2018 hat die SPD noch als größte Fraktion im Berliner Senat für das Mobilitätsgesetz gestimmt, heute, da es um die Umsetzung geht, redet sie von Abwägung der Interessen aller. So als würde das Mobilitätsgesetz nicht explizit und aus guten Gründen den Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr priorisieren.
Die Boelckestraße, eine 6-spurige Hauptverkehrsstraße ohne Radverkehrsanlagen in Tempelhof, soll geschützte Radwege bekommen, wie es das Gesetz vorschreibt. Die bezirkliche SPD widersetzt sich nun aber den Plänen und beantragt (im gestrigen Verkehrsausschuss) eine Prüfung des Erhalts von Parkplätzen. In der Handjerystraße in Schöneberg, die die BVV schon 2015 als Fahrradstraße beschloss, widersetzt sich die SPD auch der Umsetzung: Hier will sie lieber Parkplätze schützen, als die Standards des von ihr mit beschlossenen Mobilitätsgesetzes umsetzen.
„Wir sehen überall, wie die SPD zunehmend mit CDU, FDP und AFD votiert, wenn es um Verkehrswende-Projekte geht. Es ist offensichtlich, dass diese Allianz allerorten mit fadenscheinigen Argumenten schon kleinste Veränderungen behindert. Die SPD klammert sich an Träume aus vergangenen Tagen, als der Aufstieg des „kleinen Mannes” mit einem eigenen Auto gekrönt wurde. Diese Zeiten sind aber nun wirklich lange vorbei, und die SPD muss aufpassen, dass sie den Anschluss an die Realität nicht verpasst. In zwei Monaten sind Wahlen“, sagt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
Die Regierende, Frau Giffey, lehnt medienwirksam „Bullerbü” ab. Die Chiffre „Idylle aus schwedischem Kinderbuch“ wird dabei als Gegenpol zur autogerechten Stadt benutzt, als ob ein Ort mit viel Sicherheit, Ruhe und guter Luft eine verdächtige Illusion, das anachronistische, autozentrierte 50er-Jahre-Modell dagegen eine unvermeidliche, wenn auch etwas lästige Blaupause sei. Nach einem Plädoyer für Fuß- und Radverkehr klingt das nicht.
„Die SPD hat offensichtlich Angst, die Autofahrer zu verprellen. Deshalb redet sie auch immer davon, alle mitzunehmen, an alle zu denken usw., als wären alle bereits gleich und das einzige Problem wäre, man könne jemanden vergessen oder übersehen. Dabei verschweigt sie, dass manche Gruppen wie z.B. die Autofahrende enorme Privilegien genießen, während andere wie Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr seit Jahrzehnten vernachlässigt werden. Für die SPD bedeutet heute „sozial” de facto ein Festhalten am Status Quo”, so Sørensen.
Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
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