Genau wie zuvor mehrere Landgerichte und das OLG Osnabrück schloss sich dieser Meinung auch das OLG Stuttgart an (Aktenzeichen 10 U 339/20). Allerdings hat die Verjährung nach Ansicht der Stuttgarter Richter nicht den von VW gewünschten Effekt: Die Kanzlei Klamert & Partner, mit der Rechtecheck zusammenarbeitet, berief sich in der Verhandlung nämlich auf § 852 BGB. Der besagt vereinfacht, dass bei einer unerlaubten Handlung der Schädiger seine ungerechtfertigte Bereicherung auch nach der Verjährung nicht einfach behalten darf. Strittig war dabei insbesondere, wie hoch diese Bereicherung anzusetzen ist. Die Stuttgarter Richter folgten dabei der Argumentation der Kläger. „Die Bereicherung ist nicht etwa der Gewinn, der Deckungsbeitrag oder die Einsparung durch kleinere AdBlue-Tanks, sondern der Kaufpreis, den der Hersteller vom Händler bekommen hat.“ sagt Markus Klamert, dessen Kanzlei den Kläger vertreten hat. Vom Endkunden-Preis muss daher nur die Händler-Marge abgezogen werden, die etwa 15 % des Kaufpreises ausmachen dürfte.
Der Kaufpreis, den Volkswagen erhalten hat, stellt dabei eine Obergrenze für die Ansprüche des Kunden dar. Liegt die ursprüngliche Schadensersatzforderung darunter, kann man also weiter die volle Entschädigung fordern, selbst wenn sie schon verjährt wäre. Setzt sich die Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Stuttgart und Osnabrück durch, dürfte die dreijährige Regel-Verjährung beim VW-Abgasskandal in der Praxis kaum noch eine Rolle spielen. Immerhin haben die Richter die Bereicherung von VW mit ca. 85 % des Kaufpreises sehr hoch angesetzt. Im konkreten Fall bekommt der Kläger für die Rückgabe seines VW Polo knapp 15.000 € zurück. Dazu kommen noch Zinsen und die außergerichtlichen Anwaltskosten. Das Auto hatte 2012 neu 20.500 € gekostet.
Die Ansprüche nach § 852 BGB verjähren erst 10 Jahre nach dem Kauf. Daher dürfte die Entscheidung des OLG Stuttgart für viele Fälle Bedeutung haben. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen ein VW-Modell mit einem VW-Motor neu gekauft wurde. Für Gebrauchtwagen oder Audi-Modelle mit VW-Motor müsste man nach einem aktuellen BGH-Urteil dagegen zunächst Audi Vorsatz nachweisen.
Das Urteil kann hier nachgelesen werden: https://rechtecheck.de/wp-content/uploads/urteil-olg-stuttgart-restschadensersatz-10-u-339-20.pdf
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