Zwangserkrankung: Selbsthilfegruppen sind unerlässlicher Baustein der ergänzenden Versorgung

Zwangsstörungen haben nicht zuletzt durch die soziale Isolation in der Corona-Zeit in ihrer Bedeutung zugenommen. Mindestens 2,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von der „Zweifelskrankheit“ betroffen. Ihre Versorgung umfasst neben der fachärztlichen, psychotherapeutischen und sozialen Betreuung auch niederschwellige Angebote. Hierzu gehören aus Sicht der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. vor allem Selbsthilfegruppen (SHG). Dies unterstreicht die Vorsitzende der DGZ, Antonia Peters: „Ohne dieses wichtige Element in der vierten Säule des Gesundheitswesens würde ein wichtiger Baustein in der Alltagsbewältigung von Patienten fehlen!“. Und der Sozialberater des Selbsthilfeverbandes, Dennis Riehle, führt hierzu erklärend aus: „Eine Selbsthilfegruppe ist ein loser Zusammenschluss von Menschen, die ein ähnliches Schicksal durchlaufen (haben) und sich zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch regelmäßig treffen. Dabei geht es darum, aus dem Gespräch mit Gleichbetroffenen und/oder Angehörigen Tipps und Ratschläge des Anderen für sich zu entdecken und auf die eigene Situation anzupassen“.

Für die Zwangserkrankung hat die Selbsthilfe deshalb einen besonders hohen Stellenwert, weil Betroffene ihre Symptome häufig aus Scham oder Unwissenheit verheimlichen. Laut Peters leisteten die Gruppen jedoch nicht nur Aufklärungs- und Antistigmatisierungsarbeit. „Besonders diese wohltuende Erkenntnis, dass es Andere gibt, die Gleiches erleben, entlastet viele Erkrankte sehr – besonders direkt nach der Diagnose. Damit vermittelt die SHG das Gefühl, mit den Zwängen nicht allein zu sein. Man kann seine Geschichte dort teilen – und die des Gegenübers anhören. Entsprechend ist die Gruppe nicht selten der Ort, an dem sich Betroffene erstmals öffnen können“. Dennis Riehle, der selbst über zehn Jahre eine SHG geleitet hat und seit 25 Jahren von einer komplexen Zwangsstörung heimgesucht ist, meint darüber hinaus: „Dieser geschützte Rahmen, in dem Vertrauen entsteht, ist das ideale Umfeld, die Erkrankung anzunehmen und sich nicht länger gegen sie zu wehren. Denn ich habe die Einsicht gewonnen, dass der ständige Kampf gegen eine psychische Krankheit sehr viele Ressourcen raubt, die man eher für therapeutische Zwecke einsetzen sollte“. Dass Selbsthilfegruppen deshalb einen entsprechenden Mehrwert besitzen, ist mittlerweile auch durch Studien belegt. Sie wirken gleichsam als wichtige Brücke: „Gerade, wenn sich Betroffene zunächst nicht trauen, beim Arzt vorstellig zu werden, dort zu berichten oder in der angespannten Lage mit viel zu wenigen Therapieplätzen gar keinen Termin in der Praxis erhalten, wird die SHG zu einem entscheidenden Bindeglied. Deshalb vermitteln heutzutage bereits viele Fachleute an die Gruppen, weil sie um diese Scharnierfunktion wissen und sie als wertvollen Partner zu schätzen gelernt haben“, erklärt Antonia Peters dazu.

