In seiner mitreißenden Ansprache fordert Georg Adelmann zum Umdenken auf, zum Wandel von Einstellung und Verhalten eines jeden Einzelnen im Hinblick auf die Umwelt. Er veranschaulicht, wie die Schäden an der Natur zu weiteren Krisen führen werden, tritt nicht endlich dieser Wandel ein. Dass sein Vortrag ausgerechnet auf den 4. Mai 2023 fällt, den aktuellen Erdüberlastungstag für Deutschland, verleiht dem, was er sagt, noch mehr Gewicht. Der Psychologe und Auftaktredner des Ergotherapie-Kongresses zeigt auf, wie die Folgen von Überkonsum und stetigem Wirtschaftswachstum die Menschheit bereits eingeholt haben. Gleichzeitig ermutigt er alle, sich dem Wandel zu stellen, um nicht weiter aus der Klimakrise resultierende psychische und physische Gesundheitsprobleme zu erzeugen – bei den anwesenden Ergotherapeut:innen selbst genauso wie bei ihren betroffenen Patient:innen und Klient:innen. Stets lässt er die Zuhörer:innen die Gefühle spüren, die mit einer Krise und einem folgenden Wandel einhergehen: Ängste, Verunsicherung, Hilflosigkeit und mehr. Gleichzeitig motiviert er, den eigenen Werten und Überzeugungen zu folgen, zeigt Wege auf – alles mit einem Ziel: möglichst viele „Follower:innen“ für das hehre Ziel zu gewinnen und den Wandel zum Guten mit immer mehr Menschen weiter voranzutreiben. Derart inspiriert und überzeugt, ziehen die mehr als 1.500 Ergotherapeut:innen los, um in die unterschiedlichen Vorträge und Workshops zu gelangen.
Heiße Themen
Das Thema „Klimakrise“ ist nicht etwa mit der Eingangsrede zum Kongressauftakt abgehakt. Es ist an vielen Stellen, in Vorträgen und Workshops präsent und gerade in den Köpfen von Ergotherapeut:innen ein Top-Thema, auch in ihrem Berufsalltag. Schließlich bedrohen die klimatischen Veränderungen die Gesundheit der Menschen, der Klient:innen und Patient:innen in ergotherapeutischen Praxen. Vorträge mit Titeln wie „Hitzeschlag und nasse Füße“ führen den anwesenden Ergotherapeut:innen vor Augen, was sie durch ihre Arbeit auf verschiedenen Handlungsebenen tun können, um den Wandel hin zu einer gesunden Erde mit gesunden Menschen zu forcieren.
Mindestens zehn Prozent aller mit SARS-CoV-2 Infizierten erkranken im Anschluss an Long Covid, einer Multisystemerkrankung. Manche weniger dramatisch, aber für andere ist nichts mehr wie zuvor. Ergotherapeut:innen setzen auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und auf ihre bewährten Konzepte und Herangehensweisen, die sie bedarfsgerecht anpassen. Und: immer haben sie das soziale Umfeld mit im Boot. Sie sind bei der beruflichen Wiedereingliederung als Jobcoaches auch an der Seite von Menschen mit Long Covid.
Fälle von Diskriminierung können angezeigt werden, was wichtig und sinnvoll ist. Das gilt es, bewusst und bekannt zu machen, und auch, welche weitreichenden psychischen Folgen Diskriminierung, häufig mit rassistischem Hintergrund, hat. Denkanstöße und das Beleuchten des Themas aus unterschiedlichen Blickwinkeln helfen, die eigene Haltung zu überdenken und das Verhalten entsprechend zu verändern.
