Ein deutschlandweit einzigartiges Projekt fand damit seinen Abschluss: „Nie wieder Krieg!“ von SI Lauterbach Vogelsberg hatte am 1. September 2018 das sogenannte „Löwendenkmal“ in Lauterbach mit roten Woll-Elementen verhüllt und so zu einem Friedenssymbol auf Zeit umgewidmet. Das Projekt begann bereits im Januar 2018 mit einem „Strick-off“. Ziel des Projektes war die Bewusstmachung der historischen Wurzeln des Kriegsdenkmals und der aktiven, breitenwirksamen Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg. Ute Kirst, Designerin, Künstlerin und SI-Clubmitglied, entwickelte die Idee hierzu. Als Einladung zum Dialog, als Bewusstmachung der Tatsache, dass wir seit über 70 Jahren im Frieden leben und als ein Zeichen, wie viele Menschen sich für den Frieden einsetzen. Es erschien den Organisatorinnen von SI Lauterbach-Vogelsberg nahezu unerträglich, angesichts aktueller weltweiter kriegerischer Konflikte täglich ein Denkmal zu passieren, das (im Wortsinn) chauvinistische Ideale feierte und es völlig unverändert und unkommentiert durch ein Jahrhundert mit zwei der schlimmsten Kriege geschafft hat. Rund 300 Menschen aus mehreren Ländern strickten rote Woll-Elemente, die am 1. und 2. September bei der Verhüllung des Denkmals unter der Nadelführung von Ute Kirst zum Einsatz kamen. Diese Performance wurde von einem zweitägigen Friedensfest umrahmt, das ebenfalls von SI Lauterbach-Vogelsberg organisiert und durchgeführt wurde. Es begann mit einer ökumenischen Andacht und offiziellen Grußworten – darunter vom Bürgermeister der Stadt und SI-D Präsidentin Gabriele Zorn. Ein anspruchsvolles musikalisches Rahmenprogramm sowie Getränke- und Essensstände zogen rund 1.500 Menschen auf den Platz rund um das Friedensdenkmal.
Das Friedensfest war eingebettet in eine vielfältige SI-Veranstaltungsreihe, die von Juni – September dauerte. Sie begann mit einer Lesung von Sophia Mott aus ihrem Roman über Martha Liebermann. Die Stadtbücherei lud anschließend zur Lesematinee zum Thema „Krieg und Frieden“ ein, an der sich 20 Vor-LeserInnen beteiligten. Gleichzeitig wurde dort die VDK- Ausstellung „Menschenrechte im Krieg“ eröffnet. Prof. Dr. Angela Moré hielt an einem weiteren Abend einen Vortrag über „Krieg als Gefühlserbschaft“ und die transgenerationale Weitergabe von Kriegstraumata. Beate und Fritz Reith sangen an einem Konzertabend unbequeme Lieder von in der Nazi-Zeit verfemten Autoren. Dr. Christine Ochwadt berichtete über die Arbeit von „Ärzte ohne Grenzen“, dem alleinigen Spendenziel des gesamten SI-Projektes, und die Preisträgerin des Friedenssongs 2015, Miriam Green, gestaltete das Abschlusskonzert im Hohhaus-Palais.
Über 600 Menschen waren im Zuge des Gesamt-Projektes direkt vernetzt: kirchliche und städtische Institutionen, Schulen und Bildungsinstitutionen, Kreis- und Stadtverwaltung, die Lokalpresse, die in der Region ansässigen Service-Clubs, Künstler*innen, Musiker*innen, Wissenschaftler*innen und viele mehr. Die begleitende Veranstaltungsreihe des Projektes bildete einen beeindruckenden Spiegel dieses institutionellen und individuellen Engagements. Das Projekt wurde wegen seines pro-demokratischen Charakters von „Demokratie leben!“ und dem mittelhessischen Kultursommer gefördert sowie von der Stadt Lauterbach unterstützt und von SI Lauterbach-Vogelsberg in monatelanger ehrenamtlicher Arbeit organisiert und durchgeführt. Es ist deutschlandweit einzigartig für den heute angemessenen und notwendigen Umgang mit einem historisch-nationalistischen Denkmal, erdacht und durchgeführt von Frauen.
Das Echo auf „Nie wieder Krieg!“ und den Friedenslöwen war enorm: Die Hessenschau berichtete, hr 4 ebenfalls, natürlich die lokale Presse, und auch Axel Hacke, der Lauterbach wegen einer Lesung besuchte und die Aktion auf facebook lobend hervorhob. Die Lauterbacher Band „VeitzTANZ“ komponierte einen Song mit dem Titel „Nie wieder Krieg!“, Kinder der KiTa Lauterstrolche malten rote Löwen, die musikkulturschule organisierte einen Flashmob zu „Bella Ciao“ und das europaweite Glockenläuten für den Frieden lockte Menschen zum Friedenslöwen. Noch am letzten Projekttag fragte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir während seines Besuches in Lauterbach nach der Besonderheit des Friedenslöwen und ließ sich dessen Botschaft erläutern. Lauterbach ist insgesamt durch das Projekt „Nie wieder Krieg!“ weit über die Region hinaus ins öffentliche Interesse gerückt (u.a. berichteten Focus online und EMMA).
Das Ende des Projektes bedeutet aber nicht das Ende der Aktivitäten rund um den Friedenslöwen. Zunächst wird die Firma Kruppert die Wollhülle kostenfrei waschen. Die vhs des Vogelsbergkreises bietet am 11. November einen kostenloses Kurs an, in dem aus Woll-Elementen kleine Taschen genäht werden (Anmeldung über die vhs) und Woll-Elemente werden als Erinnerungsstücke für Spender*innen ausgegeben.
Wichtiger ist jedoch, dass die weitreichende Botschaft des Friedenslöwen ebenso wenig endet wie der Einsatz für die Werte, für die er steht. Die Wollhülle mag nun fort sein, dennoch hat sich der „Löwe“ in der Wahrnehmung der Menschen bleibend verändert. Der „Löwe“ hat, wie bei seiner Einweihung im Jahr 1907, erneut Geschichte geschrieben – diesmal aber für Frieden, Freiheit, Toleranz, Gleichberechtigung, Weltoffenheit und Mitmenschlichkeit.
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