Abschied nach einem Jahrzehnt

„Ich hatte das Glück, in den zurückliegenden zehn Jahren überwiegend über positive wirtschaftliche Entwicklungen im Handwerk berichten zu können“, begann Herrmann seine Rückschau und bedankte sich beim Vorstand, den Mitgliedern der Vollversammlung, der Hauptgeschäftsführung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Handwerkskammer für ihr Engagement und die stets kollegiale, loyale, fachliche und sachliche Zusammenarbeit.

Die Kammer realisierte in Herrmanns Amtszeit den Anbau von modernen Bildungsstätten und einem Neubau eines zeitgemäßen Internats an der Bildungsakademie in Tübingen – sozusagen ein Herzensprojekt Herrmanns. „Mit einem Gesamtvolumen von über 15 Millionen Euro wurde die anfängliche Kostenschätzung um circa zwei Millionen Euro überschritten, dafür haben wir heute eine zeitgemäße Bildungsakademie, an der nach neuesten Fertigungskenntnissen im technischen und fachtheoretischen Bereich eine Ausbildung und Fort- und Weiterbildungen geschult werden können“, erklärt Herrmann die Investition. Das Gebäude der Handwerkskammer in der Hindenburgstraße in Reutlingen wurde ebenfalls unter energetischen und klimatechnischen Gesichtspunkten saniert. Des Weiteren wurde die Tiefgarage grundlegend in Stand gesetzt. Mit einem Gesamtvolumen von circa drei Millionen Euro wurden alle baulichen Maßnahmen ohne Beitragserhöhung oder Kreditaufnahme bewerkstelligt, darauf ist Herrmann besonders stolz, die Kammer stehe schuldenfrei da.

Apropos Ausbildung. Für fast kein Thema konnte Herrmann sich so begeistern wie für die Ausbildung junger Menschen. Er ist der Meinung, dass in Bildung in Deutschland nicht ausreichend investiert werden würde. „Wenn ein Land wie Deutschland nur über wenige Rohstoffe verfügt, muss die Bildung die höchste Priorität haben, beginnend bei der frühkindlichen Bildung bis hin zur beruflichen Bildung und der Weiterbildung. Ganz nach dem Motto von John F. Kennedy: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung.“ Als ein Erfolgsprojekt und Dauerbrenner der letzten Jahre sieht er die monatliche Auszeichnung des „Lehrling des Monats“, die ihn in alle fünf Kammerbezirke führte. Diesen Termin nahm er immer sehr gerne wahr, erlaubte er es ihm nämlich einen regelmäßigen Austausch mit den Mitgliedsbetrieben. Jubiläen, Kreisbereisungen, Gesellenlossprechungen, Meisterfeiern und viele ungezählte andere Veranstaltungen, die er im Ehrenamt absolviert hat, brachten ihn oft an seine Grenzen: „Es ist nicht einfach, neben seinem eigenen Betrieb noch diese vielen Aufgaben zu übernehmen. Aber das wusste ich ja bei meiner Wahl vor zehn Jahren. Entweder man ist mit Leib und Seele Kammerpräsident, oder lässt es bleiben. Dazu gehört auch, dass man sich mit Betrieben auseinandersetzen muss, die der Kammer nicht immer wohlgesonnen sind. Rückblickend muss ich aber sagen, dass es eine tolle Zeit war, die mir sehr viel Freude bereitet hat.“ 

Herrmann hob auch das stets kollegiale Miteinander und die regelmäßigen Gespräche mit den maßgeblichen Personen auf Landes- und Bundesebene hervor. Die Meisterprämie sowie die Gründungsprämie waren Forderungen, die aufgrund von sachlichen Diskussionen, zuletzt mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann, erfolgreich umgesetzt wurden. „Viele handwerklichen Forderungen, wie die Entlastungsallianz und der Normenkontrollrat ließen sich nur in Zusammenarbeit mit den anderen acht baden-württembergischen Kammern und dem Dachverband Handwerk BW erreichen. Ebenso wie ein weiterer Meilenstein, die Rückvermeisterung, die im Jahr 2021 in Zusammenarbeit mit den ZDH gelang“, zählt Herrmann auf.

Nicht unerwähnt ließ Herrmann die Coronazeit, die die Mitgliedbetriebe sehr belastete und die Beschäftigten der Kammer nahezu sieben Tage die Woche Coronahilfen bearbeiten ließ – über Wochen lang. Auch das Dickicht von EU-Richtlinien und die unzähligen Bürokratieverordnungen, die den betrieblichen Alltag erschweren, machten es nicht immer leicht, für Lösungen und Kompromisse zu kämpfen. Harald Herrmann: „Glauben sie mir, wir könne nicht alles verhindern aber wir haben oft das Schlimmste von den Betrieben abgewendet.

Momentan stecke die deutsche Wirtschaft in einer Krise. Die positive Stimmung sei getrübt, die Erwartungen an die kommenden Jahre von Pessimismus überschattet. Seit mehr als zwei Jahren kam es zu keiner Belebung der Wirtschaftsleistung. „Digitalisierung, demografischer Wandel, Energiepreisschock, Ukrainekrieg und eine veränderte Rolle China in der Weltwirtschaft hielten uns die letzten Jahre auf Trab“, so Herrmann. Auch wenn am 23. Februar kommenden Jahres in Deutschland eine neue Regierung gewählt werde, werden sich die konjunkturellen, strukturellen und haushaltspolitischen Probleme nicht in Luft auflösen. Es bleibe zu hoffen, dass aus den Fehlern der Ampelregierung gelernt werde und die Weichen auf Wachstum gestellt werden. Dafür brauche es klar definiert Strukturen, die den Betrieben nachhaltige Planungssicherheit bieten sowie einen Abbau der überbordenden Bürokratie.

Herrmann sagte abschließend, dass es für ihn eine Ehre gewesen sein, das regionale Handwerk 10 Jahre als Präsident der Handwerkskammer Reutlingen vertreten zu haben. Er wünschte dem neu gewählten Präsidium sowie der neu gewählten Vollversammlung bei ihren Entscheidungen viel Erfolg, Weitsicht und eine glückliche Hand.

Im Anschluss an die konstituierende Sitzung, die sich unter anderem auch mit der Feststellung des Wirtschaftsplanes 2025 mit Erfolgsplan und Finanzplan sowie der Beitragsfestsetzung, des Zusatzbeitrags, der ÜBA-Umlage und des Berufszuschlags für das Wirtschaftsjahr 2025 befasste wurde Harald Herrmann zum Ehrenpräsidenten ernannt.

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