Drosseln – aber richtig

Die Zentralbanken haben mit einer beispiellosen Geld- und Fiskalpolitik auf die Corona-Pandemie reagiert. Mit der Erholung der Wirtschaft und durchgehenden hohen Bewertungen kommen nun erste Stimmen auf, die Anleihenkäufe zurückzufahren. Tobias Burggraf, Portfolio Manager bei Ethenea Independent Investors S.A., analysiert die aktuellen Entwicklungen.

„Tapering“ – dieser Begriff kommt eigentlich aus dem Marathonsport und bedeutet „drosseln“ oder „runterfahren“. Seit der Finanzkrise ist dies jedoch auch Investoren ein Begriff: 2013 kündigte der damalige Vorsitzende der Fed mit diesem Begriff an, die Anleihenkäufe zurückfahren zu wollen. „Das kam für viele Marktteilnehmer überraschend,“ sagt Burggraf. „Die Renditen der US-Staatsanleihen schossen in die Höhe und der Aktienmarkt brach ein.“

Das wolle die US-Notenbank dieses Mal unbedingt verhindern. Trotzdem gäbe es mittlerweile erste Stimmen, die angesichts der sich erholenden Wirtschaft und den hohen Bewertungen über alle Märkte hinweg ein Zurückfahren der geldpolitischen Unterstützung fordern. So sprach der Fed-Vorsitzende Jerome Powell bereits von „blasenähnlichen“ Zuständen an den Märkten. Auch das im Mai veröffentlichte Sitzungsprotokoll der Fed zeige, dass einige Teilnehmer angedeutet hätten, dass sie eine Diskussion über eine Anpassung des Tempos der Anleihenkäufe bei den kommenden Sitzungen für angebracht hielten.

Tatsächliche Anpassung „noch ein ganzes Stück entfernt“

„Derzeit wird jedoch nur eine Diskussion über eine mögliche Diskussion geführt,“ so Tobias Burggraf. „Von einer tatsächlichen Anpassung sind wir noch ein ganzes Stück entfernt.“ Die Fed würde demnach frühestens in der Juni-Sitzung über eine Drosselung beraten und ihr Anleihenkaufprogramm nicht vor Herbst anpassen. 

„Auch dann ist vorerst nur eine moderate Anpassung des Volumens wahrscheinlich, bevor im zweiten Schritt Zinserhöhungen ins Gespräch gebracht werden,“ so der Portfoliomanager. „Die EZB wird ihre Geldpolitik voraussichtlich noch später zurückfahren und frühestens Anfang nächsten Jahres eine Straffung umsetzen.“

Trotzdem würden einige Zentralbanken bereits vormachen, wie ein Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik aussehen könnte. Die Bank of Canada habe bereits im April angekündigt, ihr Anleihenprogramm um rund eine Milliarde kanadische Dollar von vier auf drei Milliarden pro Woche zu reduzieren. „Es wird erwartet, dass in den folgenden Sitzungen im Juli und September weitere Reduzierungen um jeweils eine Milliarde angekündigt werden,“ sagt Burggraf. „Das sorgte erwartungsgemäß für einen festeren kanadischen Dollar und eine Ausweitung der Renditeaufschläge kanadischer Staatsanleihen gegenüber US-Treasuries.“

Auch die Bank of England und die Neuseeländische Zentralbank hätten bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen. Die Bank of England wolle das Tempo ihrer Anleihenkäufe von 4,4 Milliarden Pfund pro Woche auf 3,4 Milliarden drosseln, während die Neuseeländische Zentralbank bereits Ende Mai prognostizierte, dass sie die Leitzinsen schon in der zweiten Jahreshälfte 2022 anheben könne. Dies hänge aber von der Wirtschaftsentwicklung ab: „Vorerst bleibt der Leitzins auf niedrigen 0,25 Prozent,“ so Burggraf. „Das Anleihenkaufprogramm bleibt ebenfalls bei einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden neuseeländischen Dollar.“

Außerdem habe eine Reihe kleinerer Zentralbanken in Mittel-, Ost- sowie Nordeuropa eine Straffung angekündigt. Dies sei geschehen, um eine potenziell außer Kontrolle geratene Inflation zu verhindern. In Ungarn habe diese mit 5,1 Prozent den höchsten Stand seit Jahren erreicht, auch in Polen und Tschechien sähe es mit 4,3 Prozent und 3,1 Prozent über den Zielen der Notenbanken nicht anders aus. 

Fed, EZB und Bank of Japan bleiben vorsichtig

Die großen Notenbanken dagegen seien weiterhin vorsichtig. „Dies wird auch vorerst so bleiben,“ ist sich Tobias Burggraf sicher. „Das freut die Märkte, insbesondere die Anleiheninvestoren.“ Trotzdem berge die Strategie auch Risiken, da niemand mit Sicherheit wisse, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Sollte die Erholung noch deutlich länger anhalten, könne die Fed mit ihrer Einschätzung recht behalten, prognostiziert Burggraf. „Portfoliomanagement ist aber in erster Linie auch immer Risikomanagement, also das Vermeiden oder Minimieren von Risiken.“ Sollte die Fed mit ihrer Einschätzung falsch liegen, könne dies fatale Folgen haben – die Wirtschaft könne überhitzen und die Inflation deutlich über vier oder fünf Prozent steigen und auch über eine längere Zeit auf diesem Niveau bleiben. „Dann müsste die Fed umso stärker bremsen und das könnte richtig weh tun,“ so der Portfoliomanager. Sollte die Fed sich doch entscheiden, ihre Anleihenkäufe sukzessive zurückzufahren, fände sie genügend Beispiele bei anderen Notenbanken. 

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