Ersthelfer-App: Mehr Menschen nach Herzstillstand retten

Der plötzliche Herztod ist mit über 65.000 Sterbefällen pro Jahr eine der führenden Todesursachen in Deutschland. Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen eines Herz-Kreislauf-Stillstands außerhalb eines Krankenhauses, überleben diesen schwerwiegenden Notfall. Dies liegt vor allem am sogenannten reanimationsfreien Intervall: die Zeit (im Schnitt 9 Minuten), die ab dem Absetzen des Notrufs (112) wegen eines Herz-Kreislauf-Stillstands vergeht, bis der Patient durch den alarmierten Rettungsdienst mit Notarzt wiederbelebt wird. „Grundsätzlich könnten die Überlebenschancen bei Herzstillstand auch außerklinisch viel höher sein“, betont Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Allerdings ist die Laien-Ersthelferquote am Notfallort zu niedrig – sie liegt in Deutschland bei 51 Prozent –, weil sich viele die Wiederbelebung durch Herzdruckmassage nicht zutrauen. Dieses Nichtstun bedeutet beim Herzstillstand in der Regel spätestens nach zehn Minuten den Tod. Verstreichen mehr als fünf Minuten ohne Hilfe, nimmt als Erstes das Gehirn aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung irreparablen Schaden.

App verkürzt fatales reanimationslose Zeitfenster

Dieses therapiefreie – bei Herzstillstand lebensbedrohliche – Zeitintervall mit Hilfe eines Smartphone-basierten Ersthelfersystems zu verkürzen und dadurch Leben zu retten, ist eines der Ziele eines patientennahen Forschungsprojekts am Zentrum für Notall- und Rettungsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, das die Deutsche Herzstiftung mit 47.500 Euro fördert. Mit Hilfe dieses Ersthelfersystems überbrücken per App alarmierte medizinisch geschulte Ersthelfer durch Herzdruckmassage, Beatmung und Anwenden eines AED das reanimationsfreie Intervall bis zum Eintreffen von Rettungsdienst und Notarzt. Das Projekt mit dem Namen „HEROES-Studie: Einfluss eines Smartphone-basierten Ersthelfersystems auf die Mortalität nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand/Out-of-Hospital Cardiac Arrest & SmartphonE RespOndErS“ wird von Dr. med. Jan-Steffen Pooth, Assistenzarzt und Notfallmediziner am Zentrum für Notfall- und Rettungsmedizin des Universitäts-Notfallzentrums (UNZ) des Uniklinikums Freiburg koordiniert (Leitung: Prof. Dr. med. Michael Patrick Müller, St. Josefskrankenhaus Freiburg). Weitere Infos und ein Video über das Forschungsprojekt mit Dr. Pooth und seinem Team sind abrufbar unter https://herzstiftung.de/forschung-ersthelferapp

Überlebensrate verbessern und Rettungskette optimieren

Notfallmediziner Dr. Pooth untersucht in seinem Vorhaben die Effekte des in Freiburg bereits etablierten Smartphone-basierten Ersthelfersystems „Region der Lebensretter“. Gegenstand der Untersuchungen in einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie sind rund 3.600 außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstände bei Erwachsenen, die durch den Rettungsdienst/Notarzt behandelt werden. Die Studie startet in elf Landkreisen in Deutschland, unter anderem in Trier, Dresden, Amberg, Göttingen, Stuttgart und im Main-Taunus-Kreis. Die untersuchten Fälle umfassen Reanimationen acht Monate vor und acht Monate nach Etablierung des Systems „Region der Lebensretter“. „Im Vorher-Nachher-Vergleich können wir feststellen, inwieweit die Einführung des Smartphone-basierten Ersthelfersystems die Überlebensrate der reanimierten Patienten verbessert und deren neurologisch intaktes Überleben steigert, indem Folgeschäden im Gehirn vermieden werden“, erklärt Dr. Pooth. „Erfahrungsgemäß treffen die per App alarmierten Ersthelfer nach drei bis vier Minuten ein und können noch vor dem Rettungsdienst die lebensrettenden Maßnahmen einleiten.“ Wenn innerhalb von weniger als fünf Minuten mit der Herzdruckmassage begonnen wird und idealerweise auch vor Eintreffen des Rettungsdienstes eine Defibrillation erfolgt, könne die Überlebensrate „verdoppelt bis vervierfacht werden“, so Dr. Pooth.

