VDA-Präsidentin Hildegard Müller: Müssen uns große Sorgen um den Standort Deutschland machen

Nicht Trump, nicht China. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, verortet die drängendsten Probleme der deutschen Schlüsselbranche trotz US-Zöllen und Konkurrenzdruck aus China, in der Heimat. „Wir müssen uns große Sorgen um den Standort Deutschland und auch Europa machen“, sagte Müller in einem Interview vor dem Ludwig-Erhard-Gipfel, der vom 7. bis 9. Mai am Tegernsee stattfindet. Die Verbands-Chefin Müller ist dort Podiumsgast.

Die deutsche Autoindustrie sei mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig und führend, sagte Müller. „Auf 142 in China verkaufte Fahrzeuge deutscher Hersteller kommt ein Fahrzeug, das chinesische Hersteller in Deutschland verkaufen.“ Für die kommenden vier Jahre seien dazu Ausgaben in Höhe von 320 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung geplant, weitere rund 220 Milliarden für Sachinvestitionen, vor allem in Werke. Aber: „Immer weniger wird in Deutschland investiert, das ist der Punkt, der alarmieren muss.“

„Deutschland ist bei den Energiekosten, den Bürokratiebelastungen, der Steuer- und Abgabenlast, auch bei den Arbeitskosten und weiteren Standortfaktoren international nicht mehr wettbewerbsfähig“, erklärte die 57-Jährige und mahnte einen „wirtschaftspolitischen Kurswechsel verbunden mit einem Mentalitätswandel“ an. Es müsse nun politisch entschlossen gegengesteuert werden, sonst drohten weitreichende Konsequenzen für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze im Land. „Fakt ist, dass wir auch künftig deutsche Autos bauen werden und das auch in Deutschland tun wollen, dafür aber muss sich etwas tun am Standort.“

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht Müller diesbezüglich zwar „erste richtige Schritte“, jedoch „nicht den großen Wurf“. Es müsse jetzt die Maxime gelten: „Alles, was Wachstum schafft.“ Angekündigte Maßnahmen müssten schnell, einfach und unkompliziert umgesetzt werden. Die Probleme seien bekannt und würden nicht nur für die Autoindustrie, sondern für die gesamte deutsche Wirtschaft gelten. So sei unter anderem „das Konzept der überbordenden Regulierung gescheitert“.

Das Interview im Wortlaut:

WEIMER MEDIA GROUP: Frau Müller, was macht Ihnen mit Blick auf die deutsche Autoindustrie mehr Sorgen. Der Blick in die USA, der nach China, oder der nach Deutschland?

Hildegard Müller: Der Blick in die Heimat. Wir müssen uns große Sorgen um den Standort Deutschland und auch Europa machen. Die deutsche Autoindustrie ist mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig und führend. Das sieht man derzeit auch auf der Messe Auto Shanghai, auf der unsere Unternehmen das internationale Publikum begeistern. Wir wollen klimaneutrale Mobilität so schnell wie möglich realisieren und natürlich international wettbewerbsfähig bleiben, dafür investieren die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie in den nächsten vier Jahren rund 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung und weitere rund 220 Milliarden Euro in Sachinvestitionen, vor allem in die Werke. Aber: Immer weniger wird in Deutschland investiert. Das ist der Punkt, der alarmieren muss und weitreichende Konsequenzen für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze haben wird, wenn nicht entschlossen politisch gegengesteuert wird.

Der Grund dafür ist bekannt. Deutschland ist bei den Energiekosten, den Bürokratiebelastungen, der Steuern- und Abgabenlast, auch bei den Arbeitskosten und weiteren Standortfaktoren inzwischen international nicht mehr wettbewerbsfähig. Insbesondere der industrielle Mittelstand leidet unter der Situation. Wir brauchen einen Mentalitäts- und Politikwandel, das Konzept der überbordenden Regulierung ist gescheitert. Die aktuellen globalen Entwicklungen verstärken dabei den Druck auf Berlin und auch auf Brüssel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes wieder herzustellen. Aber natürlich macht es uns als globale Industrie auch große Sorgen, dass der freie und faire Welthandel vor großen Herausforderungen steht.

Wenn die US-Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Autos aus der EU bleiben, bedeutet das für die deutsche Autoindustrie was?  

