Die Liebe in Zeiten der Genderdebatte

»Ich denke, es ist Zeit daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine »weibliche Zukunft«. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.« (Johanna Dohnal, 1939-2010, österreichische Feministin und Politikerin)

Typisch Mann? Typisch Frau? Die Liebe in Zeiten der Genderdebatte ist der Stoff für eine rasante Komödie der britischen Autorin Samantha Ellis, die seit ihrer Uraufführung in London 2016 bereits Kult ist. »How to Date a Feminist« spielt augenzwinkernd mit Rollenklischees, stellt diese gern auf den Kopf und liefert ein ebenso humorvolles wie kluges Statement in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion um Emanzipation und Geschlechtergerechtigkeit. Mit dieser Premiere startet das Theater Heilbronn seinen Vorstellungsbetrieb nach siebeneinhalb Monaten Zwangspause. Die Premiere ist am 17. Juni um 20 Uhr im Komödienhaus. Regie führt Nils Brück, den das Publikum nicht nur als Schauspieler des Heilbronner Ensembles kennt, sondern auch von einigen Regiearbeiten (u.a. »Tie Break« oder »Shakespeares sämtliche Werke leicht gekürzt«). Für die  Bühne und Kostüme ist Carla Friedrich verantwortlich, die u.a. bereits die Komödien »Der Vorname« und »Sonny Boys« und in der BOXX »Das kunstseidene Mädchen« ausgestattet hat. Der Clou an diesem Stück ist, dass alle Rollen von nur einer Frau und einem Mann gespielt werden, was nicht nur ein großer Spaß ist, sondern erst recht lustvoll die stereotypen Erwartungshaltungen, die mit diesem Thema verbunden sind, konterkariert. Romy Klötzel und Sven-Marcel Voss gehen mit großer Spielfreude diesen Verwandlungsmarathon an. Unterstützt wird das Team von Live-Musiker und Multiinstrumentalist Johannes Bartmes.

Zum Inhalt
Steve und Kate, beide frisch getrennt, lernen sich auf einer Kostümparty kennen. Er geht als Robin Hood, sie als Wonder Woman. Kate flirtet mit Steve, um ihrem Ex-Freund zu demonstrieren, dass sie über ihn hinweg ist. Steve bewundert ihr Kostüm – Wonder Woman – Wow – ein Symbol für weibliche Stärke und Selbstbewusstsein. Alles Fassade, denn Kate steht auf Mistkerle. Als Journalistin schreibt sie über misshandelte Frauen und Lohngerechtigkeit, tief im Innern fällt sie immer wieder auf Macho-Männer wie ihren Ex herein. Die Erziehung durch ihren Vater, einen »Mann alter Schule«, hat sie offenbar tief geprägt.

Steve, der Bäcker, ist bei seiner friedensbewegten Mutter in einem Frauencamp aufgewachsen. Zwar kommt ihm Bob Dylan jetzt zu den Ohren heraus – zu viele Nächte am Lagerfeuer mit verstimmten Gitarren. Aber Feminist ist er geblieben. Und was für einer!
Doch irgendwie hat es gefunkt zwischen dem weichherzigen Frauenversteher und der Lady, die sonst eher auf zu viel Testosteron abfährt. Die Annäherung zwischen den beiden läuft, wie sollte es anders sein,  nicht ohne aberwitzige Komplikationen. Nach 18 Monaten ist es soweit: Steve geht vor Kate auf die Knie und bittet um ihre Hand. Nicht ohne sich vorher für das Patriarchat zu entschuldigen, das seit tausend Jahren die Frauen unterdrückt.

Aber wo andere Geschichten aufhören, fängt diese erst an. Die Vorbereitungen für die Hochzeit sind hochkomplizierte diplomatische Angelegenheiten, denn von nun an mischen die Eltern der beiden mit. Als das Unfassbare geschieht und Steves radikalfeministische Mutter und Kates altmodisch patriarchaler Vater sich am Hochzeitstag näherkommen, bricht für Steve eine Welt zusammen. Seine Mutter, die ihn zum feministischsten Mann, den die Welt je gesehen hat, erzogen hat, lässt sich mit dem Feind ein? Die junge Ehe hält angesichts dieses Skandals nur 90 Minuten …

