Status quo und Zukunft von OAC, ein Interview mit OAC Founder & CEO Petra Thaller

Outdoor against Cancer OAC entstand, weil Petra Thaller selbst 2015 die Diagnose Brustkrebs hatte. Bereits damals, noch während ihrer eigenen Krebserkrankung gründete sie OAC und verfolgte damit die Vision von einem internationalen Outdoor-Bewegungsnetzwerk als Primär-, Sekundär,- und Tertiärprävention vor Krebserkrankungen. Was ist aus dieser Vision geworden – eine Bestandsaufnahme von einer Frau, die es einfach nicht lassen kann voranzuschreiten. Ein Gespräch über Status Quo und Zukunft von OAC in Europa und darüber hinaus.  

1. Beschreiben Sie mit wenigen Worten die Haupt-Ziele von OAC. 

OAC ist die europaweite Dachorganisation für Outdoor Bewegung- und Sportangebote für KrebspatientInnen, deren Familien und Freunde. Dank der OAC online Zertifizierung (60 Fortbildungspunkte für Ärzte, zertifiziert durch die Bayerische Landesärztekammer) können sich alle am Gesundheitswesen beteiligten Berufsgruppen im Bereich Bewegung, Sport und Krebs fortbilden.  Europaweite digitale Vernetzung von Angeboten für unsere Zielgruppe steht im Fokus unserer aktuellen Arbeit, deren Schwerpunkt nachhaltiges, zeitgemäßes, visionäres und wissenschaftlich fundiertes Denken und Handeln  ist. Nicht zu vergessen sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Lebens. All diese Haupt-Ziele sind in der DNA von OAC verankert.

2. Welche Vision verfolgt OAC?  

Vorhandenes, wissenschaftlich fundiertes Wissen zum Thema Bewegung, Sport und Krebs unter einem Dach bündeln und in Angebote für KrebspatientInnen, deren Familien und Freunde. Um europaweit und darüber hinaus einen gleichen Standard garantieren zu können, wird unsere OAC online Zertifizierung internationalisiert. Damit sichern wir einen einheitlichen, hochwertigen und wissenschaftlich fundierten Standard. Wer mit einem OAC Certified Instructor trainiert, kann auch sicher sein, dass dieses Outdoor Bewegungs- und Sportangebot perfekt für KrebspatientInnen zugeschnitten ist und der anleitende OAC Certified Instructor auf ein umfängliches Wissen in Bezug auf Bewegung, Sport und Krebs zurückgreifen kann.  

3. Sie hatten einmal gesagt: „Wenn ich schon früher gewusst hätte, wie wichtig Bewegung und Sport im Kampf gegen Krebs ist, hätte ich schon früher Krebs bekommen.“ Was genau meinen Sie damit?

Outdoor Aktivitäten und Bewegung in der Natur waren von jeher ein wichtiger Bestandteil meiner persönlichen sportlichen Geschichte. Während der eigenen Krebstherapie habe ich erlebt, dass ein physisch und psychisch fitter und stabiler Menschen, deutlich mehr ‚aushalten’ und auch während der Therapie leisten kann. So war der erste Schritt OAC zu gründen bereits während meiner eigenen Therapie getan. Die Idee ist auf Skitour während meiner eigenen Krebserkrankung entstanden. Mit Chemo im Körper und neuen Ideen im Kopf. Ich war mit einem Freund im Winter am Berg unterwegs und stellte mir die Frage, warum das andere Menschen nicht machen: rausgehen während der Chemotherapie, auf andere Gedanken kommen, das Leben genießen, gesund werden und gesund bleiben.Den Begriff Outdoor nehmen wir allerdings wörtlich – draußen vor der eigenen Türe, in der bestenfalls in der nahegelegenen Natur – also auch in den Grünen Inseln der Großstadt. 

4. Es gibt beinahe keine chronische Krankheit, der man nicht mit Outdoor Sport begegnen kann, warum ist das in der Gesellschaft noch nicht angekommen? 

Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Unter Umständen, weil wir Menschen faul sind und immer oder meistens den leichten Weg im Leben gehen. Sitzen ist leichter als laufen, Auto fahren leichter als Rad fahren, konsumieren leichter als engagieren, Verantwortung abgeben leichter als Verantwortung übernehmen. Und mal ehrlich, es gehört eine Menge Disziplin dazu, sich regelmäßig sportlich zu betätigen. Die Pandemie hat uns zuletzt gezeigt, dass Outdoor Sport und Bewegung für Menschen absolut passend ist. Schaut man sich die Strava-Statistik von 2020 an luden im vergangenen Jahr weltweit 73 Mio. SportlerInnen ihre Workouts auf die Strava-Plattform, wobei jeden Monat rund zwei Mio. neue Strava Nutzer dazu kamen. Die Weltbevölkerung zählt 7,8 Milliarden Menschen. D. h. 10% der Weltbevölkerung tummeln sich auf Strava, das sind Menschen, die Sport- und Bewegung im Blut haben und sich zu dieser Community zugehörig fühlen oder fühlen möchten. Die Probleme liegen auf der Hand und lauten Motivation und Eigenverantwortung. In Deutschland sind wir gewohnt alles frei Haus geliefert zu bekommen. Haben wir ein gesundheitliches Problem, geben wir auch häufig die Verantwortung ab. Wobei es unabdingbar ist sich dem Thema der Eigenverantwortung zu stellen. Denn, PatientInnen können therapiebegleitend durchaus eigenverantwortlich handeln. So ist OAC Outdoor Sport und Bewegung als eigenverantwortliche Aktivität zu sehen. Dies entlastet das Gesundheitssystem finanziell und stärkt den einzelnen. Natürlich ist die medizinische Therapie immer vorrangig, um hier keinen falschen Eindruck zu hinterlassen, aber eigenverantwortliches Handeln, nicht nur in Bezug auf Outdoor Sport und Bewegung, sondern auch in Bezug auf komplementärmedizinische Therapie, Ernährung und Psycho Edukation spielen eine tragende Rolle im Rahmen einer erfolgreichen Therapie. Dies alles resultiert in höherer Lebensqualität, egal wie lange das Leben noch dauert. 

5. Was genau geschieht aktuell bei OAC?

Wir arbeiten an einem europaweiten Outdoor Bewegungs- und Sportnetzwerk. OAC-Ziele sind: 

  • Kostenlose Online Sport- und Bewegungsangebote (u.a. Mobilisiation, Kräftigung, Psycho Education und Info, Talk & Facts) für KrebspatientInnen, deren Familien und Freunde – aktuell sind diese in vier verschiedenen Sprachen und zum kostenlosen Download verfügbar. 
  • Wir bieten unserer Online OAC Zertifizierung in Deutsch und Englisch an und arbeiten an Angeboten in weiteren Sprachen
  • Zu Beginn des 3. Quartals 2021 gehen wir mit zwei weiteren digitalen Produkten an den Start, die es in dieser Art für Menschen mit Krebs, deren Freunde und Familie noch nie gab. 

 6. Sie betonen immer KrebspatientInnen, Familien und Freunde, warum?

Um den Heilungsprozess zu unterstützen, ist ein gut funktionierendes privates Netzwerk – neben dem medizinischen Setting – äußerst hilfreich. Deshalb sind all unsere Angebote immer auch für das Familien- und Freunde Umfeld geöffnet. Reha- und Präventionsmaßnahmen, welche von den Krankenkassen getragen werden, sind verständlicherweise ‚nur‘ für Erkrankte. Hier kommt OAC ins Spiel und wieder einmal die Eigenverantwortung. Krebs ist nicht nur die Krankheit der Betroffenen, sondern erstreckt sich auf das familiäre Umfeld und die Freunde. Diese können nicht nur unterstützend wirken, sondern auch etwas für die eigenen Gesundheit tun.  

7. Wie schaffen Sie OAC in der Europäischen Union und darüber hinaus zu verankern?

Unsere Arbeit im Rahmen der durch die Europäische Union geförderten Projekte ist natürlich sehr hilfreich. Nehmen wir unseren ersten EU-Projekt OAC: my goal. Hier war im Rahmen der Collaborative Partnership immer OAC die Triebfeder des Geschehens und wir nutzen die wissenschaftlichen Erkenntnisse und führen diese nachhaltig fort. Das ist Sinn und Zweck des EU-Fördergedankens. So haben wir Partner in unterschiedlichen Ländern und schreiten von dieser Basis aus weiter. Für 2022 ist OAC Partner in weiteren fünf EU-Förderanträgen in welchen das bereits erarbeitete Knowhow Anwendung findet und weiter vorangetrieben wird, um Outdoor Bewegungs- und Sportangebote in Bezug auf Primär-, Sekundär,- und Tertiär-Prävention auch in anderen Europäischen Ländern zu verankern. So können sich alle am Gesundheitswesen beteiligten Berufsgruppen entsprechend fortbilden. Eines unserer höchsten Ziele ist es aktiv an der Umsetzung des Europe’s Beating Cancer Plan mitzuwirken.