Hot SpotsDem Austausch einen Raum geben: Zahlreiche Vorträge sind als „meet and greet“ mit ausreichend Zeit für den Dialog nach der Präsentation eingeplant. Zusätzlich gibt es als neues Format Veranstaltungen, die unter der Headline „informieren und diskutieren“ zusammengefasst sind. Die teilnehmenden, sich engagiert austauschenden Ergotherapeut:innen, befassen sich mit den vielen Aspekten des Wandels, etwa dem Wandel des eigenen Berufsbildes. Bereits Berufsanfänger, die dem beruflichen Wandel mehr Nachdruck verleihen wollen, präsentieren hier den interessierten Anwesenden, wie sie es schaffen, ihr an Schule und Uni erworbenes Wissen und ihre frischen Ideen in ihre tägliche Arbeit einzubringen. Und mehr noch: Sie reden darüber, wie es gelingt, Kolleg:innen und Klient:innen von ihren (Therapie-)Ideen zu überzeugen und sie zu begeistern.
Sehr viel Diskussionsbedarf und ausführlichen Austausch erfordert Long Covid und wird daher beim neuen Format intensiv besprochen. Ergotherapeut:innen sind daran interessiert, auch die daraus erwachsenden gesellschaftlichen Probleme möglichst einzudämmen. Den Referentinnen, einer Ergotherapeutin und einer betroffenen Ärztin, ist es eine Herzensangelegenheit, den (Wissens-)Austausch weiter voranzutreiben und von gegenseitigen Tipps zu profitieren. Denn: Alle dürfen lernen, dass Long Covid nicht nur eine Folge, sondern eine eigene Erkrankung ist, und ganz unbedingt eine, die es ernst zu nehmen gilt, die jeden treffen kann, sogar Kinder. Und – so die Ärztin – dass Ergotherapie unter anderem mit Energiemanagement und Pacing als eine der wenigen Fachdisziplinen hier etwas ausrichten kann.
Wer up to date sein will, sollte wissen, welche Themen das Ausland beschäftigen, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Weltverband WFOT oder dem Europäischen Verband der Ergotherapie gestaltet. Die Devise lautet: mitdiskutieren und am besten mitmachen, sich einbringen bei der internationalen Zusammenarbeit.
Neues auf bekanntem Terrain
Neben den besonders brisanten Themen bekam jede und jeder etwas geboten und konnte erfahren, wie Ergotherapeut:innen mit Burnout umgehen, wie sie das Thema „Sexualität“ anfassen, wie sie mit Kintsugi dafür sorgen, dass „Bruchstellen“, sprich Krisen, stark machen oder wie sie Kolleg:innen dabei unterstützen, den Anforderungen aus Gesundheitssystem, Technologien und den Anliegen der Klient:innen und Patient:innen gerecht zu werden.
Ein besonderes Augenmerk verdienen Kinder und Jugendliche. Ergotherapeutische Assessments, also Tests, bereits für Kindergartenkinder im Vorschulalter, das Starkmachen auf psychischer und körperlicher Ebene oder das Behandeln verschiedener Störungen und Beeinträchtigungen sorgen dafür, dass Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder einer der vielen anderen Erkrankungen von Autismus, Anorexie, Seh- oder Hörbeeinträchtigungen bis Zerebralparese und sonstigen Schwierigkeiten, im Leben trotzdem gut zurechtkommen. Beratung der Eltern und des Umfelds in der Ergotherapie selbstverständlich inklusive.
Informations- und Shopping-Tour
Mehr als Rahmenprogramm: die Fachausstellung. Auch diese präsentiert sich im Wandel der Zeit mit mehr und mehr Anbietern, die digital daherkommen. Sind Abrechnungsprogramme und Patientendateien mittlerweile für einige ein „alter Hut“, sind zunehmend digitale Hilfsmittel zu sehen, etwa die moderne Form der Spiegeltherapie am Bildschirm, Bio- und Neurofeedback, Programme für digitale Finger-, Hand- Arm- und Schulterrehabilitation, oder digitale Möglichkeiten für die Analyse der Motorik beim Schreiben und vieles mehr. Auch den Ansprüchen derer, die Analoges oder Haptisches bevorzugen, wird die Ausstellung gerecht: Noch immer darf, wer mag, neue, ergonomische (Sitz-)Möbel für die Praxis ausprobieren, sich über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren, anfassen, was es anzufassen gibt oder einfach nur in Büchern blättern.
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