Energieeffizienz hat viel mit „sozial“ zu tun

Hoch energieeffiziente Gebäude sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Die 26. Internationale Passivhaustagung zeigte darüber hinaus, dass eine hohe Energieeffizienz aus weiteren Gründen gebraucht wird: Soziale Gerechtigkeit, Luftqualität z.B. in Schulen, sowie der Schutz des Stromnetzes vor Überlastung sind ebenfalls gute Gründe dafür, besser zu bauen und zu sanieren. Bleibenden Eindruck hinterließen auch Vorträge über kommunale Passivhaus-Projekte in Deutschland, Europa und Nordamerika. Insgesamt rund 600 internationale Teilnehmende zählte die dreitägige Tagung, die in Wiesbaden und online stattfand. Exkursionen führten zu beeindruckenden Projekten wie der Bahnstadt Heidelberg sowie zum Passivhaus-Krankenhaus in Frankfurt.

„Es ist motivierend zu sehen, dass hohe Energieeffizienz weltweit immer weitere Kreise zieht. Wir haben hier von beeindruckenden großen Projekten gehört, auch aus dem Bereich Sanierung, die das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner nachhaltig zum Guten verändern“, erläutert Jan Steiger von der Geschäftsführung des Passivhaus Instituts. Mittlerweile sei weithin bekannt, dass eine hohe Energieeffizienz unverzichtbar ist, um die Klimaziele im Gebäudesektor wirklich zu erreichen.

„Massiv beschleunigen“

Nora Steurer vom an die Vereinten Nationen angeschlossenen Netzwerk Global Alliance for Buildings and Construction (GlobalABC) verwies darauf, dass die weltweiten CO2-Emissionen in den Bereichen Gebäude und Bau 2021 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegen seien. Die Dekarbonisierung des Gebäude- und Bausektors müsse daher „massiv beschleunigt werden“. Dafür brauche es einen strukturellen Wandel, so Steurer. Wolfgang Feist, Gründer des Passivhaus Instituts, und Benjamin Krick vom Forschungsinstitut verdeutlichten in ihren Beiträgen die Dringlichkeit von EnergieEffizienz JETZT!, dem Schwerpunktthema der Tagung. „Ohne den Wärmebedarf der Häuser zu reduzieren wird auch das Stromnetz nicht ausreichen, um die Mehrzahl unserer Gebäude mit Wärmepumpen auszustatten“, legte Krick dar. Von der nächsten, für 2025 geplanten Überarbeitung des GebäudeEnergieGesetzes (GEG) forderten Experten für effektiven Klimaschutz höhere Anforderungen an Energieeffizienz.

Soziale Gerechtigkeit

Die Britin Kate de Selincourt gab einem weiteren wichtigen Aspekt hoher Energieeffizienz eine Bühne: sozialer Gerechtigkeit. Hoch energieeffiziente Gebäude bieten auch Menschen mit geringem Einkommen die Möglichkeit, in einem gesunden Umfeld zu wohnen. „So viel am Passivhaus hat mit Gesundheit und Wohlergehen zu tun“, so de Selincourt. Wegen der bereits seit längerer Zeit teuren Energie könnten viele ihre Wohnung im Winter nicht richtig heizen. Vor allem Familien mit geringem Einkommen und ältere Menschen lebten bei Raumtemperaturen von 15, teilweise sogar unter 10 Grad in kalten und feuchten Gebäuden.

„Leben ändert sich“

Ihre Gesundheit leide massiv, erklärte de Selincourt. Sie berichtete von der Dankbarkeit der Bewohnenden, wenn diese in ein energieeffizientes Gebäude im Passivhaus-Standard ziehen. „Die Wärme hält sich lange im Haus, der Bedarf an Heizenergie ist generell niedrig. Das ganze Leben dieser Menschen ändert sich“, so de Selincourt. Dem Thema sozialer Wohnungsbau war eine eigene Vortragsreihe mit weltweiten Projekten gewidmet. 

