Rot-Grüner Koalitionsvertrag ist ausgehandelt

Der Rot-Grüne Koalitionsvertrag liegt vor. Aus Sicht der GEW stellt er bedauerlicherweise nur einen Schritt vor, jedoch viele zurück dar und ignoriert einige vor der Wahl getroffene Ankündigungen der Parteien.

Bei den schulischen Themen kritisieren wir insbesondere die folgenden Punkte:

Bereits in der Präambel wird deutlich, wie weit die bildungspolitisch Handelnden mittlerweile von den Herausforderungen im Schuldienst entfernt sind. Dort heißt es, dass das „Aussetzen des Präsenzunterrichts […] im Regelfall gut“ gelinge. Dabei werden die Arbeitsbedingungen und die zusätzliche Arbeit der an Schule Beschäftigten außer Acht gelassen. Die Ergebnisse unserer Umfrage widersprechen dieser Einschätzung. „Statt die Belastung der Kolleg*innen anzuerkennen, wird hier eine Behauptung aufgestellt, die mit der schulischen Realität nichts zu tun hat. Leidtragende sind die Beschäftigten“, so Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg.

Darüberhinaus steht die Stadt Hamburg nicht zu ihrer 2011 durch den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz schriftlich garantierten Zusage, die Tarifergebnisse zeit- und wirkungsgleich auf die Besoldung und Versorgung zu übernehmen. Für die damalige Zusage haben die Beamtinnen und Beamten in Hamburg die Kürzung von Sonderzahlungen und weitere strukturelle Einschnitte hinnehmen müssen. „Die Stadt Hamburg begeht ihren Beamtinnen und Beamten gegenüber Wortbruch und macht so die mangelnde Wertschätzung gegenüber der Arbeit u.a. von Lehrkräften und Polizisten sehr deutlich“, kommentiert Bensinger-Stolze.

Der Koalitionsvertrag hält an der bereits angekündigten Erhöhung der Besoldung der Grundschullehrkräfte in drei Stufen von A12 auf A13 bis 01.08.2023 fest. „Das haben wir als GEW lange gefordert und sehen dies als guten Schritt, die Ausbildung und Arbeit der Kolleginnen und Kollegen anzuerkennen. Wir hoffen, dass  es auch dabei bleibt, dass sich diese Erhöhung nicht nur auf die Grundschullehrkräfte bezieht, sondern auch die in anderen Schulformen beschäftigten Lehrkräfte mit der entsprechenden Ausbildung von dieser Erhöhung nicht ausgenommen werden. Um in allen Schulformen erstklassige Lehrkräfte zu haben, ist eine gleiche Eingangsbesoldung wesentlich“, macht Bensinger-Stolze noch einmal deutlich.

Auf das wirklich wichtige Thema, der seit Jahren andauernden Arbeitszeitüberlastung der an Schule Beschäftigten, geht der Koalitionsvertrag nicht ein. „Mit dem Satz der Koalitionäre, dass man am Lehrer*innenarbeitszeitmodell festhalten will, steht zu befürchten, dass die Aufgaben weiter erhöht werden und z.B. die Überarbeitung oder Evaluation der Lehrerarbeitszeitverordnung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Seit 2008 ist durch eine behördenbeauftragte Studie deutlich, dass die Aufgaben zunehmen und die Arbeitszeit nicht angepasst wird. Dass hier keine Umkehr stattfindet, ist eine Missachtung der Arbeit der Lehrkräfte, wie wir sie schon lange nicht erlebt haben“, verurteilt Bensinger-Stolze diesen Teil des Koalitionsvertrages.

Auch der pädagogische Bildungsteil bietet kaum Innovation. Die GRÜNEN haben sich in den letzten Jahren stark für die Inklusion engagiert. In ihrem Wahlprogramm werben sie dafür, dass Kinder und Jugendliche optimal zu fördern sind und man deshalb in der Inklusion eine stärkere Ausrichtung auf Förder- statt Feststellungsdiagnostik brauche. „Nichts davon findet man im Koalitionsvertrag. Schade, hier wird eine Chance vertan, inklusive Schule weiter zu entwickeln“, erläutert Sven Quiring, Inklusionsexperte der GEW Hamburg.

Erschreckend ist, dass bewährte demokratische  Beteiligungsorgane wie die Deputationen, in denen u.a. Interessenverbände wie die Eltern-, die Lehrer- und die Schülerkammer vertreten sind, als „aus der Zeit gefallen“ abgeschafft werden sollen. Statt die Interessenverbände in verbindlichen Beteiligungsformaten einzubinden, soll dieses bewährte Verfahren nun ersetzt werden durch eine simple Veröffentlichung von Referent*innenentwürfen. „Dass diese Abschaffung von Beteiligungsrechten als ‚modern‘ verkauft wird, sagt viel aus über das Demokratieverständnis der Regierungskoalition, die offenbar weniger auf den Diskurs, sondern auf ein Top-down-Durchregieren setzen will. Wer eine solche Haltung vertritt, sollte konsequenterweise auch nicht als sozial und demokratisch auftreten, denn das ist ein Etikettenschwindel“, so Bensinger-Stolze.

Zum Thema Weiterbildung bleibt der Koalitionsvertrag blass. Das Thema wird zwar oft erwähnt und gelobt, so soll es eine Hamburger Weiterbildungsstrategie geben und die Erwachsenenbildung soll an einem Ort gebündelt werden. Was das jedoch heißt, bleibt völlig unkonkret. Enttäuschend wird der Vertrag, weil kein Wort über die skandalösen Arbeitsbedingungen, besonders der Honorarkräfte, in der Weiterbildung fällt, die dringend verbessert werden müssen. „Die GEW erwartet von der Koalition, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften an der Entwicklung einer Weiterbildungsstrategie entscheidend beteiligt werden und dass endlich faire tarifliche Arbeitsverhältnisse für Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung geschaffen werden. Das muss ein Thema im geplanten Bündnis für gute Arbeit sein“, so Dirk Mescher, Weiterbildungsexperte der GEW Hamburg.

Bei den Ausführungen zur Wissenschaft fällt auf, dass die von uns gelobten Punkte aus dem Grünen Wahlprogramm, eine Novellierung des Hochschulgesetzes hin zu mehr Demokratisierung und ein verstärktes Eintreten für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft, überhaupt nicht auftauchen. „Als GEW haben wir mehrfach Vorschläge zur Demokratisierung vorgelegt, die in das Grüne Wahlprogramm kopiert wurden. Dass sie nun in der Versenkung verschwinden,  ist zumindest erklärungsbedürftig. Angekündigt wurde auch, dass eine ‚größere Anzahl von Dauerstellen‘ bei den wissenschaftlich Beschäftigten ermöglicht werden soll. Auch wenn hiervon nun keine Rede mehr ist  erwarten wir, dass die Verstetigung der Bundesmittel im ‚Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken‘ zu deutlich mehr unbefristeten Stellen führt und dass in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen des Senats mit den Hochschulen ein Ausschluss sachgrundloser Befristungen und eine feste Quote an Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre und Forschung festgeschrieben werden“, so Fredrik Dehnerdt, Wissenschaftsexperte der GEW Hamburg.

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