Prozess gegen Pressesprecherin von Ende Gelände endet mit Strafurteil

Im Zusammenhang mit Braunkohleprotesten des Aktionsbündnisses Ende Gelände im November 2019 hat das Amtsgericht in Borna bei Leipzig heute ein weiteres Strafurteil verhängt. Damals blockierten mehr als 1.000 Aktivist*innen friedlich den Tagebau Vereinigtes Schleenhain in der Nähe von Leipzig und verließen die Grube anschließend freiwillig. Die Klimaaktivistin Sina Reisch hatte die Kohleproteste als Pressesprecherin von Ende Gelände begleitet. Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) stellte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Das Gericht bestätigte heute den Vorwurf und verhängte eine Geldstrafe.

Dazu Sina Reisch, Pressesprecherin von Ende Gelände: „Dieses Urteil zeigt, wie nötig unsere Aktionen weiterhin sind. Solange die Gesetze fossile Konzerne mehr schützen als den Planeten, solange sie deren Gewinne absichern und eine lebenswerte Zukunft für uns alle torpedieren, solange werden wir diese Gesetze übertreten. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Klimaschutz ist kein Verbrechen! Klar ist aber auch: Das Gericht hätte durchaus anders entscheiden können. Es hat sich ganz bewusst dagegen entschieden, die Klimakrise als rechtfertigenden Notstand anzuerkennen. Es ist eine Entscheidung gegen die in der Verfassung verbrieften Klimaschutzrechte und gegen globale Klimagerechtigkeit.“

Mit seinem Klima-Beschluss aus dem Jahr 2021 hat das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad für grundrechtlich verbindlich erklärt: Mangelnder Klimaschutz schränke die Grundrechte der jungen Generation ein und sei eine Gefährdung für die Demokratie. Erst Anfang November hatte eine Richterin in Flensburg sich darauf bezogen und entschieden, dass Aktionen für das Klima Hausfriedensbruch rechtfertigen kann. Auch in Berlin verweigerte unlängst ein Richter die Strafverfolgung mit der Begründung, die Klimakrise sei eine objektiv dringliche Lage und eine Straßenblockade sei als Protestaktion nicht verwerflich. Umso mehr lässt das heutige Urteil offen, inwieweit der Braunkohletagebau und die besonders klimaschädliche Braunkohleverstromung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist.

Dabei nimmt der Tagebau ganze Landstriche in Anspruch, erfordert massive Eingriffe in den Wasserhaushalt, zerstört wertvolle Ackerböden, verlangt die Enteignung von Häusern und die Umsiedlung ganzer Dörfer.

Dazu Jens Hausner, Bewohner des direkt an der Grubenkante gelegenen Dorfs Pödelwitz:
„Der Braunkohletagebau hat nicht nur die Erde im Leipziger Land aufgerissen, er hat auch vielen Menschen ihr Zuhause genommen und Dorfgemeinschaften in alle Winde zerstreut. Schuldig ist die MIBRAG, die hier bei uns unermessliche Schäden anrichtet und das globale Klima verheizt. Es ist ein Skandal, dass stattdessen die Aktivist*innen vor Gericht stehen, die das anprangern. Für uns aus Pödelwitz und aus allen bedrohten Dörfern in den Braunkohlerevieren ist klar: Wir brauchen die Aktionen von Ende Gelände, damit die Kohle im Boden bleibt und wir eine Zukunft haben.“

Sina Reisch ergänzt:
„Wo sich heute der Tagebau in die Landschaft frisst, standen einmal Häuser – Die hat die MIBRAG einfach platt gemacht. Dass ausgerechnet dieser Kohlekonzern jetzt seinen Hausfrieden gestört sieht, ist einfach lächerlich. In 100 Metern Tiefe liegt die Braunkohle, die dort vor 50 Millionen Jahren entstanden ist. Dass Pflanzen über Millionen von Jahren CO2 gebunden und sich abgelagert haben, war extrem wichtig für ein menschenfreundliches Weltklima. Wie können wir akzeptieren, dass die MIBRAG sie zu ihrem Eigentum erklärt, abbaggert und verbrennt? Das ist die Absurdität des Kapitalismus: Ein paar Kohlekonzerne nehmen sich, was ihnen nicht gehört, machen fette Profite, verschlingen Häuser und Dörfer und schreien Hausfriedensbruch, wenn wir uns ihrer Zerstörung in den Weg stellen. Die Kohle muss im Boden bleiben! Mit zivilem Ungehorsam kämpfen wir weiter für globale Klimagerechtigkeit.“

Die MIBRAG hat nicht nur Anzeige gegen Aktivist*innen des Bündnisses Ende Gelände erstattet. Hausfriedensbruch wird in diesem Zusammenhang auch mehreren Journalist*innen vorgeworfen, die über die Aktion berichteten, ebenso zwei Landtagsabgeordneten, die als parlamentarische Beobachter*innen vor Ort waren. Die Landtagsabgeordnete Jule Nagel wurde bereits im Oktober zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil wird von der nächst höheren Instanz überprüft werden. Der Fotojournalist Dirk Knofe hat am 8.11.22 nach einem Prozesstag entschieden, das Verfahren gegen eine Geldbuße einstellen zu lassen. Er war damals im Auftrag der Leipziger Volkszeitung vor Ort. Am 2.12.2022 folgt die Verhandlung gegen den Leipziger Journalisten Marco Bras dos Santos. Auch er hatte von der Aktion berichtet.

Die noch ausstehenden Strafprozesse finden im Amtsgericht Borna bei Leipzig, Leipziger Straße 67a, an den folgenden Terminen statt:

Freitag, 02.12.2022 um 9 Uhr
Marco Bras dos Santos, Journalist

Dienstag, 10.01.2023 um 10:30 Uhr
Pumuckl, Aktivist*in Ende Gelände

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