Potential von Sanierungen nutzen Großflächige energetische Sanierungen sind Teil der Lösung für mehr Klimaschutz und bessere Wohnbedingungen. Graeme Stewart aus Kanada berichtete von der EnerPHit-Sanierung des KenSoble-Towers. Die Stadt Hamilton bietet den überwiegend älteren Bewohnenden nach der Sanierung 146 wohngesunde und bezahlbare Appartements mit geringen Kosten für Energie. Ein Projekt im Norden Mexikos, wo es im Sommer bis zu 52 Grad heiß wird, lieferte entscheidende Informationen über die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungen in Schwellenländern.

72 % weniger Heizwärme verbraucht

Søren Peper vom Passivhaus Institut präsentierte die energetische Sanierung von drei Wohnblöcken in Gießen, bei denen sich der Heizwärmeverbrauch um 72 Prozent verringert hat. Auch hier profitieren die Mietparteien nun von einem deutlich besseren Wohnkomfort. Besser wohnen – das gilt auch für die Sanierung von privaten Immobilien. Zusätzlich steige deren Wert, wie mehrere Referenten darlegten. Weitere Vortragende präsentierten Sanierungsprojekte u.a. aus Irland, Spanien, Polen, Dänemark und Griechenland. Ein Workshop zum EU-Projekt outPHit legte den Fokus auf großflächige und zuverlässige Sanierungen von Wohnkomplexen, unter anderem mit vorgefertigten Bauteilen.

Kommunen eingeladen

Kommunen waren bei der 26. Internationalen Passivhaustagung zu einem auf sie zugeschnittenen Workshop eingeladen. Vorgestellt wurden unter anderem Programme wie die hessische Förderung für die Modernisierung mit Passivhaus-Komponenten sowie Konzepte zur Qualitätssicherung bei Sanierungen zum EnerPHit-Standard. Diese Konzepte wurden im Rahmen des EU-Projekts outPHit etabliert. Einen Überblick über hoch energieeffiziente kommunale Gebäude gab es in einer weiteren Vortragsreihe. Vorgestellt wurden u.a. das neue PassivhausAusbildungszentrum der Handwerkskammer Trier sowie ein gemeinschaftliches Bauprojekt auf einem städtischen Grundstück in München. Rainer Pfluger von der Universität Innsbruck präsentierte die Vorteile von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in Schulgebäuden und zeigte Wege der Installation bei Neubau und Sanierung.

Gebot der Wirtschaftlichkeit

Der Landkreis Darmstadt Dieburg präsentierte seine Erfahrung mit der energetischen Sanierung von Schulen. „Betrachtet man die Einsparung an Energiekosten sowie die Förderung, dann ist es schon allein aufgrund des Gebots der Wirtschaftlichkeit, dem die öffentliche Hand ja unterliegt, absolut empfohlen, den höchsten förderfähigen Standard anzustreben“, erklärte Oliver Ottinger vom Landkreis. Daneben sprächen natürlich auch ganz stark klimapolitische Gründe für das Passivhaus-Konzept. Ottinger führte die Teilnehmenden bei einer Exkursion am dritten Tagungstag zu drei sanierten Schulen in Weiterstadt. Die Gebäude sind nicht nur energetisch, sondern auch optisch zu Vorzeigeprojekten geworden.

Kanada: „Passivhaus als Chance“

Über das neue Studierendenwohnheim der Universität Toronto Scarbrough mit 746 Betten und einer Mensa mit 400 Plätzen berichtete Andrew Arifuzzaman in Wiesbaden. Die Investoren seien aufgrund mangelnder Erfahrung mit einem hoch energieeffizienten Großprojekt zunächst skeptisch gewesen, erklärte Arifuzzaman. Jetzt, kurz vor Fertigstellung des Projekts, sagte Michael Faustini vom Projektpartner Pomerleau: „Wir haben gelernt, dass Unwägbarkeiten mit angemessener Planung und unter Anleitung von Experten leicht zu bewältigen sind. Wir betrachten Passivhaus-Projekte nun als Chance und nicht mehr als Risiko“. Stuart Hood schilderte Betriebserfahrungen mit zwei weiteren kanadischen Projekten, mit der Passivhaus-Feuerwache in Vancouver sowie dem PassivhausGemeindezentrum in Clayton. Aus den USA berichtete Brad Mahoney über das über 200 Meter hohe Winthrop Center in Boston.

