Seit 2008, dem Jahr der Finanzkrise, sind damit die Geburtenzahlen in Italien um fast ein Drittel zurückgegangen. Ein Grund dafür sind die niedrigen Geburtenraten seit den 1980er Jahren. Damit fehlen seit einer Generation schon die Mädchen, die heute überhaupt Mütter werden könnten. Der andere Grund ist der Rückgang der Geburtenrate von 1,45 Kindern (2008) auf 1,29 Kinder pro Frau (2018). Ähnlich ist die Lage in Spanien: Hier ging die absolute Geburtenzahl seit 2008 um mehr als ein Viertel zurück. Auch hier fiel die Geburtenrate weiter von 1,45 auf 1,26 Kinder pro Frau (4). Die Zukunftsaussichten sind ähnlich düster.
Im Gegensatz zum Süden Europas schien die soziale Lage im Nordwesten lange Zeit günstiger zu sein, wirtschaftlich dynamischer und mit relativ hohen Geburtenzahlen. Aber in den letzten Jahren ging es auch hier abwärts. So gingen in Großbritannien die Geburtenzahlen deutlich zurück (seit 2011 um mehr als ein Zehntel) (5). Noch negativer entwickelt sich Irland, das lange Zeit die höchsten Geburtenraten in der Europäischen Union hatte. Säkularisierung und Individualisierung des einst tiefkatholischen Landes haben soziale Folgen, die sich in stark gesunkenen Geburtenraten zeigen. Selbst in Frankreich und den skandinavischen Ländern, die über viele Jahre in Deutschland als Vorbilder für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von gesellschaftlicher Modernisierung und demografischer „Nachhaltigkeit“ galten, fallen die Geburtenziffern (6).
Dagegen sind die niedrigen Geburtenraten in Deutschland zwischen 2013 und 2016 etwas angestiegen und seitdem nur leicht zurückgegangen. Dafür war die seinerzeitige Massenzuwanderung ein wesentlicher Faktor. In der Folge der Immigration sind die Geburtenraten von Ausländerinnen auf über 2 Kinder pro Frau gestiegen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Zuwanderinnen oft kurz nach ihrer Immigration hohe Geburtenraten aufweisen. In manchen Fällen erfolgt die Immigration von vornherein zum Zweck der Familiengründung; in anderen Fällen wollen Frauen bzw. Paare ihren Aufenthalt verfestigen (z. B. durch Schutz vor Abschiebung etc.). Im letzten Jahr waren die Geburtenzahlen der Ausländerinnen schon wieder rückläufig, der vermeintliche „Geburtenboom“ verebbte also schon wieder (7). Auch bei den deutschen Frauen gab es seit 2011 eine gewisse positive Tendenz, vor allem bei den Frauen zwischen 30-37 Jahren zu mehr Geburten. Die relativ günstige Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage erleichterte es jungen Paaren, ihre Kinderwünsche zu realisieren. Aber das ist nun vorbei, denn der Corona-Einbruch ist, wie die jüngsten Wirtschaftsdaten bestätigen, ungleich härter als die Dotcom- oder die Finanzkrise.
Wie schon bei diesen Krisen zuvor sind auch in der Corona-Krise wieder die USA der zentrale Brennpunkt. Nach der Finanzkrise hatten sich die Vereinigten Staaten wirtschaftlich und gesellschaftlich nie wirklich erholt. Von den Wachstumsphasen und dem Finanzmarktboom konnten viele kaum profitieren. Die Prekarisierung breiterer Schichten tritt zutage u. a. in der Drogen- bzw. Opioidkrise, erschreckend hohen Selbstmordraten und einer auffallend schlechten Entwicklung der Lebenserwartung, die in den letzten Jahren sogar zurückging (8).
In der Corona-Krise schlagen die Defizite der Gesundheitsversorgung zudem jetzt brutal durch. Viele Arbeitslose stehen ganz ohne Krankenversicherung da. Die Prekarisierung wird absehbar auch Folgen für die Fertilität haben, denn natürlich erschwert sie die Entscheidung vieler Paare für Kinder. Dabei hatten die USA, noch vor Frankreich, lange Zeit die höchsten Geburtenraten in der westlichen Welt. Aber seit der Finanzkrise sind sie deutlich gesunken und haben zuletzt historische Tiefstände erreicht (1,7 in 2017) (9). All das wird das Konsumverhalten und die wirtschaftliche Krise verschärfen. Dem Westen stehen schwere Zeiten bevor.
(1) Siehe hierzu: https://www.bbc.com/news/health-53592881; https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Weekly_death_statistics#Dramatic_rise_in_deaths_in_early_spring.
(2) https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/11156779/2-31072020-BP-DE.pdf/6c38570f-c879-048b-5e24-578b851b8d70; https://www.nzz.ch/wirtschaft/corona-beispielloser-einbruch-der-wirtschaft-in-grossbritannien-ld.1560988?reduced=true.
(4) Siehe hierzu Abbildungen „Geburten in großen Ländern Europas“/„Geburtenraten in Europa seit 2008“.
(5) Siehe ebenda.
(6) Siehe hierzu Abbildung „Negative Geburtentrends in Europa“, sowie: https://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2019/10/14/artikel/geburtenraten-in-europa-entscheidend-sind-wirtschaftliche-stabilitaet-und-kulturelle-selbstbehauptu.html.
(7) Bei den Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit war 2019 die Geburtenziffer mit 1,43 Kindern je Frau nur geringfügig niedriger als 2018 (1,45 Kinder je Frau). Bei den Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sank sie deutlicher (allerdings auf wesentlich höherem Niveau) von 2,12 auf 2,06 Kinder je Frau: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/07/PD20_282_122.html.
(8) https://www.aerzteblatt.de/blog/108208/Sinkende-Lebenserwartung-in-den-USA; https://www.aerzteblatt.de/….
Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.
Neckarstr. 13
53757 Sankt Augustin
Telefon: +49 (160) 95791098
http://www.i-daf.org
Geschäftsführer
E-Mail: juergen@liminski.de