Psychische Erkrankungen können zu einer Behinderteneigenschaft führen

Psychische Erkrankungen verzeichnen trotz ihrer großen Präsenz in der Gesellschaft noch immer ein stiefmütterliches Dasein und sie werden vielerorts nicht so ernstgenommen wie körperliche Leiden. Oftmals befürchten Betroffene Diskriminierung und Ausgrenzung – oder von zuständigen Stellen nicht in ihrem Leid anerkannt zu werden. Dabei können chronisch verlaufene Störungen der Seele zu Ansprüchen im Sozialstaat führen. Darauf macht der psychosoziale Berater des BBuD, Dennis Riehle, in einer aktuellen Aussendung aufmerksam: „Generell kann schon bei leichten Verlaufsformen einer psychischen Funktionsstörung nach gültiger Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass ein sogenannter ‚Grad der Behinderung‘ (GdB) im unteren Bereich von rund 30 festgestellt wird, der eine Aussage darüber trifft, ob und in welchem Umfang der Erkrankte zum Beispiel Steuererleichterungen, Unterstützung am Arbeitsplatz oder mögliche Fahrtkostenpauschalen geltend machen kann. Auf der zwischen 0 und 100 festgelegten Skala gilt ein Mensch im Sinne des SGB IX bereits ab einem Wert von 20 als ‚behindert‘, ab 50 dann letztlich auch als ‚schwerbehindert‘ mit dem Anspruch auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises zum Nachweis etwaiger Rechte.“

„Der GdB wird auf Antrag vom Versorgungsamt anhand der jeweiligen Aktenlage festgelegt. Eine persönliche Begutachtung durch den Sachbearbeiter erfolgt in der Regel also nicht. Das Verfahren ist für den Betroffenen unabhängig des Ausgangs kostenfrei. Gegen den Bescheid ist Widerspruch möglich. Regelhaft wird bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung die Art und Ausprägung des jeweiligen Störungsbildes für die Beurteilung herangezogen. Somit bedeutet dies grundsätzlich: Zunächst wird das Leiden in Einklang mit den sogenannten ‚Versorgungsmedizinischen Grundsätzen‘ mit einem Grad festgesetzt, der pauschal für das Krankheitsbild als Rahmen definiert ist. Doch im Weiteren muss dann die individuelle Beeinträchtigung abgewogen werden, die zu einer Feinjustierung des GdB führt. Gerade psychische Erkrankungen müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Handelt es sich um ein chronifiziertes und schwer verlaufendes Problem, sind auch Ergebnisse jenseits von 50 durchaus möglich. Denn die Bewertung orientiert sich schlussendlich an den ‚funktionellen Auswirkungen‘. Das bedeutet, dass nicht die Diagnose allein aussagekräftig ist, sondern die Symptome (welche im Schwerbehindertenrecht als ‚Funktionsstörungen‘ bezeichnet werden). Somit müssen die Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf alle körperlichen und seelischen Systeme des Einzelnen betrachtet werden. So sind vom Gutachter auch psychosomatische, kognitive, soziale und persönlichkeitsrelevanten Aspekte zu werten. Es ist insofern sehr wichtig, inwiefern konkrete Einschränkungen der Alltags- und Lebensqualität vorliegen und welche Funktionssysteme von Körper und Psyche in welchem Ausmaß betroffen sind“, erklärt Dennis Riehle.

Abschließend rät Dennis Riehle Betroffenen aufgrund seiner Erfahrungen: „Oftmals scheitert der Ausgang im Verfahren an der ungenügenden Beschreibung dieser Beeinträchtigungen durch den behandelnden Facharzt. Patienten sollten insofern stets darauf bestehen, dass die Befunde nicht nur einen ICD-10-Code ausweisen. Bedeutsamer ist viel eher die klare Darlegung, welche Konsequenzen die Krankheit hat. Empfehlenswert ist daher auch, dass die Betroffenen ihrem Antrag an das Versorgungsamt einen eigenen Erfahrungsbericht beifügen, in dem auch sie nochmals bildlich festhalten, in welchen Lebensbereichen und Funktionssystemen Probleme bestehen. Orientierend hilft dabei die Frage: Was kann ich heute nicht mehr (so gut) wie vor Manifestation der Krankheit? Der Schwerbehindertenausweis dient am Ende zur Inanspruchnahme und Durchsetzung zusätzlicher Rechte, welche sich auf die Steuerlast, die Nachteilsausgleiche im Beruf, Grundlagen für weitere sozialrechtliche Ansprüche (beispielsweise bei späterem Eintritt einer eventuellen Pflegebedürftigkeit), Vergünstigungen im Alltag oder Sozialtarife auswirken. Gleichzeitig ist die Inanspruchnahme der Schwerbehinderteneigenschaft eine im sozialen Rechtsstaat allen Hilfsbedürftigen zustehende Anerkennung ihrer Benachteiligungen. Letztendlich gibt es keinerlei Grund, sich dafür schämen zu müssen. Ganz im Gegenteil: Immerhin kann das eigene Bekenntnis zu einem ‚Anderssein‘ auch einen positiven Effekt auf unser Selbstbild haben und daneben ebenso einen psychologischen Mehrwert besitzen. Faktische Diskriminierungen durch eine ausgewiesene Schwerbehinderung sind insofern weder gegenüber Versicherungen, Arbeitgebern oder öffentlichen Stellen zu befürchten“.

Die psychosoziale Beratung des BBuD ist kostenlos erreichbar unter:

https://bvbud.de/psy-soz-beratung

Über den Bundesverband Burnout und Depression e.V.

In Deutschland haben bereits drei Prozent der Bevölkerung zumindest einmal im Leben die Diagnose eines sogenannten „Burnouts“ erhalten. Dieses Syndrom bezeichnet einen Erschöpfungszustand, welcher sich in verschiedenen Phasen von der Überlastung und Überforderung bis zum mentalen Zusammenbruch äußern kann, vor allem Berufsleben und soziale Kontakte betrifft und insbesondere psychosomatische Beschwerden auslöst. Hingegen erlitten mindestens fünf Millionen Deutsche bereits eine ernstzunehmende depressive Episode, die als schwere psychiatrische Erkrankung anzusehen ist und sich in Perspektivlosigkeit, Freudlosigkeit, Traurigkeit über beträchtliche Körpererscheinungen und einen massiven Rückzug aus dem persönlichen Umfeld ausdrückt. Beide Krankheitsbilder sind allerdings der Psychotherapie und medikamentösen Behandlungsansätzen zugänglich. Daneben helfen niederschwellige Maßnahmen wie Entspannungstraining, Lichttherapie, Selbsthilfemaßnahmen, Sozialberatung oder Coaching.

Der Bundesverband Burnout und Depression e.V. ist die bundesweite Selbsthilfeorganisation für Menschen mit stressinduzierten Problembildern wie Burnout oder Depression. Seine Mitglieder sind eigens betroffen und wollen ermutigen, selbst wieder aktiv zu werden und für sich und andere Erkrankte Verantwortung zu übernehmen.

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