Zinskommentar

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind die Bilanzen der wichtigsten Notenbanken um mehrere Billionen Euro angestiegen. Zur selben Zeit ist auch die Geldmenge signifikant angestiegen. Viele Marktteilnehmer verwechseln jedoch das eine mit dem anderen. Zeit diesem Irrtum ein Ende zu bereiten. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr über das Mysterium der EZB-Bilanz.

Was die Geldmenge mit der Bilanz der EZB zu tun hat

Die zentrale Rolle einer Notenbank dreht sich um die Gewährleistung der Preisstabilität. Um diesem Zweck gerecht zu werden, stehen einer Notenbank eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, wobei die Steuerung der Geldmenge das wichtigste Mittel darstellt. Die Geldmenge wird vor allem über den Leitzins bestimmt, der festlegt zu welchen Kosten sich Geschäftsbanken kurzfristig bei der Notenbank mit Liquidität versorgen können. Die sogenannten Hauptrefinanzierungsgeschäfte zielen darauf ab, die kurzfristigen Zinsen und Liquiditätsversorgung zu steuern. Ist der Leitzins niedrig, können sich Unternehmen und Haushalte zu günstigen Konditionen Geld leihen, was bedeutet, dass die Geldmenge bzw. dass Geldangebot steigt und somit die Preise. Diesen Mechanismus zu verstehen, ist essential in der Betrachtungsweise der Bilanz der EZB und der Geldmenge.

Die Bilanzen einer Notenbank lassen sich im Allgemeinen in Vermögenswerte und Verbindlichkeiten aufteilen, wobei sich letzteres in Bargeldumlauf und Einlagen der Geschäftsbanken aufteilen lässt. Auf der Vermögensseite hingegen stehen Währungsreserven, Refinanzierungsgeschäfte, oder Wertpapiere. Bei Betrachtungsweise der Bilanz der EZB wird deutlich, dass die Bilanz sowohl ab 2016 als auch ab 2008 stark angestiegen ist. Dies liegt nicht an einer Zunahme der Hauptrefinanzierungsgeschäfte, sondern viel mehr an milliardenschweren Anleihekaufprogrammen der EZB, die in Folge der Eurokrise und Coronakrise verabschiedet worden sind. Allein im Jahr 2020 kaufte die EZB-Anleihen im Wert von rund 360 Milliarden Euro, um die Liquidität von Staaten und Unternehmen zu sichern. Inzwischen liegt die Bilanz bei knapp 8 Billionen Euro.

Neben den umfänglichen Anleihekaufprogrammen haben finanziellen Hilfen über den Staat (Deficit Spending) dazu beigetragen, dass die Geldmenge innerhalb der letzten zwei Jahre um mehr als 3 Billionen Euro gestiegen ist (Vgl. Abbildung 1). Doch das war nicht der einzige Grund. Darüber hinaus haben Geschäftsbanken und Haushalte alleine in Deutschland Kredite in Höhe von über 370 Milliarden Euro an Unternehmen und Haushalte vergeben. Zudem sind Geschäftsbanken nicht zwangsläufig auf die EZB angewiesen, um Kredite zu vergeben. Dazu reicht die einfache Fristentransformation der bestehenden Kundeneinlagen. Die EZB begünstigt oder erschwert lediglich die Kreditvergabe, ist jedoch nicht integraler Bestandteil. Diese Erkenntnis ist wichtig, um in Diskussionen rund um das „Gelddrucken der EZB“ einen kühlen Kopf zu bewahren. So haben beispielsweise die Exzesse der amerikanischen Geschäftsbanken während der Finanzkrise 2008 wenig mit der Geldpolitik der US-Notenbank zu tun, sondern viel mehr mit fehlender Regulierung und Aufsicht.

Die aufgeblähte Bilanz der EZB wird sich zukünftig verkleinern, da seit Juli 2022 keine neuen Anleihen gekauften wurden. Seit dieser Woche werden nicht mehr alle fälligen Anleihen aus diesen Beständen ersetzt. Um rund 15 Milliarden Euro soll der Anleihe-Berg zunächst Monat für Monat schrumpfen. Von Juli an könnte das Tempo dann zunehmen.

Das Geldmengenwachstum hat sich inzwischen stark abgeschwächt, was vor allem mit der restriktiven Geldpolitik der EZB zusammenhängt. Letztlich ist der einzige direkte Zusammenhang zwischen Geldmenge und EZB-Bilanz, dass der Geldnotenumlauf in beiden sichtbar ist. Der Großteil der Geldschöpfung wird jedoch nie in Bargeld umgewandelt, sondern wird lediglich auf Konten verbucht. Dieser sog. Buchwert wird erst sichtbar in der Bilanz der EZB, sobald alle Konten liquidiert werden. Das würde jedoch nur im Falle eines Bank-Runs eintreten, der äußerst unwahrscheinlich ist.

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