Deutschland stehe dabei im Mittelpunkt der anhaltenden Inflationssorgen. Zu dieser Überzeugung kommt Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments. Bereits am Montag hätte das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von 3,9 Prozent vermeldet. „Neben einer breit auftretenden Verteuerung der Energiepreise wiesen Analysten hierzulande vor allem auf die wohlbekannten Lieferkettenprobleme hin,“ so Grüner „Diese wirken sich in der Industrie negativ auf die Produktionsmenge aus und treiben die Preise in die Höhe, da das begrenzte Warenangebot eine Konkurrenzsituation für die Abnehmer schafft.“ Angesichts dieser anhaltenden Probleme würden viele Analysten den Punkt erreicht sehen, an dem der Inflationsanstieg nicht mehr als „vorübergehend“ bezeichnet werden kann.
Inflationsängste relativieren
„Vorübergehend“ bedeute auch nicht, dass eine aktuelle Problemstellung bereits morgen behoben sein muss – es handele sich viel eher um ein zeitlich begrenztes Phänomen. „Aktuelle Engpässe implizieren nicht, dass die Preise Monat für Monat ansteigen,“ analysiert Grüner. „Beispielsweise haben viele Hersteller in der deutschen Autoindustrie aufgrund des Halbleitermangels ihre Arbeitsschichten reduziert, was einigen Unternehmen einen zweistelligen prozentualen Rückgang bei den Neuwagenauslieferungen bescherte.“ Würde sich die Produktion in den nächsten ein oder zwei Jahren auf einem relativ konstanten Niveau bewegen, könnten in der Zwischenzeit neue Halbleiter-Produktionsstätten entstehen und das globale Angebot somit ausweiten. Diese Entwicklung würde demnach natürlich keinen exponentiellen Preisanstieg nach sich ziehen, sondern die Lieferengpässe als Einmaleffekte entlarven. Diese würden sich in einer Jahresbetrachtung niederschlagen. „Sobald sie jedoch aus dem Zeitfenster fallen, gestalten sich die Inflationsraten wieder moderater“, sagt Grüner.
Diese Argumentation basiere auf der stark vereinfachten Annahme, dass sich alle anderen Einflussfaktoren nicht verändern – was Grüner zufolge in der Realität niemals so auftrete: „In den USA konnte man jedoch bereits beobachten, dass riesige Preiserhöhungen nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden sollten,“ so Grüner. „Gerade wenn sie von der Angebotsseite getrieben werden.“ Der Halbleitermangel wirke sich auch in den USA heftig auf die Neuwagenproduktion aus, weshalb viele Käufer auf den Gebrauchtwagenmarkt auswichen. Diese erhöhte Nachfrage habe die Preise dynamisch nach oben getrieben. Die Gebrauchtwagen-Komponente in der US-Inflation sei im April 2021 auf Monatssicht um 10,0 Prozent angestiegen, weitere 7,3 Prozent im Mai und 10,5 Prozent im Juni. Allerdings stabilisierten sich die Gebrauchtwagenpreise im Juli und erhöhten sich nur noch um 0,2 Prozent. Auf Jahressicht ständen zwar gewaltige 41,7 Prozent zu Buche, neuer Preisdruck sei laut Grüner dennoch nicht zu vermuten.
Fazit
„Lieferkettenprobleme belasten unter Umständen den Geldbeutel, aber sie qualifizieren sich nicht als ‚echte Inflation‘ “, so Grüner „Eine breit angelegte Inflation beeinflusst die Preisbildung in der gesamten Wirtschaft und trifft Güter und Dienstleistungen gleichermaßen.“ Preise würden über einen langen Zeitraum stetig in die Höhe getrieben – wie in den 1970er Jahren. Diesen Zustand könnte eine Zentralbank mit ihrer Geldpolitik bekämpfen – es läge allerdings nicht in der Macht einer Zentralbank, temporäre Verzerrungen des Verbraucherpreisindex zu verhindern.
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