„Ich bin sehr glücklich, dass wir endlich den nächsten logischen Schritt gegangen sind, dass wir uns auf europäischer Ebene vernetzen und gemeinsam vorangehen“, resümiert Marita Klempnow, Vorständin des DEN. „Vor knapp 23 Jahren haben wir unser Netzwerk gegründet, um in Deutschland als geeinte Stimme der unabhängigen Energieberatung Ministerien wie Politik auf uns aufmerksam zu machen und so die Energie- und Gebäudewende voranzubringen. Auch in Brüssel muss unsere Branche gesehen, vor allem aber berücksichtigt werden.“
Kollegin Stefanie Koepsell, Vorstandssprecherin, schließt sich an: „Die letzte Fassung der europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) wird bis Mitte 2026 in deutsches Recht übersetzt werden müssen und damit Eingang in unseren Arbeitsalltag finden. Zwar werden in der EBPD solche Aspekte wie sogenannte One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen genannt, aber dass beispielsweise auch eine gute/r Energieberater/in von Konzept bis zur qualitätsgesicherten Umsetzung der energetischen Modernisierungsmaßnahme Eigentümer/innen begleiten kann, ist in Brüssel weitestgehend unbekannt. Daher müssen wir die Rolle der Energieberater auch im europäischen Kontext bekannter machen.“
Einblicke in die EU: Über lange Entscheidungswege und einen neuen Zeitgeist
Um herauszuarbeiten, wie das möglich ist, hatte der Verband verschiedene Gäste aus Politik, Industrie und Forschung geladen und Vorträge über die Entscheidungsprozesse der EU und die Herausforderungen guter Lobbyarbeit organisiert. Jutta Paulus, Mitglied des europäischen Parlaments, hat dabei einen Einblick in das politische Geschehen Brüssels vermitteln können und über ein wechselndes Klima in den Gremien gesprochen. Klimaschutz rücke zunehmend in den Hintergrund. Sogar die für die Wirksamkeit der EPBD entscheidende CO2-Bepreisung sei in Gefahr, weil einige Mitgliedsstaaten diese nun doch nicht umzusetzen wollten. Einflussreiche Koalitionen würden auf eine Rückkehr zum Atomstrom pochen. Paulus hofft darauf, dass politischer Druck die Ausreißer noch zur Vernunft bringt, dass die EU den Anliegen des Green Deal noch gerecht werden kann.
Wie schwierig es ist, diesen Druck für mehr Klimaschutz, für eine gute Gebäudepolitik aufzubauen, wurde von mehreren Vortragenden betont, allen voran Johann Zirngibl. Er vertritt mit der Rehva eine europäische Dachorganisation nationaler Fachverbände der Gebäudetechnik und kritisiert insbesondere die verschiedenen nationalen Berechnungsstandards für energieeffiziente Gebäude. Es gäbe ganze 31(!) verschiedene Vorschriften zur Berechnung von energieeffizienten Gebäuden (bei 27 Mitgliedsländern). Dagegen müsse man vorgehen, die Harmonisierung der Berechnungen in den Fokus rücken und sich so dafür einsetzen, dass Energieberatende aus Frankreich auch in Spanien tätig sein können, dass Gebäude in unterschiedlichen Ländern gleich berechnet und gleich bewertet werden. Das sei entscheidend für eine erfolgreiche Gebäudewende. Obwohl die EU schon einige Forschungsprojekte in dem Bereich subventioniert habe und dabei auch nicht sparsam gewesen sein soll, ist Zirngibl pessimistisch. Nationale und wirtschaftliche Interessen (im Fall der Harmonisierung etwa die von Softwareherstellern und Fachverlagen), würden hier eine zu große und zu einflussreiche Opposition bilden, hätten die EPBD durch ihren Einfluss bereits „verwässert.“
Auch Ralf Pasker, Geschäftsführer des Europäischen Wärmedämmverbundsysteme-Verbandes (ETICS), betont das kompetitive Pflaster Brüssels. Mit Verweis auf die lange Vorlaufzeit europäischer Entscheidungen, erklärt er, dass man schon vor der Veröffentlichung eines ersten Richtlinienentwurfes, aktiv werden müsse, dass es wichtig sei, seine Argumente früh an der richtigen Stelle zu platzieren. Um also die Perspektive von Energieberatenden auf europäischer Ebene einbringen zu können -wie es das DEN anvisiert-, müsse man sich gut organisieren.
