„Die jüngsten Spannungen im Bankensystem dürften sowohl bezüglich Intensität als auch Dauer begrenzte wirtschaftliche Auswirkungen haben. Sie könnten jedoch ausreichen, um die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Federal Reserve (Fed) in den kommenden Monaten geringfügig weniger aggressiv zu gestalten“, kommentiert Thibault Cézanne, Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte das Ergebnis. „Viele Experten erwarten eine negative Auswirkung auf die Zinssätze, aber keine negative Auswirkung auf die Inflation. Dies bedeutet möglicherweise, dass die Zentralbanken nach den Ereignissen kurzfristig mehr Gewicht auf die Finanzstabilität als auf die Inflationsbekämpfung legen könnten“, fügt er hinzu.
Deutschland und Eurozone kaum betroffen
Eine Mehrheit der Befragten (rund 54 Prozent) geht davon aus, dass sich in den nächsten sechs Monaten keine Änderungen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) ergeben werden. 43 Prozent erwarten hingegen leicht negative Auswirkungen. Auch die Inflation dürfte auf Sicht von sechs Monaten von den Ereignissen im Bankensektor nahezu unberührt bleiben. Mit rund 64 Prozent erwartet eine große Mehrheit der Befragten keine Auswirkungen, rund 24 Prozent gehen von leicht negativen Effekten aus. Mit Blick auf die nächsten zwei Jahre gibt eine große Mehrheit an, dass keine Auswirkungen auf das deutsche BIP (75 Prozent) und die Inflation (77 Prozent) zu erwarten sind. Für den Euroraum ergibt sich ein sehr ähnliches Bild. Auf Sicht von sechs Monaten erwarten eine große Mehrheit der Finanzmarktexpertinnen und -experten, dass die Spannungen im Bankensektor keine Auswirkungen auf das BIP (55 Prozent) beziehungsweise die Inflation (62 Prozent) im Euroraum haben werden.
Auswirkungen auf US-Wirtschaft am stärksten
Nach Ansicht der Finanzmarktexpertinnen und -experten werden sich die Spannungen kurzfristig eher in der US-Wirtschaft bemerkbar machen, wobei die Auswirkungen moderat ausfallen dürften. Rund 46 Prozent bzw. 45 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass der Einfluss auf das US-BIP in sechs Monaten gleich null oder leicht negativ sein wird. Ebenso erwartet eine Mehrheit der Befragten von rund 54 Prozent kurzfristig keine nennenswerten Auswirkungen auf die US-Inflation. Aufgrund der Spannungen im Bankensektor erwartet eine Mehrheit der Befragten kurzfristig allerdings eine etwas weniger aggressive Geldpolitik der Federal Reserve. So rechnen rund 52 Prozent der Befragten auf Sicht von sechs Monaten mit leicht negativen Folgen für den US-Leitzins. Auf Sicht von zwei Jahren sieht eine große Mehrheit der Teilnehmenden dagegen keinen Einfluss auf das US-BIP (69 Prozent), die Inflation (72 Prozent) und den Fed-Leitzins (64 Prozent).
ÜBER DIE BEFRAGUNG
Der ZEW-Finanzmarkttest ist eine seit Dezember 1991 durchgeführte Umfrage, in der monatlich die Erwartungen über die Entwicklung wichtiger internationaler Volkswirtschaften erhoben werden. Derzeit sind dies Deutschland, das Eurogebiet, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie China. Insgesamt besteht das Panel aus etwa 350 Finanzanalysten aus Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen. Angesprochen werden die Experten/-innen der Finanz-, Research- und volkswirtschaftlichen Abteilungen sowie der Anlage- und Wertpapierabteilungen dieser Unternehmen. Die meisten Teilnehmer/innen kommen aus Deutschland.
Die Finanzexpertinnen und -experten werden nach ihren Erwartungen gefragt, die sie auf einen Horizont von 6 Monaten hinsichtlich der Entwicklung der Konjunktur, der Inflationsrate, der kurz- und langfristigen Zinsen, der Aktienkurse und der Wechselkurse haben. Zusätzlich werden sie um eine Einschätzung der Ertragslage in 13 deutschen Branchen gebeten. Neben einem festen Umfrageteil werden laufend zu aktuellen Themen Sonderumfragen durchgeführt. Aus den Erwartungen der Finanzmarktexperten/-innen zur Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland werden die ZEW-Konjunkturerwartungen berechnet, die sich als Frühindikator für die Konjunkturentwicklung („ZEW-Index“) etabliert haben. Das ZEW kommuniziert die Ergebnisse des Finanzmarkttests darüber hinaus ausführlich im monatlich erscheinenden ZEW-Finanzmarktreport.
ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
Forschungsfelder des ZEW
Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte; Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen; Digitale Ökonomie; Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Marktdesign; Umwelt- und Klimaökonomik; Ungleichheit und Verteilungspolitik; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.
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