Technikwandel und Volksparteien

Wer sich heute nüchtern und fernab von Marketing-Parolen mit den strukturellen Problemen der digitalen Transformationen von Unternehmen und Arbeitswelten befasst, wird bei seriöser Erörterung schnell zu dem Schluss kommen, dass nicht unwesentliche Teile heutiger Hemmnisse auf unzureichendes politisches Handeln in den achtziger und neunziger Jahren zurückzuführen sind. Die heutigen Missstände auf den Gebieten der digitalen Infrastrukturen, der Internet Governance und der digitalen Industriepolitiken haben ihre Ursachen vor allem im Nicht-Handeln zurückliegender Politik-Generationen.

Die mehrfachen parteipolitischen Blockaden auf Landes- und Bundesebene in der Telekommunikations-, Technologie- und Industriepolitik des letzten Jahrhunderts sind für wirt-schaftliche Standortverluste, industrielle Abwanderungen und Fehlinvestitionen wesentlich mitverantwortlich. Dieter Klumpps akribische Aufarbeitung analysiert die in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren geführten Kontroversen um die erkennbaren Strategiebildungen in den beiden großen bundesdeutschen Volksparteien SPD und CDU zur Technologiepolitik. 

Dieter Klumpps Buch fasst die Technologiepolitik des letzten Jahrhunderts in drei Phasen: 1972-1978 und 1978-1981 sowie 1981-1987. In diesen Zeitfenstern zerlegt er die parteiprogrammatischen und parteipolitischen Schritte von SPD und CDU/CSU. Sein Blick sucht zwischen Investitionslenkung, Medienpolitik und Privatisierung die Lernpotenziale damaliger deutlicher Politikfehler,, deren Auswirkungen noch heute die digitale Transformation behindern. 

„Das (auf den ersten Blick) simple und nach-vollziehbare Ziel, die technische Kommunikationsinfrastruktur eines führenden Industrielandes wie der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft rational zu gestalten, entpuppt sich als eine der komplexesten Aufgaben, die sich eine Gesellschaft stellen kann und der sie sich wohl stellen muß. […] Die Politiker wissen nicht so recht, ob sie etwas gestaltet oder nur technische Entwicklungen nachvollzogen haben, die Wirtschaftsvertreter sehen die Zu-sammenhänge zwischen einer langfristigen öffentlichen Diskussion und dem kurzfristigen Jahresabschluß des Unternehmens nur widerwillig und viele Wissenschaftler, die sich durch aktives Mittun im Kombattantenstatus wähnen, sind betroffen, wenn sie erfahren, daß auch konstruktiv zu nennende Ansätze ausgerechnet bei den Handelnden in der Wirtschaft und Politik keine Beachtung fanden.“ (Dieter Klumpp) 

Dieter Klumpp: Technikwandel und Volksparteien. Technologiepolitische Strategien von SPD und CDU für Kommunikationssysteme vor der Jahrtausendwende. Talheimer Verlag, Mössingen 2020, 736 Seiten, Preis 39,00 Euro, ISBN 978-3-89376-188-3. 

 

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