Dem kann auch Andrea Voigt, Chefin der Öffentlichkeitsarbeit bei Danfoss, zustimmen. Ähnlich wie Paulus erkennt Sie einen Wandel des Zeitgeistes: Man spreche nun mehr über Wettbewerb und Industrie. Gerade deswegen müsse man die Chancen, die sich durch die neue EPBD ergeben, nutzen, und ihre nationale Umsetzung so schnell wie möglich vorantreiben. Ein möglicher Kanzler Merz könne sich ihrem Druck nicht entziehen. Begeistert berichtet Sie vom klimaneutralen Campus ihres Unternehmens, von Rechenzentren, deren Abwärme Tomaten nährt und kritisiert, dass die EPBD solche Projekte gar nicht berücksichtigt, hier dann auch eine Berechnungsgrundlage fehle.
Sybill Steuwer und Susanne Winkel beleuchten in ihren Vorträgen die EU von etwas anderer Seite. Steuwer, tätig bei dem Think Tank BPIE (Building Performance Institute Europe) stellt ausgewählte Projekte vor, die deutlich machen, wie die EU die Mitgliedsländer zu unterstützen sucht und welche Forschungsarbeiten die EPBD begleiten. Winkel ist für die Weiterbildung des Passivhausinstitutes (PHI) verantwortlich. Sie zeigt in ihrem Vortrag, dass der Passivhausstandard sehr erfolgreich ist, dass immer mehr gut vernetzte Planer hocheffiziente Gebäude bauen. Sie umgehen die fehlende Harmonisierung der EU-Länder, den fehlenden politischen Willen -auch international- und treiben damit abseits wechselnder Diskurse die Gebäudewende ganz praktisch voran.
„Diese Herangehensweise hat viel Charme“, bemerkt Klempnow, „Das PHI vernetzt auf beeindruckende Weise wichtige Akteure, macht das nachhaltige Bauen populärer. Dennoch können wir mit so einer „Gebäudewende von unten“ die Klimaziele nicht erreichen. Wir brauchen Druck von oben, Druck auf jene, die Entscheidungen fällen. Wir brauchen erfolgreiche Advokaten des nachhaltigen Bauens und der unabhängigen Energieberatung“, betont Klempnow.
Kollegin Koepsell stimmt zu: „Wir sind es, die die Richtlinie praktisch umsetzen, die Menschen überzeugen und zwischen Recht, Klimaschutz und Verbraucher vermitteln müssen. Und dennoch finden sich nur wenige Worte zu unserem Berufsstand in der EPBD. Dabei ist der Beruf des Energieberaters noch nicht einmal geschützt! Wir müssen uns vernetzen und voneinander lernen, um klar die Probleme aus der Praxis in die entscheidungsgebenden Institutionen zurückmelden zu können.“
“Buildings do not travel, they have a cultural background”
Dass das eine spannende Aufgabe werden dürfte, konnten die auftaktgebenden Ausflüge nach Rumänien, Frankreich und Deutschland zeigen. Das DEN hatte ausgewählte Kolleg/innen um einen Bericht aus ihrem Heimatland gebeten, um so zu diskutieren, wie unterschiedlich die europäischen Vorgaben Eingang in nationale Gesetzgebung finden, wie verschieden Ausgangsbedingungen und Herausforderungen sind.
Rumänien beispielsweise liegt in einem Erdbebengebiet, muss Sanierung immer auch mit Blick auf eine verbesserte Statik denken. Trotz eines großen Bedarfs stehen viele Menschen energetischen Maßnahmen skeptisch gegenüber, wie Marius Soflete, Passivhausplaner, erklärt. In dem ehemals sowjetischen Land bevorzuge man kostengünstige fossile Heizsysteme, misstraue einer zentralisierten Wärmeversorgung oder Wärmepumpen.