Frischer Blick auf den Kampf um Gleichberechtigung
Regisseur Nils Brück bezeichnet das Stück als »energiegeladenen Roadtrip durch eine Beziehung«. Im Vorfeld der Inszenierung  hat er unzählige Bücher über Feminismus gelesen, sich mit den Unterschieden zwischen »Differenzfeminismus« und »Gleichheitsfeminismus« und den verschiedenen Wellen der feministischen Bewegung befasst. Ihm gefällt am Stück »How to Date a Feminist« besonders, dass es so einen frischen Blick auf die Thematik wirft und einen ironischen Abstand wahrt, ohne die Anliegen des mehr als berechtigten Kampfes um Gleichberechtigung zu verraten.  Für ihn ist dieses Stück, das einen unglaublich schnellen Rhythmus hat, eine Beziehungs- und Verwandlungskomödie, die neben dem Thema Feminismus auch viele weitere Fragen von großer gesellschaftlicher Relevanz verhandelt – allerdings ohne dogmatisch und belehrend zu sein. Es geht auch um Politik und Religion, um die Rolle der Eltern beim Finden des eigenen Lebensweges und darum, wie viel Arbeit immer und immer wieder in einer Beziehung steckt, wenn sie gelingen will.

Besondere Freude bereitet es dem ganzen Team, mit den beiden Schauspielern die drei Frauen- und Männer-Figuren mit ihren geradezu gegensätzlichen Charakteren herauszuarbeiten, die sie verkörpern. Diese sollen vor allem über unterschiedliche Spielweisen und Körperlichkeiten entwickelt werden, da die rasanten Szenenwechsel ohne große Umzüge und Umbauten vollzogen werden müssen. Ausstatterin Carla Friedrich beschreibt die Bühne als »leere Seiten«, die Kate und Steve gemeinsam mit ihrer Liebesgeschichte füllen. Die Figuren bringen ihre Biographien in Kartons mit und packen sie nach und nach aus.

Samantha Ellis wurde 1975 als Tochter irakisch-jüdischer Eltern in London geboren, die in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden. Sie wuchs in London in einer kleinen, abgeschlossenen irakisch-jüdischen Gemeinschaft auf. Sie war sich spätestens mit dem Eintritt in die Schule dessen bewusst, dass sie in zwei kulturellen Welten lebte. Sie wollte unbedingt herausfinden, was eine Westeuropäerin ausmacht und suchte nach identitätsstiftenden Vorbildern. Diese fand sie vor allem im der Literatur in den Büchern von Jane Austen (Stolz und Vorurteil), Emily Brontȅ (Sturmhöhe) und Charlotte Brontȅ (Jane Eyre), Louisa May Alcott (Little Woman) und Margaret Mitchell (Vom Winde verweht). Die unangepassten, freiheitsliebenden Figuren wurden zu ihren Leitbildern, die Samantha Ellis halfen, sich aus dem strengen religiös-kulturellen Korsett ihrer jüdischen Gemeinde zu befreien. In ihrem ersten Roman »How to Be a Heroine. Or, What I’ve Learned from Reading Too Much« (2014) setzte sie sich damit auseinander.

Bereits 1996 erschien ihr erstes Theaterstück »The Candy Jar«. Anschließend arbeitete sie als Journalistin u.a. für den Guardian, Literary Review, Independent und The Pool. Sie schreibt weiterhin Hörspiele u.a. für die BBC, Sachbücher und Theaterstücke. Das Theaterstück »How to Date a Feminst« erschien 2016 und entwickelte sich seit der Uraufführung in London zum Kultstück.

Premiere am 17. Juni, 20 Uhr, Komödienhaus
How to date a Feminist
Komödie von Samantha Ellis
Regie: Nils Brück
Ausstattung: Carla Friedrich
Dramaturgie: Sophie Püschel
Musik: Johannes Bartmes 
Mit: Romy Klötzel und Sven-Marcel Voss

Weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit: 20. Juni (20 Uhr); 26. Juni (20 Uhr); 27. Juni (20 Uhr); 1.Juli (20 Uhr); 4. Juli (20 Uhr); 9. Juli (20 Uhr); 11. Juli (15 Uhr); 16. Juli (20 Uhr)

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