Selbsthilfegruppen sind politisch und religiös unabhängig. Vereinzelt folgen sie einer bestimmten Konzeptionierung oder einem Schema. Allermeist gestalten sie sich aus dem freien Gespräch untereinander, verfolgen einen edukativen Ansatz (Aufklärung über Krankheit etc.) und haben vor allem einen intervisionellen Nutzen von und für Gleichgesinnte untereinander in einem behüteten Umfeld, das gruppenspezifisch definiert wird. „In der SHG ist jeder willkommen. In ihr herrscht ein Klima der wechselseitigen und vorbehaltlosen Annahme. Man bleibt anonym, spricht sich zumeist nur mit Vornamen an. Alles, was im Kreis der Gruppe thematisiert wird, dringt nicht nach außen. Denn jeder hat dort den Wunsch nach Verschwiegenheit. Dennoch gibt es festgehaltene Regeln und eine Moderation, sodass das Zusammenkommen in geordneten Bahnen verläuft und gegenseitiger Respekt geübt wird“, sagt Dennis Riehle. Die SHG dürfe allerdings nicht mit einer Gruppentherapie beim Psychologen verwechselt werden: „Selbsthilfe hat eher einen sich gegenseitig beratenden Charakter. Aus den Krankheitsgeschichten der Anderen kann ich für meine eigene Situation Ratschläge und Tipps ableiten, Erfolgsrezepte der Mitbetroffenen auch für mich ausprobieren“. Laut Dennis Riehle kann man zusammenfassend sagen: „Das Miteinander und die Zusammengehörigkeit stehen im Mittelpunkt. Auf Menschen zu treffen, die die ‚gleiche Sprache‘ sprechen, die Gedanken, Verhalten und Reagieren des Anderen verstehen und Verständnis aufbringen, die ohne Vorurteile, sondern mit dem Wissen um das, was in besonderen Lebenssituationen wirklich herausfordert, aufeinander zugehen – dieses eindeutige Merkmal der Selbsthilfe gilt grenzüberschreitend. Sie ergänzt dort, wo Therapie oder Medizin an das Ende ihrer Kapazitäten stoßen – und informiert, wo Menschen sich zunächst mit ihrer neuen Diagnose, ihrer veränderten Situation zurechtfinden und theoretische Grundlagen über ihr Krankheitsbild zu erlernen. Und sie betreut und begleitet dann, wenn es notwendig wird, bürokratische oder organisatorische Hürden zu meistern, und mit veränderten sozialen Gegebenheiten wie Ausgrenzung, Vereinsamung oder existenzieller Neuorientierung als Folge der eingetretenen Erkrankung umzugehen.“

Die DGZ vermittelt an Selbsthilfegruppen in der ganzen Republik: „Wir arbeiten mit den SHG vor Ort zusammen und führen entsprechende Listen mit Adressen, die bei uns erfragt werden können. Daneben sind auch die lokalen Selbsthilfekontaktstellen ein Ansprechpartner, mit denen wir eng kooperieren. Wir sind wirklich dankbar, dass sich so viele Betroffene und Angehörige in den Dienst der Ehrenamtlichkeit stellen und in verantwortungsvoller Position die Gruppen leiten, die auch eine Menge an Aufgaben mit sich bringen – von der Beantragung von Fördermitteln bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Und all das geschieht freiwillig. Diesen Einsatz kann man gar nicht genug würdigen“, betont Antonia Peters, die diese Aufgaben selbst seit langem übernimmt und darin einen sinnerfüllenden Beitrag erkennt: „Man kann etwas von dem zurückgeben, was man durch die Selbsthilfe geschenkt bekommen hat“. Gruppen existieren sowohl für Betroffene, aber auch für Angehörige: „Denn nicht selten ist bei einer Zwangserkrankung auch das Umfeld sehr gefordert und kann bis zur Co-Abhängigkeit in die stereotypen Handlungen wie Waschen, Kontrollieren oder Zählen und das monotone Denken einbezogen werden. Daher ist es nötig, auch ihnen ein Angebot zum Austausch zu machen. Seit der Pandemie bietet die DGZ e.V. auch Onlinegruppen für Angehörige und Betroffene an, Termine findet man über www.zwaenge.de. In Online- und Video-Meetings lässt sich somit sogar manch eine Entfernung überwinden," so Riehle abschließend.

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