Die US-Zölle stellen eine erhebliche Belastung sowohl für die Unternehmen als auch die eng verwobenen globalen Lieferketten der Automobilindustrie dar – mit negativen Folgen vor allem aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher, gerade in den USA. Man darf nicht vergessen: Die zusätzlichen Zölle treffen auch die US-Wirtschaft direkt. Diese protektionistischen Maßnahmen werden Wachstum und Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks kosten. Die bisherige Zollpolitik des US-Präsidenten ist daher auch in der US-Industrie auf deutliche Kritik gestoßen. Fakt ist aber auch, dass zusätzliche Zölle erhebliche negative Auswirkungen auf die Exporte aus der EU in die USA haben. Die konkreten ersten Reaktionen unserer Unternehmen auf diese Situation sind unterschiedlich.

Wichtig ist jetzt, dass versucht wird, eine politische Einigung zu finden, das ist und bleibt entscheidend. In der ersten Amtszeit von US-Präsident Trump konnten sich die EU und die USA nach intensiven Diskussionen auf eine Lösung des damaligen Handelskonfliktes einigen. Das zeigt, dass in Verhandlungen Lösungen gefunden werden können, die den wechselseitigen Interessen Rechnung tragen. Die EU muss jetzt geschlossen und mit entsprechender Stärke auftreten und weiterhin die Bereitschaft zu Verhandlungen signalisieren.

China bleibt ein Schlüsselmarkt, doch gleichzeitig auch ein immer stärkerer Wettbewerber. Wie kann die deutsche Autoindustrie hier strategisch bestehen?

Die deutsche Autoindustrie stellt sich seit Jahrzehnten erfolgreich der Konkurrenz und wächst daran. Der Anspruch ist, die Mobilität von morgen mit innovativen Lösungen und Produkten zu gestalten und wir beweisen immer wieder aufs Neue, das wir das besser tun als alle anderen. Die zahlreichen Weltpremieren der deutschen Unternehmen auf der Auto Shanghai zeigen eindrucksvoll, dass wir bei den Themen Digitalisierung, Software und künstliche Intelligenz besonders innovativ sind, in einigen Bereichen weltweit führend.

Ein Blick auf die Zahlen unterstreicht das: Auf 142 in China verkaufte Fahrzeuge deutscher Hersteller kommt ein Fahrzeug, das chinesische Hersteller in Deutschland verkaufen. Gleichzeitig gilt aber natürlich, dass wir die neuen Wettbewerber sehr ernst nehmen und stetig daran arbeiten, Produkte zu entwickeln und anzubieten, die die Verbraucherinnen und Verbraucher ansprechen.

Ob Hersteller oder Zulieferer, Großkonzern oder Mittelständler, in der Automobilbranche stehen hierzulande Werke und zehntausende Arbeitsplätze zur Disposition. Welche Rolle spielt Deutschland künftig noch als Produktionsstandort für die Autoindustrie?

Deutschland ist ein Exportland. In der deutschen Automobilindustrie können etwa 70 Prozent der Arbeitsplätze aufgrund starker Exportzahlen gesichert werden. Wir als deutsche Automobilindustrie, aber auch die Politik, müssen unsere Hausaufgaben machen, damit diese Arbeitsplätze erhalten bleiben, Wohlstand und Beschäftigung gesichert werden. Fakt ist, dass wir auch künftig deutsche Autos bauen werden und das auch in Deutschland tun wollen, dafür aber muss sich etwas tun am Standort.

Welche Impulse erwarten Sie sich von einer neuen Regierung? Was muss besser heute als morgen politisch passieren, damit Deutschland „Autonation“ bleibt?

Das Land braucht nichts Geringeres als einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel verbunden mit einem Mentalitätswandel. Der Koalitionsvertag zeigt: Die Koordinaten werden zunehmend wieder auf wirtschaftspolitische Vernunft gesetzt. Es gibt erste richtige Schritte, gleichzeitig ist es aber auch noch nicht der große Wurf. Entscheidend wird nun die konkrete Umsetzung: Kommen die angekündigten Maßnahmen schnell, einfach und unkompliziert? Es muss jetzt die Maxime gelten: Alles, was Wachstum schafft. Die Probleme sind bekannt und sie gelten nicht nur für die Autoindustrie, sondern für die gesamte Wirtschaft. Hier liegt eine der großen Aufgaben der neuen deutschen Bundesregierung, aber – und das will ich auch ausdrücklich betonen – auch für die Europäische Kommission. Bei allen Herausforderungen blicke ich dennoch positiv in die Zukunft, denn von der Innovationskraft und der Leistungsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie bin ich fest überzeugt. Zu erleben, mit welcher Kraft und Leidenschaft die Unternehmen an der klimaneutralen und digitalen Mobilität der Zukunft arbeiten, begeistert mich jeden Tag aufs Neue.

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