»Mit größerer Furcht verkündet ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme!«: Mit diesen Worten soll Giordano Bruno auf das für ihn verhängnisvolle Urteil der »Heiligen Inquisition« am 8. Februar 1600 geantwortet haben. Neun Tage später wurde der vielgereiste, vielgerühmte, aber noch mehr gehasste Gelehrte, der durch seine fast achtjähriger Haft in den Kerken der katholischen Kirche körperlich gebrochen war, zum Campo de’ Fiori in Rom geführt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das Bild des Gekreuzigten, das ihm kurz vor dem Tod hingehalten wurde, wies er mit Verachtung zurück.
Es war das konsequente Ende eines konsequenten Lebens. Kein anderer Gelehrter hatte die intellektuellen Perspektivverengungen seiner Zeit so radikal infrage gestellt und in ihrer genuinen Lächerlichkeit entblößt. Der Freiburger Historiker und Renaissance-Experte Volker Reinhard schreibt dazu in seiner brillanten Bruno-Biografie »Der nach den Sternen griff«: »So war es nur konsequent, dass Bruno als einziger Intellektueller seiner Zeit von allen etablierten Konfessionen verurteilt wurde: von der anglikanischen Staatskirche in Oxford, deren Vertreter ihm mit der Einleitung eines Plagiatsverfahrens drohten, von den Calvinisten in Genf, wo er für seine Kritik an einem unfähigen Dozenten entwürdigende Abbitte leisten musste, im lutherischen Helmstedt, wo ihm der Hauptpastor die Teilnahme am Abendmahl verbot, und am folgenreichsten von der katholischen Inquisition in Rom, wo er als Erzketzer zur Erbauung frommer Pilger öffentlich verbrannt wurde.«
»Ein kühl kalkulierter Justizmord«
Dabei waren einige von Brunos wegweisenden Einsichten, über die sich die Christen seiner Zeit so empörten und die uns Heutigen als ungemein »modern« erscheinen, älter als das Christentum selbst. Schon früh hatte Bruno das Lehrgedicht »Über die Natur der Dinge« von Lukrez (97–55 v.u.Z.) gelesen, der seinerseits auf die damals schon historische Philosophie des altgriechischen Philosophen Epikur (341–271 v.u.Z.) zurückgegriffen hatte. Dass die Welt aus winzig kleinen Atomen bestehe, das Universum unendlich sei, es neben der Erde viele bewohnte Welten gebe und Religion organisierter Schwindel sei, hatte Epikur bereits knapp zwei Jahrtausende vor Bruno erklärt. Neu war allerdings, dass Bruno den Mut aufbrachte, diese tabubrechenden Einsichten unter widrigsten Umständen öffentlich zu verkünden, während Epikur seinen Anhängern empfohlen hatte, mit ihrer unzeitgemäßen Weltanschauung »im Verborgenen« zu leben.
Selbstverständlich war Bruno nicht bloß ein Verbreiter des epikureischen Weltbildes, er verknüpfte es geschickt mit den damals neuen Lehren des Kopernikus sowie den fortschrittlichen theologischen Argumenten von Nikolaus von Kues und Erasmus von Rotterdam, die er gegen das herrschende religiöse und weltliche Establishment einsetzte. Diesen Angriff versteckte er allerdings so geschickt in den Dialogen seiner Bücher, dass die katholischen Inquisitoren Mühe hatten, belastbare Beweise für eine Verurteilung Brunos zu finden. Letztlich war sein Tod auf dem Scheiterhaufen, so Bruno-Biograf Reinhard, »ein kühl kalkulierter Justizmord", ein »Exempel für die Pilger des Heiligen Jahres«, das demonstrieren sollte, dass die »Heilige Katholische Kirche« auch nach der Reformation fähig und willens war, »harte und gerechte Urteile« gegen all jene zu erwirken, die ihre Dogmen in Frage stellen.