 8. Der zentrale Ansatzpunkt von OAC ist das Thema der Krebsprävention durch Sport und Bewegung Outdoor. Wie schaffen Sie persönlich es dies in Ihr Leben in der Stadt zu integrieren?

In dem auch ich meinen inneren Schweinehund jeden Tag aufs Neue überlisten muss. Nachdem meine Arbeit sehr zeitintensiv ist, stehe ich immer zur gleichen Zeit auf, mache ich meistens gleich am Morgen Sport, je nach Wetter und persönlicher Tagesvorliebe draußen oder auch drinnen. In Bezug auf Bewegung und Ernährung verfolge ich einen stringenten Plan, der mir aber auch sehr viel Spaß macht. Ich finde es einfach toll, wenn ich fit bin und weiß, dass ich damit alles dafür mache gesund zu bleiben. Das verstehe ich auch unter Eigenverantwortung. Viele Freunde behaupten ich arbeite zu viel, sei ein Workaholic. Das stimmt aber so nicht. Wenn Arbeit Spaß macht und zudem auch noch sinnstiftend ist, der Plan von Anspannung und Entspannung stimmt, kann man ruhig mal auch mehr arbeiten, ohne dabei gestresst zu sein. Kommt der Stress, nehme ich mich zurück, das passiert glücklicherweise selten.  

9. Stichwort: Tägliche Routine? Welche Tipps können Sie den LeserInnen aus Ihrer persönlichen Erfahrung als ehemalige Krebspatientin geben? 

Der richtige Weg ist immer der Weg der kleinen Schritte und das Überwinden von Krisen. Niemand hat jemals gesagt, dass die Veränderung des Lebensstils von einem inaktiven hin zu einem Leben in Bewegung leicht ist. Mit unseren innovativen digitalen Angeboten wird der Weg in ein bewegtes Leben in Zukunft allerdings deutlich leichter und bereitet auch Freude, lassen Sie sich überraschen.  

10. Noch ein abschließender Kommentar Frau Thaller?

Deutschland ist ein Paradies im Vergleich zu anderen Ländern in und außerhalb Europas für Menschen mit Krebserkrankungen. Ich weiß, dass dies eine provokative Aussage ist, aber sie entspricht der Wirklichkeit. Es gibt keine notwendige medizinische Therapie, die wir in Deutschland nicht bekommen. Die Krankenkassen, egal ob gesetzlich oder privat, übernehmen diese Kosten. Jeder einzelne kann zusätzlich Eigenverantwortung für sich selbst auf dem Weg in eine gesündere Zukunft übernehmen. In Deutschland herrscht ein Anspruchsdenken vor, das nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn wir präventiv vorsorgen, können wir auch die Zahlen derer, die z. B. an Krebs erkranken, langfristig senken. Vielen Menschen sind die Zusammenhänge von Lebensstil und einer Krebserkrankung nicht klar, hier wünsche ich mir zum Beispiel eine Aufklärungskampagne seitens öffentlicher Stellen wie dem Bundesgesunheitsministerium. Die ‚Gib Aids keine Chance‘ hatte ja großen Erfolg und hat sicherlich viele Leben gerettet.Ich bin gespannt und hoffnungsvoll, dass Europe’s Beating Cancer Plan auch in diesem Bereich fußt. Prävention und Vorsorge sind die Hauptpfeiler im Kampf gegen Krebs in Europa und darüber hinaus unverzichtbar. Zu Krebs-Prävention gehören neben Vorsorgeuntersuchungen vor allem auch Prävention wie körperliche Aktivität, ausgewogenen Ernährung, Einschränkung von Alkoholkonsum und Rauchen.Das Schöne an Outdoor Sport und Bewegung ist, dass dies meist einher geht mit dem Bewusstsein für die Umwelt, für gesunde Ernährung, dem Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum sowie Tabak.

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