1. Sachsen hat in seiner 2023 verabschiedeten Digitalstrategie das Ziel formuliert: 2030: besser, schneller, sicher. Welche Rolle spielt die DeGIV und die im Freistaat erstmals umgesetzte besondere Zugangsstruktur durch Gesundheitsterminals?
Julian Schultz: Das wüssten wir auch gern (lacht).Ernsthaft, wir haben unter erschwerten Corona-Bedingungen ein wegweisendes Projekt startbereit gemacht und Lösungen für diverse digitale Herausforderungen entwickelt. Allerdings hat sich die Erwartung, dass die Krankenversicherungen, Behörden und Institutionen die speziellen Chancen in Sachsen freudig nutzen, trotz zunehmendem Handlungsdruck auf deren Seite noch nicht bestätigt. Überraschend war bei einer strukturellen Veränderung wie dieser, die nicht morgen enden kann, die Erwartungshaltung und Ungeduld einiger Lokationen, welche offensichtlich ein viel höheres Tempo und mehr Engagement rund um digitalen Zugang für Alle erwarten.
2. Ist das Projekt denn mit der Aufstellung nicht beendet?
Julian Schultz: Nein, das Projekt e-Health-Sax bzw. dessen Zweckbindung läuft mindestens bis ins Frühjahr 2026. Schließlich beginnt nach der Installation von Gesundheitsterminals in den Regionen die Wirkung erst durch Funktionsausbau und Hinzunahme weiterer Institutionen. Teil eins der Umsetzung hat bereits wertvolle Erkenntnisse gebracht, das Verständnis für die einzige sozialdatenkonforme Digital-Plattform fehlt leider oftmals noch. Zumal mit jedem Release neue Optionen bestehen, welche zu häufig ungenutzt bleiben.
3. Herr Bulang, Sie sind neuer Bereichsleiter des Lösungsmanagements, wie die DeGIV Ihre Kundenberatung nennt. Was hat sich denn konkret verändert?
Thomas Bulang: Der kontinuierlich zunehmend Umfang der Möglichkeiten hat mich nach meinem Start im letzten Sommer selbst beeindruckt. Die Interaktionsplattform ist an jedem Standort noch vielseitiger und dynamischer einsetzbar geworden und hat nun ganz konkrete Anwendungsbereiche von A wie Authentifizierung über eine Self-service-eID, Arzttermine, Bürgerservice, Bankenservice, Führerscheintausch, iKFZ, Medikamentenbestellung, Online-Video-Beratung samt Telemedizin bis Z einer fallabschließenden Zahlung. Und noch viel mehr, wenn es um den „Digitalen Marktplatz“ geht, welcher mit den Banken und Bürgerämtern gemeinsam umgesetzt werden soll. Die DeGIV bereitet vor, die Teilnehmer entscheiden, was in welcher Form bei Ihnen verfügbar sein soll. Dabei sind existierende Dienstleistungen herzlich willkommen.
4. Welche Rolle spielen da das Gesundheitsterminal und die Projektbeteiligten IKK classic und DAK-Gesundheit?
Thomas Bulang: Die Gesundheitsversorgung ist und bleibt Ursprung der DeGIV. Nicht nur weil unser Gründer und ich selbst Krankenkassenbetriebswirte sind, sondern weil die Herausforderungen in diesem Bereich die höchsten aller Branchen sind, und die Bedeutung für flächendeckende Versorgung am größten ist. Die genannten Krankenkassen investieren Ressourcen und Geld in eine für alle Menschen nutzbare und zunehmend wichtigere, sichere digitale Teilhabe und verbessern gleichzeitig das niederschwellige Serviceangebot. Mehrwerte für alle Krankenkassen und Institutionen, die nur noch mitmachen müssen. Zusätzlich arbeiten wir zufällig übereinstimmend mit den Plänen des Bundesministeriums für Gesundheit an der digitalen Zielerreichung von Gesundheitskiosken. Schließlich sollte ein Behandlungspfad aus unserer Sicht immer schon einfach, kostenfrei und mehrsprachig in der Arztpraxis, Apotheke oder dem Krankenhaus beginnen. Als Nebeneffekt entstehen Grundlagen und Partnerschaften für autonome telemedizinische Behandlungsstationen oder neue Servicekonzepte. Schließlich wird Personal rar und die Kosten steigen.
Auch wenn zunächst noch Funktionen hinzukommen müssen und werden, die heute in den Krankenkassen-Apps oder Web-Portalen vorhanden sind.
5. Sie haben die Krankenkassen-App angesprochen. Warum braucht es denn überhaupt noch eine zusätzliche Zugangsstruktur?
Julian Schultz: Als IT-Verantwortlicher hätte ich viele technische Gründe zu nennen, aber ganz einfach gesagt, war und ist die Absicherung eines so „verbindungsfreudigen“ Gerätes wie dem Smartphone und die damit ausübbaren Dinge wie Links öffnen, QR-Codes scannen und vieles mehr im krassen Gegensatz zu „privacy by default“ oder „privacy by design“. Es gibt nun einmal Informationen, die sollten besser nicht allzu öffentlich werden. Dies zu verhindern, wird zunehmend schwieriger oder aufwendiger und nicht jeder kann das administrieren.