Was die römischen Inquisitoren damals nur erahnen konnten, hat Volker Reinhard in seiner detektivischen Arbeit zu Brunos Leben und Werk klar herausgestellt. Dabei wird deutlich, dass Brunos »kühne Parcours durch unbekannte Gedanken-Galaxien« immer mit konkreten Schlussfolgerungen verbunden waren, die darauf hinausliefen, »dass jede Art der Herrschaft gleichbedeutend ist mit der Ausbeutung des Volkes und dass die Kirche diesen Machtmissbrauch durch ihre pervertierte Lehre tatkräftig unterstützt.« Reinhards Fazit: »So tritt hinter dem kosmischen Visionär der politische Denker Giordano Bruno hervor, der sich mit den Missständen seiner Zeit kritisch auseinandersetzt und zu revolutionären Schlussfolgerungen für eine humanere Gesellschaft und einen gerechteren Staat gelangt.«
Gedenken an den Namensgeber der Giordano-Bruno-Stiftung
»Volker Reinhard hat mit seiner in vielerlei Hinsicht wegweisenden Bruno-Biografie nicht nur zahlreiche Fehldeutungen entkräftet, sondern auch die zentralen Aspekte herausgearbeitet, die uns 2004 dazu motiviert haben, eine neue Organisation unter dem Namen ›Giordano-Bruno-Stiftung‹ zu gründen«, sagt gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon. »Wir wurden für diese Namensgebung zwar mehrfach angegriffen, aber wir haben sie niemals bereut. Giordano Bruno war der große tragische Held der Geistesfreiheit in der europäischen Geschichte. Er war sicherlich kein Wissenschaftler im heutigen Sinne, aber ein Musterbeispiel für aufrechten Gang und intellektuelle Redlichkeit. Mit seinem Mut, seiner Intelligenz und seinem Humor hat er den Boden bereitet für eine offenere, dogmenbefreite und evidenzbasierte Debatte über Gott und die Welt. Zudem ist sein Schicksal ein Mahnmal für uns, die Grenzen der Toleranz nicht zu eng zu ziehen. Wir leben zwar nicht mehr unter dem theologischen Diktat des 16. Jahrhunderts, doch dogmatische Beschränkungen verschiedenster Art gibt es noch immer – und sie nehmen seit einiger Zeit wieder zu! Was wir aus Bruno tragischer Lebensgeschichte in diesem Zusammenhang lernen können, ist die Einsicht, dass wir abweichende Meinungen stärker wertschätzen sollten, denn in ihnen stecken möglicherweise Impulse für eine bessere Zukunft.«
Im Gedenken an Giordano Bruno hat die gbs einen Auszug aus der »Passion Giordano Bruno« von gbs-Beirat Gerhard Wimberger veröffentlicht, die 2013 zum Abschluss der »Salzburger Festspiele« im »Mozarteum« uraufgeführt wurde. Zudem findet heute Abend (Beginn: 19.00 Uhr) eine Gedenkfeier zum 425. Todestag vor der Giordano-Bruno-Statue von Alexander Polzim statt, die 2008 mit Unterstützung der Giordano-Bruno-Stiftung auf dem Gelände der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz (Nähe "Sony Center") aufgestellt wurde. Bereits am 9. Februar hat der WDR ein halbstündiges Feature von Rolf Cantzen über »Giordano Bruno und seine Naturphilosophie« ausgestrahlt, das weiterhin im Netz verfügbar ist.
Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ist eine Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, der sich viele namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Philosophie und Kunst angeschlossen haben. Die 2004 gegründete Stiftung wird inzwischen von rund 12.000 Freunden und Förderern sowie 50 Regional- und Hochschulgruppen unterstützt. Weitere Infos: https://www.giordano-bruno-stiftung.de/
Giordano-Bruno-Stiftung
Auf Fasel 16
55430 Oberwesel
Telefon: +49 (6744) 7105011
Telefax: +49 (6744) 7105021
http://www.giordano-bruno-stiftung.de
gbs-Presseabteilung
Telefon: +49 (651) 9679503
E-Mail: presse@giordano-bruno-stiftung.de