„Demenz – wir müssen reden!“

In den letzten Monaten hat die Corona-Pandemie das Zusammenleben nachhaltig verändert. Die Situation der Demenzerkrankten ist dabei in den Hintergrund gerückt. Auf Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, aber auch auf die sie betreuenden Ärzte, Pfleger und Therapeuten zu Hause und in den Heimen haben die Pandemie und die damit verbundenen Vorsichtsmaßnahmen besonders gravierende Auswirkungen und auch die Forschung ist beeinträchtigt.

Seit 1994 findet jeweils am 21. September der Welt-Alzheimertag statt, der von der Dachorganisation Alzheimer’s Disease International mit Unterstützung der WHO initiiert wurde, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen zu richten. Das gemeinsame Motto zum Welt-Alzheimertag und zur Woche der Demenz (21. bis 27. September 2020) lautet in diesem Jahr: Demenz – wir müssen reden!

Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen benötigen in Corona-Zeiten mehr Unterstützung und Kontaktmöglichkeiten 

Aufgrund der Corona-Pandemie sind soziale Kontakte nach wie vor eingeschränkt. Dies betrifft insbesondere Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, zu denen auch Menschen mit Demenz und oftmals ihre Angehörigen gehören. Dabei haben sie besonders unter der Pandemie gelitten. Viele Unterstützungsmöglichkeiten sind von einem auf den anderen Tag weggebrochen, zum Beispiel Tagespflegen und andere Betreuungsangebote. Demenzerkrankte, die in Heimen leben, waren in vielen Fällen von ihren Angehörigen getrennt. Bis heute sind die Kontaktmöglichkeiten teilweise sehr beschränkt. Die Beraterinnen am Alzheimer-Telefon haben in diesen Monaten viele Anrufe erhalten und großes Leid zu hören bekommen. „Darüber muss man reden“, so Monika Kaus, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG). „Sollte eine neue Welle kommen, müssen wir dafür sorgen, dass diesmal Besuche auch in Corona-Zeiten möglich sind und nicht fundamentale Menschenrechte ohne Prüfung des Einzelfalls eingeschränkt werden.“

Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Die Nationale Demenzstrategie wurde am 1. Juli 2020 vom Bundeskabinett verabschiedet und in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt. In einer Kooperation der deutschsprachigen Alzheimer-Gesellschaften wurde ein neuer Sprachleitfaden zur Demenz erarbeitet und heute veröffentlicht. Der Leit-faden ist unter Mitarbeit von Menschen mit Demenz aus mehreren deutschsprachigen Ländern entstanden. Er soll für mehr Sensibilität in der Sprache werben, und damit der Stigmatisierung von Demenz entgegenwirken. „Corona hat vorübergehend vieles verdrängt, doch Demenzerkrankungen mit aktuell etwa 1,6 Millionen Betroffenen bleiben nach wie vor ein drängendes Thema und wir brauchen auch im Alltag mehr Verständnis für die Belange von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen“, so Kaus.

Alterspsychiater fordern mehr Personal und Tests für die Heime

„Der sichere Normalbetrieb unter Beachtung der Hygieneregeln des RKI mit ausreichen-dem Personal ist für die Menschen in den Heimen jetzt essentiell. Es kann nicht darum gehen, alle Heime zu schließen und die alten Menschen weiter in eine krankmachende Isolation zu bringen. Unter Einhaltung der Hygieneregeln sollten zumindest für engste Familien-angehörige Besuchsmöglichkeiten möglich gemacht werden “, so Prof. Michael Rapp, Präsident der deutschen Alterspsychiater DGGPP. 

“Gerade auch die Pflege muss in diesen Zeiten personell und strukturell unterstützt werden, auch was Hygienematerialen und Testkapazitäten angeht. Vor diesem Hintergrund sollten auch Therapeuten und Ärzte weiter in die Heime kommen können – unter geeignetem Schutz für die Bewohner“. 

"Die Botschaft in Zeiten von Corona ist klar: Alte Menschen sind besonders gefährdet und müssen besonders geschützt werden, damit sie sich nicht anstecken. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, das von der Mehrheit der Menschen in unserem Land unterstützt wird. Doch alten Menschen jetzt dauerhaft Therapien, Therapeuten- und Angehörigenkontakte zu verbieten, verschlechtert deren Lebensqualität und verstärkt Einsamkeit. Gerade therapeutisch-rehabilitative Ansätze in der stationären und ambulanten Altenhilfe können und müssen weiter aufrechterhalten werden."

Forschung muss intensiviert werden

"Die Corona-Pandemie mit ihren vielfältigen Auswirkungen hat auch massiv die Alzheimer-forschung beeinträchtigt", so Prof. Isabella Heuser, Berlin, Vorsitzende der Hirnliga e.V., der Vereinigung der deutschen Alzheimer-Forscher." So mussten  klinische Untersuchungen von  Studienpatienten  pausiert werden, Forschungsprojekte konnten nicht begonnen werden und der Ambulanzbetrieb musste massiv heruntergefahren werden.

"Hoffnung macht es zu sehen, dass jetzt viele Ressourcen in die Entwicklung einer Corona-Impfung gegeben werden. Dies wünschen wir uns auch für die Alzheimer-Forschung, denn die Krankheit belastet nicht nur viele Menschen, sondern auch unsere sozialen Sicherungssysteme." 

In unserem Land gibt es immer mehr ältere Menschen und immer weniger jüngere Menschen. Während heute drei Erwerbstätige für einen Rentner arbeiten müssen, wird 2060 das Verhältnis etwa 1:1 sein. Gleichzeitig verdoppelt sich bis dahin die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen. Es ist noch völlig unklar, wie diese Situation ohne eine wirksame Alzheimer-Therapie bewältigt werden kann.

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