Analyse: Mehr als die Hälfte der Neubesetzungen von Vorstandvorsitzen 2020 unplanmäßig

Von den 160 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands haben 23 im vergangenen Jahr den Vorstandsvorsitz neu besetzt, also etwa jedes sechste. In 13 Fällen erfolgte der Wechsel ungeplant. Dies geht aus einer aktuellen Analyse im Rahmen des „Faktencheck Vorstandsstrukturen“ der Managementberatung Horváth & Partners hervor. Mit Petra von Strombeck als neue Vorstandsvorsitzende des XING-Mutterkonzerns New Work SE war 2020 zudem nur eine Frau unter den CEO-Neubestellungen. Untersucht wurden die Hintergründe der Führungswechsel in den Top-Führungsetagen aller DAX, MDAX, SDAX und TecDAX Unternehmen.

In mehr als der Hälfte der Unternehmen, die 2020 ihren Vorstandsvorsitz neu besetzten, erfolgte dies ungeplant. Der mit Abstand häufigste Grund dafür waren Differenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstandsvorsitzenden (acht Fälle). Bei drei Unternehmen hatte der vorzeitige Wechsel gesundheitliche Hintergründe, bei zwei Unternehmen erfolgte die Neubestellung aufgrund eines Unternehmenszusammenschlusses.

„Ungeplante Vorstandswechsel erhalten in den Medien große Aufmerksamkeit. Ist die Trennung inhaltlich motiviert, kann dies zu einer negativen öffentlichen Wahrnehmung des Unternehmens führen, weil beispielweise Unklarheiten über die strategische Ausrichtung vermutet werden“, sagt Dr. Oliver Greiner, Studienleiter und Partner bei Horváth. Anhaltende größere Unstimmigkeiten zwischen CEO und Aufsichtsrat könnten einem Unternehmen je nach Ausmaß jedoch ebenfalls schaden. „Ein Wechsel eröffnet in diesen Fällen neue Wege“, so der Experte für Unternehmensstrategie und Transformation.

Kontinuität oder Perspektive von außen
Die 2020 erfolgten Neubesetzungen auf der CEO-Position nutzten fast die Hälfte der betroffenen Aufsichtsgremien, um eine neue Perspektive von außen zu holen. So bestellten sie in elf Fällen eine Person, die nicht im eigenen Haus beschäftigt war. Dies war beispielsweise bei den Firmen Brenntag, Hornbach oder Südzucker der Fall. Auf Kontinuität und interne Kompetenz setzten zwölf der Unternehmen, unter anderem Continental, Heidelberg Cement oder der Konsumgüterhersteller Henkel.

„Bei der Frage, ob der Vorstandsvorsitz mit Externen oder Eigengewächsen besetzt wird, sollte neben der fachlichen Eignung und Akzeptanz der internen Kandidaten und Kandidatinnen auch die Veränderungsdynamik der Branche ausreichend berücksichtigt werden“, so Greiner. „Wenn grundlegende Veränderungen und frische Impulse für die aktuellen Herausforderungen relevant sind, sollte im Sinne der nötigen Transformation eine externe Neubesetzung präferiert werden.“

CFO häufig Vorgängerfunktion
Rund zwei Drittel der 2020 neu bestellten Vorstandsvorsitzenden hatten zuvor bereits die Gesamt- oder Teilverantwortung für ein Unternehmen inne, als CEO, Co-CEO oder Bereichs- beziehungsweise Regionalvorstand. In sieben der 23 Fälle erfolgte der Aufstieg aus einer funktionalen Verantwortung, davon fünfmal aus der Position des Chief Financial Officers  (CFO), etwa Carsten Knobel bei Henkel, und zweimal aus der Position des Chief Operation Officers (COO), beispielsweise Michael Eberhardt bei SNP Schneider.

Das durchschnittliche Alter der neubestellten Vorstandsvorsitzenden lag bei 53 Jahren, der jüngste neue Vorstandsvorsitzende ist mit 36 Jahren der Co-CEO des Immobilienunternehmens Ado Properties (Adler Group), Maximilian Rienecker.

Weiterhin wenig Frauen als Vorstandsvorsitzende
Wie in den Vorjahren war auch 2020 nur eine Frau unter den Neubestellungen, Petra von Strombeck als neue Vorstandsvorsitzende des XING-Mutterkonzerns New Work SE. Insgesamt werden aktuell gerade mal sieben der 160 DAX-Unternehmen von einer Frau geführt, also lediglich vier Prozent. Über alle CxO-Positionen hinweg liegt der Anteil an weiblichen Vorständen bei elf Prozent.

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