Auch in Deutschland ist die Heizfrage die größte Herausforderung für eine Dekarbonisierung des Gebäudebestandes. Ein- und Zweifamilienhäuser machten hier einen Großteil der Gebäude aus und die würden größtenteils mit Öl oder Gas versorgt. „Wir müssen sehr viele Menschen erreichen und für effiziente Gebäudetechnik begeistern“, so Koepsell. „Um das leisten zu können, brauchen wir Stabilität und eine langfristige Planungsgrundlage.“ Sie kritisiert das Auf und Ab der deutschen Politik, erklärt, dass Energieberatende oft als Fördermittelbeschaffer wahrgenommen werden, ihre Arbeit stark von den Subventionen des Staates getrieben werden. Die Branche wünsche sich ein geschütztes Berufsbild, klare qualitätssichernde Bestimmungen, die den Einstieg in den Beruf regeln. Auch die komplizierte, teils widersprüchlichen Berechnungsgrundlagen weit weg von dem tatsächlichen Verbrauch würden im DEN immer wieder diskutiert.
Frankreich ist ganz anders aufgestellt: Das Land setzt -trotz zum Teil instabiler Stromnetze- nach wie vor auf Atomkraft, wie Martina Kost, Energieberaterin des Gewerbes darlegt. Viele Gebäude seien sanierungsbedürftig, würden in die Effizienzklasse E fallen. Um das zu adressieren, würden die Daten der Gebäude zentral erfasst. Ineffiziente Gebäude dürfe man nicht vermieten. So unglaublich das klingt, so schnell kann diese Regel aber auch entschärft werden: Bei großem sozialem Druck hat man -wie Kost leicht augenzwinkernd erklärt- die Berechnung auch schon angepasst und quasi vom Schreibtisch aus Wohnungen und Gebäude über eine Effizienzklasse „saniert“ – Klimaschutz vom Schreibtisch.
Miteinander sprechen – Gemeinsame Anliegen identifizieren
Dieses Schönrechnen von Gebäuden, das auch in anderen Ländern Europas praktiziert wird, ist in der Diskussion stark problematisiert worden. Die Gruppe war sich einig, dass die unterschiedlichen Berechnungsnormen einer erfolgreichen Gebäudewende im Wege stehen, dass eine Harmonisierung innerhalb der EU von Vorteil wäre.
Auch mit Blick auf einen der Energieberatung zuträglichen Politikstil hat man voneinander lernen und einen Konsens herausarbeiten können. Der Hinweis auf die Notwendigkeit eines verlässlichen politischen Rahmens konnte so mit praktischen Beispielen und einer Studie unterfüttert werden. Nach dieser stimulieren stabile politische Rahmenbedingungen, wie in Tschechien und der Slowakei, die Sanierungsquote, während ein volatiles Politikgeschehen, wie in Deutschland und Italien hinderlich wirkt.
Viel wurde auch über eine gute Kommunikation gesprochen. Wie lassen sich Menschen am besten zu einer energetischen Sanierung motivieren? Die Gruppe hat hier sehr kontrovers diskutiert, den Mangel an Forschung und Investitionen beklagt. Eigentlich bräuchte es eine milliardenschwere Kommunikationskampagne, die statt der Kosten, die Vorteile einer Sanierung (Raumklima, Schimmelschutz, Wertsteigerung der Immobilie) in den Fokus rücke. Niemand fragt bei einer schönen Küche, einem teuren Auto, wann genau sich diese Investitionen rentieren. Auch der Staat müsse von dem Fokus auf die Kosten eines klimaneutralen Gebäudebestandes abkommen. Die Abwrackprämie hätte seinerzeit die Wirtschaft enorm angekurbelt, die Industrie belebt. In der Gebäudewende lägen Chancen – für die Politik, die Wirtschaft, für Hauseigentümer.
„Die lebendigen Diskussionen, die inspirierenden Einblicke in die verschiedenen (Bau- und Sanierungs-)Kulturen unserer Nachbarn, haben gezeigt, dass wir trotz unserer Differenzen vor geteilten Herausforderungen stehen“, stellt Stefanie Koepsell abschließend fest. „Wir als DEN sehen großes Potential in einer europäisch vernetzen Branche und freuen uns, neue Bündnisse und Freundschaften zu schließen.“
Das Deutsche Energieberater-Netzwerk (DEN) e.V. ist ein Zusammenschluss über 1.200 Ingenieuren, Architekten und Technikern. Alle Mitglieder verbindet das gemeinsame Arbeitsgebiet der Beratungs- und Planungsleistungen zur effizient Energienutzung und Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäudebestand, der Wohnungswirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie für Kommunen. Ihre Beratung erbringen sie neutral und unabhängig.
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