„Wir sehen in unseren Daten drei Trends: Erstens nimmt die Häufigkeit bestimmter psychischer Störungen, wie etwa Essstörungen bei Mädchen, unter Corona zu. Zweitens scheinen andere Störungen weniger zu werden, bei denen wir aber vermuten, dass sie zwar vorhanden sind, aber nicht festgestellt und versorgt werden konnten. Das ist also eine Dunkelziffer. Ein Beispiel hierfür sind Störungen des Sozialverhaltens. Drittens setzen sich Trends, wie das häufigere Auftreten von Sprachentwicklungsstörungen bei Jungen, unter Corona ungebrochen fort“, so fasst Adriana Poppe, zuständige Wissenschaftlerin für die Datenauswertung bei der PMV forschungsgruppe, die Situation zusammen.
Mit anderen Worten: Es sind also sowohl neue Probleme entstanden als auch bestehende Probleme schlimmer geworden. Zusätzlich schilderten Fachkräfte aus der Versorgung in Interviews, welche Auswirkungen die Coronapandemie auf ihren Arbeitsalltag hatten und wie sie mit den Herausforderungen durch die Pandemie umgegangen sind. Psychotherapeutisches Fachpersonal schildert, dass die Wartezeiten länger geworden seien. Die Anzahl der behandelten Patienten habe sich nicht geändert, da die Auslastung schon immer hoch war. Deutlich wurde zudem, dass sich die Zahl an Versorgungsangeboten zwischen den verschiedenen Stadtgebieten Kölns deutlich unterscheidet. Der Kölner Norden schneidet hierbei beispielsweise schlechter ab als die Innenstadt.
Univ.-Prof. Dr. Stephan Bender, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln, wies darauf hin, dass die unter Corona entstandenen Probleme der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien nicht verschwunden seien: „Wir stehen vor einer Herausforderung für die nächsten Jahre. Dafür müssen wir die guten Ideen, die wir während der Pandemie spontan umgesetzt haben, jetzt verstetigen. Vor allem müssen alle Einrichtungen in Köln, die sich um die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen kümmern, ihre bestehende Zusammenarbeit weiter vertiefen.”
Dies ist eine von mehreren Handlungsempfehlungen, die im Bericht beschrieben werden. Diese wurden in Zusammenarbeit mit dem Beirat der Versorgungsberichte entwickelt. Dieser besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Krankenkassen AOK Rheinland-Hamburg, BARMER, DAK und pronovaBKK, der Uniklinik Köln, der Stadt Köln, der Caritas, der Gesundheitsregion Köln/Bonn und dem Gesundheitsladen Köln.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion rund um die Frage „Wie muss es in Köln nun weitergehen?“ wurde die Situation in Köln und das, was jetzt getan werden muss, teilweise kontrovers diskutiert. Auf dem Podium saß nicht nur eine Betroffene aus Köln, sondern auch Fachkräfte aus der Versorgung und Vertreterinnen und Vertreter von Krankenkassen und der Gesundheitsregion Köln/Bonn. Die Betroffene zeichnete ein sehr unmittelbares Bild der Situation: „Es war schon immer schwer einen Psychotherapieplatz zu finden – wir haben damals sehr viel recherchiert und telefoniert und teilweise konnten wir nicht einmal auf eine Warteliste gesetzt werden. Während der Pandemie spitzte sich die Situation zu. Man fühlt sich einfach hilflos, wenn einem niemand genau sagen kann, ab wann einem endlich professionelle Hilfe angeboten werden kann.“ Einig waren sich alle Beteiligten, dass es weiter Bewegung geben muss und dass die erarbeiteten Handlungsempfehlungen hierfür eine gute Basis sind.
Hintergrund: CoRe-Net Versorgungsberichte
Die Versorgungsberichte sind Teil von CoRe-Net, dem Kölner Kompetenznetzwerk aus Praxis und Forschung, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Versorgungsberichte greifen die Tradition der kommunalen Gesundheitsberichterstattung auf und befassen sich mit Themen wie Erkrankungshäufigkeiten, Gesundheitskosten und Gesundheitsversorgungs-strukturen und -prozessen. Die Berichte sollen dabei helfen, spezifische Bedarfe und Bereiche für die kommunale Intervention zur Verbesserung der Versorgung aufzudecken und dieses Wissen politischen Entscheidungsträgern, Versorgenden aus dem Gesundheitswesen und auch den Kölner Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen. Um auf aktuelle versorgungsrelevante Themen und Bedürfnisse in den Berichten einzugehen, wird die Entwicklung der Versorgungsberichte durch einen Beirat aus Interessenvertretenden aus dem Großraum Köln, wie beispielsweise Patientenvertretenden, Versorgenden und politischen Entscheidungsträgern, unterstützt.
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