Passivhaus-Hallenbad in Exeter

Über den nicht immer einfachen Weg der südenglischen Stadt Exeter zum ersten hoch energieeffizienten Hallenbad in Großbritannien berichteten Emma Osmundsen und Tomas Gaertner. Die Stadt hatte bereits Erfahrung mit Passivhaus-Wohngebäuden und baute zeitgleich zum Hallenbad ein Seniorenwohnheim. Das Sport- und Freizeitzentrum sollte niedrige Kosten für Energie und Wasseraufbereitung garantieren sowie ein resilientes und gesundes Gebäude sein. Die Referenten betonten, wie wichtig ein erfahrenes und integriertes Planerteam sei.

Planung mit PHPP

Passivhaus-Planer Jason Fitzsimmons erläuterte in seinem Vortrag die thermischen Modellierungen sowie die Planung mit PHPP für dieses komplexe Projekt. Das Planungstool berücksichtige auch den Energiebedarf für die Wasserbereitung, den Einfluss der Verdunstung sowie den Wärmetransfer zwischen Bereichen. Projektbeteiligte hätten sich zuvor in Deutschland die erfolgreichen Passivhaus-Bäder in Bamberg und Lippe angeschaut, so Fitzsimmons.

Passivhaus im Gesundheitswesen

Hoch energieeffizienten Gebäuden im Gesundheitswesen widmete das Passivhaus Institut einen eigenen Workshop. Referierende gingen neben dem geringen Energieverbrauch der Gebäude auch auf Vorteile wie die gute Luftqualität sowie den hohen Komfort ein. Davon profitierten Patientinnen und Patienten in einem Krankenhaus ebenso wie Senioren und Pflegebedürftige in speziell für sie errichteten Gebäuden.

EnergieEffizienz-Forum & Netzwerken

Zur 26. Internationalen Passivhaustagung unter der Schirmherrschaft des hessischen Wirtschaftsministers gehörte auch das EnergieEffizienz-Forum. Zwei Tage lang standen Hersteller hoch energieeffizienter Komponenten, der Verband der Energieberater (GIH) sowie die Netzwerke IG Passivhaus, Passivhaus Austria und iPHA den Teilnehmenden der Tagung sowie privaten Besuchern Rede und Antwort. Die LandesEnergieAgentur (LEA) Hessen informierte auf der Fachausstellung zu Fördermöglichkeiten. Die beiden Abendveranstaltungen der Tagung waren komplett ausgebucht. Die insgesamt fünf Exkursionen am letzten Tagungstag zeigten, wie viele hoch energieeffiziente Projekte im Passivhaus-Standard es allein in der RheinMain-Region gibt. Auch das Passivhaus-Krankenhaus in Frankfurt ermöglichte den Teilnehmenden der Tagung einen Besuch.

„Türöffner für nachhaltige Lösungen“

Passivhaus-Experte Raphaël Vilbert bezeichnete in seinem Vortrag die Zertifizierung von Gebäuden als „starkes Werkzeug für die Qualitätskontrolle“. Benjamin Krick und Jessica Grove-Smith vom Passivhaus Institut betonten zum Abschuss der Tagung, dass hohe Energieeffizienz bei Gebäuden unverzichtbar dafür sei, akut unabhängiger von fossiler Energie zu werden und mittelfristig eine nachhaltige Versorgung über erneuerbare Energien zu ermöglichen. „Wir haben hier auch am Beispiel der Shetland Inseln gesehen, dass ein Passivhaus selbst im kühlen Klima und mit nördlicher Ausrichtung gut mit erneuerbarer Energie verbunden werden kann. Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher und der Handlungsdruck größer. Hohe Energieeffizienz ist der Türöffner für nachhaltige Lösungen“, erläuterte Grove-Smith abschließend.

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