Klein zeigt Größe!

Seit Mai 2018 bekleidet Dr. Felix Klein das verantwortungsvolle Amt des Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung. Als eines seiner Ziele beschrieb Dr. Klein in einem Interview vom 27.01.2024 [1] die Überarbeitung von Gesetzen, die in der Zeit des Nationalsozialismus erlassen worden waren und über die nicht parlamentarisch beraten wurde. Das Heilpraktikergesetz von 1939 fällt in diese Kategorie.

Klein bedient irreführendes Narrativ

So weit, so nachvollziehbar. Im gleichen Interview aber offenbart Dr. Klein einen Mangel an „Hintergrundwissen“, der natürlich besonders uns – den Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. (VKHD), als Heilpraktiker-Berufsverband – adressiert. Zitat: „Die Nazis […] wollten Homöopathie und Heilpraktiker als neue, der Naziideologie nahe, Berufe privilegieren.“

Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht falsch! Bis heute hat noch keine politische Kraft versucht, „Homöopathie“ als Beruf zu installieren. Auch lag dem Heilpraktikerberuf durchaus keine Nähe zur „Naziideologie“ zu Grunde – im Gegenteil! Das Heilpraktikergesetz von 1939 wurde als Übergangsregelung geschaffen, um den Berufsstand auslaufen zu lassen (was das Gegenteil einer Privilegierung ist). Angesichts einer solchen Unkenntnis der historischen Fakten dann (a.a.O.) noch zu insinuieren, Heilpraktiker*innen zeigten eine „Anschlussfähigkeit an antisemitische Narrative“, ist bei genauer Betrachtung geeignet, zur Diffamierung eines ganzen Berufstandes beizutragen. Klein argumentiert hier damit, dass es eine Heilpraktikerin gewesen sei, die im August 2020 zu einem „Sturm auf den Reichstag“ aufgerufen habe, ohne Belege dafür zu liefern, dass diese Aktion in irgendeiner Weise mit dem beruflichen Hintergrund in Verbindung stand. Die Früchte eines solchen Narratives müssen wir nahezu tagtäglich in den sozialen Medien konstatieren.

Es war dies übrigens nicht das erste Mal, dass Dr. Klein ein solches Narrativ bediente. So hatten wir bereits 2020 (nach vergleichbaren Äußerungen seinerseits) Kontakt zu ihm aufgenommen und nicht nur die Verhältnisse entsprechend klargestellt, sondern auch betont, wie ernst wir das Thema nehmen. Mittlerweile liegt auch ein von Vorstand und Beiräten des VKHD unterzeichnetes Positionspapier [2] vor, in dem wir uns von allen „Gruppierungen, deren Verhältnis zur Menschenwürde fraglich erscheint“, deutlich distanzieren.

Nach diesen und weiteren deutlichen Stellungnahmen aus den Reihen der Heilpraktikerschaft – der VKHD war hier durchaus nicht die einzige Institution, die sich zu Wort meldete – wirkte das eingangs erwähnte Interview vom Januar 2024 wie ein Schlag ins Gesicht, zeigte es doch keinerlei bleibenden Effekt des zunächst durchaus konstruktiv scheinenden Diskurses mit Dr. Klein.

Klein zeigt Größe

Dass daraufhin ein für den 3. Dezember 2024 anberaumtes Symposium zum Thema „Historische Perspektiven auf Entstehung und Folgen des Heilpraktikergesetzes von 1939“ unter unseren Berufskolleg*innen im Vorfeld mit Bedenken aufgenommen wurde, ist angesichts der Vorgeschichte verständlich. Für den VKHD nahm der Verbandsvorsitzende Ralf Dissemond an der Veranstaltung in Berlin teil. Geladen waren wissenschaftliche Referent*innen mit vor allem medizinhistorischer und juristischer Expertise. Schon in seinem Impulsvortrag rückte Dr. Klein von der von ihm zuvor vermuteten Privilegierung des Heilpraktikerberufs durch die Nazis (s.o.) ab. Er formulierte stattdessen die wahre Absicht bei der Schaffung des Heilpraktikergesetzes, nämlich „den Berufsstand der Heilpraktiker staatlich zu kontrollieren und einzuschränken – aus rassistischen und politischen Gründen.“ [3] Auch der Tenor der folgenden hochwertigen Beiträge war mehr als eindeutig! In seinem Fazit der Veranstaltung schreibt Ralf Dissemond, dass „sich aus keinem der Vorträge ein Beleg für die von Dr. Klein [früher] geäußerte Vermutung einer dem Heilpraktikergesetz immanenten Nähe zu antisemitischen Positionen“ [4] ergeben habe. Das dürfte auch dem Antisemitismusbeauftragten, der während der gesamten Tagung anwesend war, nicht entgangen sein. Insofern zeigt allein seine Initiierung dieser Veranstaltung Größe … immerhin ist er damit das Risiko eingegangen, dass nach vorurteilsfreier Bewertung durch die geladenen Wissenschaftler*innen womöglich seinem eigenen Narrativ die Grundlage abhanden kommen könnte. Nach Lage der Dinge möchten wir davon ausgehen, dass Dr. Klein seine Äußerungen zum Heilpraktikerberuf künftig mit mehr Bedacht und Sachverstand formuliert. Eine entsprechende Resonanz darf man übrigens auch in den Medien erwarten.

Antisemitismus ist ein gesellschaftlich relevantes Problem, aber kein strukturelles Merkmal der Heilpraktiker- oder Homöopathieszene – was im Übrigen auch für die ärztlichen Kolleg*innen gilt [5]. Vielmehr ist das oben erwähnte, wissenschaftlich nun widerlegte Narrativ gesellschaftsfeindlich, indem es zu Spaltung, Hass und Hetze beiträgt. Gleichwohl sind alle relevanten Institutionen zur Wachsamkeit aufgerufen und dazu, gegen etwaige problematische Positionen Stellung zu beziehen. Wir – der VKHD – haben das an mehreren Stellen getan und bitten, dies zur Kenntnis zu nehmen. Gerne stehen wir für einen ernsthaften, gesellschaftlich verantwortungsvollen Dialog zur Verfügung.

Ulm, 14.01.2025
Der Vorstand des VKHD e.V.

[1] https://www.ddh-online.de/images/downloads/schwaebisches_tagblatt_27_01_24.pdf [Abruf: 30.12.2024]

[2] Homöopathie bedeutet Menschenwürde (https://www.vkhd.de/vkhd/positionspapiere/homoeopathie-bedeutet-menschenwuerde; [Abruf: 30.12.2024])

[3] https://www.antisemitismusbeauftragter.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/BAS/DE/termine/2024/Tagung_Heilpraktikergesetz.html [Abruf: 31.12.2024]

[4] https://www.vkhd.de/neueste-beitraege/item/1124-historische-perspektiven-auf-entstehung-und-folgen-des-heilpraktikergesetzes-von-1939 [Abruf: 30.12.2024]

[5] Mildenberger, F.G.: Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte im Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein Verlag, 2016

Über VKHD Verband klassischer Homöopathen Deutschlands.e.V

Der VKHD – Berufsverband für klassisch homöopathisch therapierende Heilpraktiker*innen in Deutschland

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