Thomas Bulang: Es kann sich aber auch nicht jeder leisten, ein modernes high-tech-phone, einen Kartenleser oder neueste Hard- und Software zu kaufen. Manchmal ist es einfacher und viel bequemer, Anwendungen auf einem großen Touchdisplay ohne komplizierte -Anmeldeprocedere aufzurufen oder ein Passwort neu in einer von Cyberrisiken separierten Umgebung anzufordern und direkt loszulegen. Von DIPA-Genehmigungen oder Willenserklärungen auch für eingeschränkte Personen nicht gesprochen. Die DeGIV – Zugangsstruktur ist die notwendige Konsequenz des auch gesetzlichen und demokratischen Anspruches, einen Weg in die digitale Welt für alle zu ermöglichen. Nebenbei werden die positiven Effekte der Digitalisierung bei Effizienz und Wirtschaftlichkeit tatsächlich vollständig realisiert, was nicht der Fall ist, wenn nicht unerhebliche Teile nicht einbezogen werden (können).
6. Wenn sie sie sich für den Freistaat Sachsen und seine Digitalisierung etwas wünschen könnten, was wäre das?
Julian Schultz: Ich würde mir wünschen, dass mehr der von uns vorbereiteten Funktionen und Möglichkeiten der Institutionen zum Einsatz kommen und man Dinge einfach mal in Sachsen ausprobiert. So verstehe ich, werden die Vorteile der sektorenübergreifenden Digitalversorgung für jeden Bürger im Wortsinn anfassbar und Steuer- und Beitragsgelder eingespart.
Thomas Bulang: Ich würde mir vor allem wünschen, dass die für Sachsen vorgesehenen 225 Standorte die digitalen Herausforderungen aktiv mitgestalten. Vor allem mit der notwendigen Geduld für die durch uns nicht beeinflussbaren, langwierigen Veränderungsprozesse. Dies beginnt mit dem Platz für ein Zugangsgerät mit einer Steckdose, an dem dann nicht nur eine Information wie bei einem Pappaufsteller, sondern ganz viel mehr geschehen kann.
Wir sind gern Teil der Digitalstrategie des Freistaates Sachsen. Dann ist schon vor 2030 alles „BESSER. SCHNELLER. SICHER“.
Christian Löffler, ScanKnowHow:
Der Diplomingenieur war 26 Jahre Vertriebsleiter der Ernst Reiner GmbH Co.KG und ist heute als Inhaber und Geschäftsführer der ScanKnowHow als unabhängiger Berater im Bereich von Scan- Lösungen in Self-Service-Kiosksystemen tätig.
ScanKnowHow plant und projektiert Terminallösungen und erstellt Konzepte für den Ersatz von Postbriefkästen durch elektronische Lösungen für Banken, Behörden, Versicherungen, Versorger, im Transportbereich und im Einzelhandel.
ScanKnowHow erstellt die technischen Lastenhefte, begleitet die Umsetzung die Vertriebskonzepte und unterstützt die Markteinführung.
Julian Schultz, DeGIV GmbH
Der studierte Elektrotechniker und international erfahrene Projektmanager hat bei der DeGIV als IT-affinem Unternehmen die Doppelrolle des Projekt- und IT-Leiters. In seiner Verantwortung wurde das ehealth-Sax-Projekt entscheidend weiterentwickelt und ein sozialdatenkonformes mobiles Zugangsgerät ermöglicht.
Sein Team von Experten kümmert sich vollumfänglich um den Betrieb der Geräte, deren Wartung und standortindividuelle Konfiguration und das für diese Zwecke so erstmals eingesetzte separierte Funkübertragungsnetz. Darüber hinaus stellt er sich den vielschichtigen Aufgaben einer anwenderzentrierten Nutzbarkeit von Telematik, Telemedizin und digitaler Versorgungskonzepte unterversorgter Regionen in Deutschland und der Welt.
Thomas Bulang, DeGIV GmbH:
Der in Sachsen geborene Krankenkassenbetriebswirt hat vielseitige Erfahrung bei verschiedenen Institutionen der Krankenversicherung Deutschlands. Er ist noch heute als Unternehmensberater tätig. Den nicht zuletzt durch die Pandemie verzögerten Auf- und Ausbau des digitalen Versorgungsnetzes der DeGIV hat er sich ebenso zur Aufgabe gemacht, wie die nachhaltige Lösung der anstehenden Themen rund um Patientenakte, Patientenrechten und der Verbesserung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Alles immer im Sinne des optimalen Nutzens für alle Beteiligten.
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