Im Rahmen der Förderung durch die Deutsche Herzstiftung wird der Prozess der Datenerfassung, des Datenmanagements und der Auswertung am Zentrum für Notfall- und Rettungsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg finanziert.

 „Region der Lebensretter“: Projekt mit Modellcharakter

Die Smartphone-basierte Alarmierungs-App von „Region der Lebensretter“ ist an die Rettungsleitstelle und ein Netzwerk aus öffentlich zugänglichen Defibrillatoren (AED) angeschlossen. Wenn bei der integrierten Leitstelle (ILS) ein Notruf eingeht und ein Herz-Kreislauf-Stillstand gemeldet oder vermutet wird, kann das System parallel zum Rettungsdienst aktiviert werden.

Medizinisch geschulte ehrenamtliche Ersthelfer in unmittelbarer Nähe des Notfallorts werden auf ihrem Smartphone über die App alarmiert. Ein Alarmierungsalgorithmus fragt hierfür die Verfügbarkeit von vier registrierten Freiwilligen ab, die ihnen zugeteilte Aufgaben übernehmen:

  • zwei Helfer leitet die App zum Notfallpatienten für die Reanimation,
  • einen Helfer leitet die App zum nächstgelegenen öffentlichen AED und
  • der vierte Helfer weist am Notfallort den Rettungsdienst ein und/oder betreut die Angehörigen

Die internationalen Leitlinien für die Reanimation empfehlen seit 2021 die Etablierung von „smarten“ Technologien, um bei Notrufen mit vermutetem Herz-Kreislauf-Stillstand Ersthelfer zu aktivieren, die sich in unmittelbarer Umgebung des Notfallortes befinden. „Region der Lebensretter“ ist eine solche Technologie. Das System wurde 2018 in Freiburg etabliert.

Ziel: Steigerung der Überlebensrate um 50 Prozent

Bislang wird die Überlebensrate (Überleben bis Krankenhausentlassung) von Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillsand außerhalb der Klinik mit 10 bis 11 Prozent beziffert. Dr. Pooth und sein Freiburger Team vertreten die Hypothese, dass sich die Überlebensrate auf 14 bis 15 Prozent steigern lässt. „Das sind tausende Menschenleben jedes Jahr. Das funktioniert aber nur, indem wir mittels Smartphone in Minutenschnelle in Wiederbelebung geschulte Ersthelfer an den Notfallort lotsen“, erklärt der Assistenzarzt und Wissenschaftler. Wie dringlich dieses System ist, lässt sich an den Zahlen ablesen: 2021 erfolgte in Deutschland bei nur knapp 46 Prozent der außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstände eine Reanimation durch Ersthelfer vor Eintreffen des Rettungsdienstes.

Die Deutsche Herzstiftung fördert deshalb Innovative Forschungsprojekte wie diese, um schnell und effizient zu einer Verbesserung der Ersthelferquote beizutragen.

Service: Weitere Infos und ein Video zum Forschungsprojekt mit Dr. Pooth und seinem Team des Freiburger Uniklinikums sind abrufbar unter https://herzstiftung.de/forschung-ersthelferapp

Herz-Kreislauf-Forschung nah am Patienten

Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter, Spender und Erblasser kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von ihr 1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Infos zur Forschung unter www.herzstiftung.de/herzforschung

Über den Deutsche Herzstiftung e.V.

Die Deutsche Herzstiftung e. V. (www.herzstiftung.de) wurde 1979 gegründet und ist heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer (Frankfurt a. M.), Schirmherrin ist Barbara Genscher

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