein Staat restriktive Maßnahmen verhängen, auch wenn sie die Dienstleistungsfreiheit einschränken. Entscheidend ist demnach das Ziel, das durch die Maßnahmen erreicht werden soll. So habe der EuGH bereits 2010 deutlich gemacht, dass Ziele, die dem Schutz der Verbraucher und Gesellschaft dienen, zu den „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ zählen, die „Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können“, führte das OLG aus.
Insbesondere habe der EuGH anerkannt, dass bei Spielen und Wetten, die sozialschädliche Folgen haben können, nationale Vorschriften gerechtfertigt sein können, wenn sie dem Spielerschutz dienen. Dies gelte auch, weil Spiele und Wetten im übertriebenen Maß sittlich und finanziell schädliche Folgen haben können, die sowohl den Einzelnen als auch die Allgemeinheit treffen können, so das OLG weiter. Der EuGH machte außerdem deutlich, dass es Aufgabe der nationalen Gerichte sei, die Verhältnismäßigkeit der Restriktionen zu prüfen. Nach den Maßstäben des EuGH könne der Staat z.B. ein Monopol auf Glücksspiele ausüben, private Anbieter streng überwachen oder Glücksspiele nur mit einer Lizenz gestatten. Es sei Aufgabe des Staates festzulegen, unter welchen Bedingungen er Glücksspiel zulässt.
Gemäß der Rechtsprechung des EuGH ist es Sache jedes Mitgliedsstaates der EU zu entscheiden, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten Zielen des Allgemeinwohls notwendig ist, Glücksspiele voll oder teilweise zu beschränken, machte das OLG München deutlich. Dabei hat der EuGH bekräftigt, dass Glücksspiele im Internet u.a. wegen des leichten und ständigen Zugangs, der Anonymität oder der fehlenden sozialen Kontrolle größere Gefahren für Spieler bergen. Ein grundsätzliches Verbot von Online-Glücksspielen könne daher laut EuGH eine legitime Maßnahme sein, um Ziele des Gemeinwohls zu verfolgen.
Dass die Beklagte zwar eine Lizenz beantragt, aber nicht erhalten hat, weil das Vergabeverfahren unionsrechtswidrig war, führe nicht dazu, dass sie zivilrechtlich gegenüber den Spielern so behandelt werden müsse, als ob sie im Besitz einer Erlaubnis gewesen wäre. Ohne Lizenz seien Online-Sportwetten verboten und abgeschlossene Verträge nichtig, so das OLG München.
Unterm Strich sieht das OLG München keine Erfolgschancen für die Berufung und wird sie daher voraussichtlich zurückweisen. Es gebe auch keinen Grund, das Verfahren bis zu einer weiteren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszusetzen, da der EuGH die entscheidenden Rechtsfragen bereits geklärt habe.
„Der EuGH hat mit seiner Entscheidung im September 2010 schon deutlich gemacht, dass ein nationales Verbot gerechtfertigt sein kann, wenn es Ziele des Gemeinwohls wie Bekämpfung von Spielsucht oder Schutz vor ruinösen Verhalten verfolgt – wie es beim Verbot aus dem Glücksspielstaatsvertrag der Fall ist. Es ist kaum zu erwarten, dass der EuGH seine Rechtsprechung ändern wird. Spieler haben daher nach wie vor gute Möglichkeiten, ihre Verluste aus verbotenen Online-Glücksspielen zurückzufordern“, sagt Rechtsanwalt István Cocron, CLLB Rechtsanwälte.
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