Langfristige Inflationsrisiken: Demografie und De-Globalisierung

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» Die zu erwartende demografische Entwicklung auf globaler Ebene könnte dem Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktlage und Inflation mittel- bis langfristig zu einem Revival verhelfen.
» De-Globalisierungstendenzen bergen ein zusätzliches Risiko für stärker steigende Verbraucherpreise auf längere Sicht.
» Allerdings dürfte es auch Wege geben, einem höheren Inflationsdruck entgegenzuwirken.

Im laufenden Jahr nimmt die Teuerung in den USA und im Euro-Raum aufgrund von Sonderfaktoren deutlich zu. Die stärkeren Inflationsraten 2021 sind aber eher als Ausreißer zu sehen. Schon 2022 dürfte der Preisdruck wieder nachgeben. Mit Blick auf die voraussichtliche demografische Entwicklung auf globaler Ebene und die internationale Handelspolitik gibt es aber die Sorge, dass sich die Inflationsraten in den USA und in der EWU permanent auf höherem Niveau als in den letzten Jahren festsetzen könnten. Die Alterung der Weltbevölkerung könnte dem schon fast verloren geglaubten Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktlage und Inflation zu einem Revival verhelfen. Staatliche Mehrausgaben für die Finanzierung der Renten sind eine weitere mögliche Antriebskraft für den Preisdruck.

Zudem könnten eine Neuausrichtung der globalen Wertschöpfungsketten oder eine generelle Tendenz zur „De-Globalisierung“ die Güterströme verändern und dadurch die Verbraucherpreise erhöhen. Schon vor Corona wies etwa der Handelsstreit zwischen Washington und Peking auf eine teilweise Abkehr vom liberalen Welthandelsgedanken hin. Zeitweise Lieferengpässe bei wichtigen medizinischen Gütern während der Pandemie haben den Ruf nach mehr nationaler Produktion gestärkt. Diese wäre wohl deutlich teurer. Allerdings dürfte es nur bei wenigen Gütern tatsächlich zu einer Renationalisierung der Produktion in die Industriestaaten kommen. Der Globalisierungsdruck hat zwar abgenommen, eine völlige Abkehr vom liberalen Welthandelssystem ist aber nicht zu erwarten.

Insgesamt sprechen die zu erwartende globale demografische Entwicklung und die De-Globalisierungstendenzen zwar für stärker steigende Inflationsraten – allerdings nur auf lange Sicht. Mögliche Fortschritte bei der Automatisierung von Arbeitsschritten, die stärkere Nutzung von Produktionspotenzialen in Afrika oder asiatischen Staaten wie Indien sowie letztlich Anpassungen der Rentensysteme in den Industriestaaten bieten aber auch die Chance, stärker steigenden Inflationsraten entgegenzuwirken.

Inflationsgefahren lauern auch in langfristigen strukturellen Trends

Die Inflation hat sich im vergangenen Jahr durch den Ausbruch der Corona-Pandemie sowohl im Euro-Raum als auch in den USA deutlich abgeschwächt. In den letzten Monaten zogen die Inflationsraten aber wieder erkennbar an und bis zum Sommer stehen weitere Anstiege bevor. Für das Gesamtjahr 2021 rechnen wir in den USA mit einem Anstieg der Verbraucherpreise von durchschnittlich 2,8% und von 1,8% im Euro-Raum. Dafür sind vor allem Sonderfaktoren und Nachholeffekte verantwortlich. Die höheren Teuerungsraten im laufenden Jahr sind daher eher als Ausreißer zu sehen. Schon 2022 dürfte der Preisdruck wieder nachgeben.

Mit Blick auf die mittlere Sicht gibt es aber zunehmend die Sorge, dass sich die Inflationsraten in den USA und der EWU permanent auf höherem Niveau als in den letzten Jahren festsetzen. Wo lauern die Gefahren hierfür? Wir sehen die Risiken für eine dauerhaft höhere Inflation zum einen in einer anhaltenden Kombination aus expansiver Geld- und Fiskalpolitik, wie wir sie in unserer Studie vom 28.04.2021 (Konjunktur, Langfristige Inflationsrisiken: Expansive Geld- und Fiskalpolitik) beschrieben haben. Zum anderen drohen aber auch die demografische Entwicklung auf globaler Ebene und De-Globalisierungstendenzen im internationalen Handel einen höheren Preisauftrieb auf lange Sicht zu verursachen. Darauf gehen wir im Folgenden näher ein.

Hat die Arbeitsmarktentwicklung noch Einfluss auf die Inflation?

Nach traditioneller Lesart besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation. Höhere Arbeitslosigkeit geht demnach mit niedrigen Inflationsraten einher und umgekehrt. Denn bei schwacher Konjunkturlage oder in Rezessionsphasen, also bei unterausgelasteten Kapazitäten und erhöhter Arbeitslosigkeit, befindet sich die Arbeitnehmerseite bei Tarifverhandlungen in einer vergleichsweise schlechten Position. Die Lohnsteigerungen fallen daher geringer aus. Umgekehrt sollte es sich in Boom-Phasen verhalten, wenn Arbeits- und Fachkräfte knapp sind. Ein leergefegter Arbeitsmarkt stärkt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer wesentlich. Können höhere Lohnforderungen durchgesetzt werden, regt dies die Konsumnachfrage an. Gleichzeitig bedeuten höhere Löhne auch höhere Kosten für die Unternehmen. Beides sind gute Gründe für Unternehmen, die Preise zu erhöhen.

Die Inflationsraten sollten bei geringer Arbeitslosigkeit daher höher ausfallen. Die Daten für den Euro-Raum und die USA zeigen jedoch, dass sich seit Beginn der 2000er Jahre der durch die Phillips-Kurve beschriebene theoretische Zusammenhang in der Realität allenfalls in schwacher Form wiederfindet. Es gibt mehrere Erklärungen dafür, dass selbst bei einer hohen Beschäftigung der Lohndruck ausgeblieben ist. Dazu zählen der technische Fortschritt und der stärkere Einsatz von Robotern in der Arbeitswelt, gerade im verarbeitenden Gewerbe. Zudem ist die Verhandlungsmacht der Arbeitsnehmerseite in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken, weil der Organisationsgrad der Gewerkschaften im Vergleich zu den 1960er und 1970er Jahren spürbar zurückgegangen ist.

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