Mit Beginn des Frühlings erschien die Anlage der Stachelschweine geradezu verwaist: kein Tier zu sehen, egal wann die Besucherinnen und Besucher vorbei gingen. Hinter den Kulissen, im Stall der Tiere gab es dafür zwei süße Gründe: nach einer Tragezeit von ca. 112 Tagen kamen Xüßer und Xenf zur Welt. Dicht an die adulten Tiere gekuschelt, erkundeten beide in den darauffolgenden Wochen zunächst den Innenbereich und wagten sich dann Mitte Mai das erste Mal zusammen mit den Eltern auf die Anlage. Gestern erfolgte die erste Jungtier-Untersuchung: Männchen Xüßer ist 3,8 Kilo schwer und sein Bruder Xenf 4,4 Kilo. Beim Zeitpunkt der Geburt sind die Stacheln noch sehr weich und beginnen erst nach zwei Wochen auszuhärten. Da der Bauchbereich vor allem bei jungen Tieren sehr empfindlich ist, hat man sich auch in diesem Jahr in Hellabrunn für eine spätere Erstuntersuchung entschieden.
Die Zwillinge waren eine morgendliche Überraschung, wie Carsten Zehrer, Leiter der Zoologischen Abteilung und Kurator in Hellabrunn weiß: „Die Kolleginnen und Kollegen aus der Tierpflege in diesem Bereich entdeckten die beiden Jungtiere bei der morgendlichen Kontrolle im Innenbereich. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Tiere auch entsprechend in Ruhe gelassen. Die zuständigen Pflegerinnen und Pfleger ziehen sich dann mit Absicht zurück und beobachten trotzdem genau, wie die Jungtiere sich entwickeln und wie die adulten Tiere sich gegenüber den Jungen verhalten. Da das der zweite Nachwuchs ist, haben wir schnell feststellen können, dass beide Elterntiere sich wieder vorbildlich um ihren Nachwuchs gekümmert haben – was für uns immer eine große Erleichterung ist. Stachelschweine nehmen ihren Nachwuchs bei der Futtersuche, aber auch beim Schlafen in den ersten Monaten meist zwischen sich, um den Jungtieren optimalen Schutz bieten zu können“, so Zehrer zu dem Verhalten der Tiere.
Für Rasem Baban, Vorstand und Tierparkdirektor, sind die beiden Jungtiere ein Grund zur Freude: „Der erste Zwillingsnachwuchs bei den Weißschwanz-Stachelschweinen ist für den Tierpark Hellabrunn im Hinblick auf die erfolgreiche Nachzucht aus dem letzten Jahr wirklich etwas ganz besonders. Für uns ist es eine Bestätigung, dass die beiden Tiere sich auf ihrer Anlage sehr wohlfühlen. Weißschwanz-Stachelschweine sind als „nicht gefährdet“ eingestuft. Wir möchten aber trotzdem allen Besucherinnen und Besuchern vermitteln, dass neben den Tieren auch ihre spezifischen Lebensräume in verschiedenen Habitaten ein gemeinschaftliches Engagement zum gesamtumfassenden Schutz benötigen“, so Baban abschließend.
Rasselnde Scheinriesen mit weichen und harten Stacheln
Ein Mythos der sich bei den Tieren hartnäckig hält, ist die Annahme, sie würden bei Gefahr ihr Stacheln auf ihre Gegner schießen. Falsch! Stachelschweine haben kein sehr ausgeprägtes Sehvermögen, sie orientieren sich mit den empfindsamen Nasen und Ohren. Bei Gefahr stellen die Tiere die langen Deckstacheln auf, um größer zu wirken und potenzielle Feinde einzuschüchtern. Neben dieser Verteidigungsstrategie nutzen die Tiere zusätzlich auch die kleinen, hohlen Stacheln am Hinterteil, um rasselnde Geräusche erzeugen, die Feinde abschrecken sollen. Hilft auch das nicht, bewegen sie sich rückwärts auf den Feind zu und rammen ihre Stacheln in den Körper des Angreifers. Die Stacheln bestehen, genauso wie menschliche Fingernägel oder Haare, aus Keratin. Die Stachelschwein-Zwillinge sind je nach Wetterlage immer öfter auf der Stachelschwein-Anlage gegenüber der Hellabrunner Giraffensavanne zu sehen.
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